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BFH-Urteil vom 30.4.1986 (II R 155/83) BStBl. 1986 II S. 676

§ 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. war auch anwendbar, wenn der Erbe einem Dritten als Abfindung für dessen Erbausschlagung ein Nießbrauchsrecht an Nachlaßgegenständen bestellte.

ErbStG 1974 a.F. § 25 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin ist neben ihrem Bruder gesetzliche Erbin ihres am 5. September 1975 gestorbenen Onkels W. Der Erbanfall beruhte darauf, daß die Großmutter und die Mutter der Klägerin, die zu je 1/2 gesetzliche Erben gewesen wären, die Erbschaft ausgeschlagen hatten. Als Abfindung für diese Erbausschlagung erhielt die Großmutter von der Klägerin und ihrem Bruder durch notariell beurkundeten Vertrag vom 16. September 1975 Anteile an der H GmbH und die Mutter u. a. ein lebenslängliches 3/4-Nießbrauchsrecht (Quotennießbrauch) an weiteren (zum Nachlaß gehörenden) Anteilen an der genannten GmbH.

Mit der Steuererklärung begehrte die Klägerin den Abzug des Nießbrauchs als Nachlaßverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Das beklagte Finanzamt (FA) verweigerte diesen Abzug und stundete lediglich gemäß § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 in der bis zum 30. August 1980 geltenden Fassung (ErbStG a. F.) die auf die Nießbrauchsbelastung entfallende Steuer.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Erbschaftsteuer herab. Der Nießbrauch sei als Nachlaßverbindlichkeit i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 von dem Erwerb abzuziehen. § 25 ErbStG 1974 a. F. sei hier nicht anwendbar. Diese Vorschrift setze voraus, daß die Belastung bereits im Zeitpunkt des Erbfalles bestehe. Die Klägerin habe den Nießbrauch jedoch erst durch den Vertrag vom 16. September 1975 und damit nach Eintritt des Erbfalles bestellt.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben.

Entgegen der Auffassung des FG kann das Nießbrauchsrecht der Mutter der Klägerin an den GmbH-Anteilen nicht als Nachlaßverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 abgezogen werden. Vielmehr ist lediglich die auf den Kapitalwert der Nießbrauchsbelastung entfallende Steuer gemäß § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 a. F., der dem § 10 Abs. 5 ErbStG 1974 vorgeht, zu stunden.

Aussetzung der Versteuerung oder Stundung der Steuer waren nach § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. u. a. vorgeschrieben beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen einem anderen als dem Erwerber zustehen. Mit der Ausschlagung der Erbschaft durch die Mutter und die Großmutter erwarb die Klägerin neben ihrem Bruder den Nachlaß und damit die eingangs genannten Anteile an der H GmbH, und zwar kraft der Fiktion des § 1953 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) rückwirkend mit dem Erbfall. Die Nutzungen an diesen Anteilen standen (zu 3/4) der Mutter der Klägerin als Nießbraucherin zu. Unerheblich ist, daß der notariell beurkundete Vertrag über die Nießbrauchsbestellung erst am 16. September 1975 und damit nach dem Erbfall (5. September 1975) abgeschlossen wurde. § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. verlangte nur, daß die Nutzungen des Vermögens einem anderen als dem Erwerber "zustehen". Dieser Wortlaut ließ sich nicht dahin verstehen, daß die Nutzungen bereits im Zeitpunkt des Erwerbes zustehen mußten. Denn die Vorschrift sollte nach ihrem erkennbaren Sinn und Zweck gerade auch solche Fälle erfassen, in denen erst der Erwerber (nach dem Erwerb) das Nutzungsrecht bestellte, weil er vom Erblasser durch Vermächtnis oder vom Schenker durch Auflage dazu verpflichtet worden und daher in seiner Entscheidung über die Bestellung nicht frei war. Nicht anders verhält es sich mit dem vorliegenden Fall. Hier war die Klägerin mindestens ebensosehr wie durch ein Vermächtnis oder durch eine Auflage in ihrer Entscheidung gebunden. Denn ohne die Bestellung des Nießbrauchsrechtes für die Mutter und die Übertragung der GmbH-Anteile auf die Großmutter hätten diese Personen die Erbschaft nicht ausgeschlagen und die Klägerin (sowie ihr Bruder) daher diese Anteile überhaupt nicht gemäß § 1953 Abs. 2 BGB erworben. In dem notariell beurkundeten Vertrag vom 16. September 1975 war ausdrücklich vereinbart, daß die Bestellung des Nießbrauches für die Mutter und die Übertragung der GmbH-Anteile auf die Großmutter "als Abfindung für die Ausschlagung der Erbschaft" erfolge und die Vereinbarungen mit der Großmutter und der Mutter "aufschiebend bedingt durch das Wirksamwerden der Erbschaftsausschlagung (dieser Personen) getroffen" werde.

Nicht erforderlich war demnach für die Anwendung des § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F., daß - wie die Klägerin meint - die Anordnung des Nutzungsrechtes für einen Nachlaßgegenstand zugunsten eines anderen als dem Erwerber dieses Gegenstandes durch den Erblasser selbst erfolgt.

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Da die Steuerfestsetzung des FA keinen Fehler erkennen läßt und solche von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden sind, ist die Klage abzuweisen.