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BFH-Beschluß vom 7.5.1986 (I B 58/85) BStBl. 1986 II S. 677

1. Die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides, durch den die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft abgelehnt wird, hat nicht die Rechtswirkung einer vorläufigen Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

2. Die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit kann durch eine Regelungsanordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht erreicht werden.

FGO §§ 69, 114; AO 1977 §§ 51 ff.

Sachverhalt

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist ein ... 1984 gegründeter Verein, der ... 1985 in das Vereinsregister eingetragen wurde. Satzungsmäßiger Vereinszweck ist ...

Am ... 1985 erteilte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) dem Antragsteller eine bis ... 1988 befristete, jederzeit widerrufliche Bescheinigung, wonach er zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) aufgeführten Körperschaften gehöre und berechtigt sei, Spendenbestätigungen auszustellen.

Mit Verfügung vom ... 1985 widerrief das FA die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit.

Den Antrag des Antragstellers ..., das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zur Aufhebung der Widerrufsverfügung ... zu verpflichten, wies das Finanzgericht (FG) mit Beschluß ... zurück.

Mit Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid ... setzte das FA die für 1985 und 1986 zu entrichtenden Vorauszahlungen auf null DM fest und wies in den Erläuterungen zum Bescheid darauf hin, daß der Antragsteller nicht als gemeinnützig anerkannt werde. Den Einspruch des Antragstellers wies das FA ... als unbegründet zurück. Über die hiergegen erhobene Klage, mit der der Antragsteller die Aufhebung des Vorauszahlungsbescheides und die Verpflichtung des FA zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit begehrt, ist noch nicht entschieden (Az. 1 K 302/85).

Am ... 1985 stellte der Antragsteller bei dem FG den Antrag, die Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides ... auszusetzen. Mit Beschluß vom selben Tage wies das FG den Antrag als unbegründet zurück.

Am ... 1985 beantragte der Antragsteller beim FG den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, wonach dem FA auferlegt werden sollte, unter Aufhebung seiner Einspruchsentscheidung ... den Bescheid über Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer aufzuheben und durch Freistellungsbescheid die Gemeinnützigkeit des Antragstellers anzuerkennen.

Das FG wies den Antrag als unzulässig ab, da vorläufiger Rechtsschutz nur im Vollziehungsaussetzungsverfahren nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gewährt werden könne.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Entgegen der Auffassung des FG ist der Antrag jedoch nicht unzulässig.

§ 114 Abs. 5 FGO greift im Streitfall nicht ein, da der Antragsteller den begehrten vorläufigen Rechtsschutz nicht im Wege der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO erreichen kann. Hierbei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der angefochtene Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid vollziehbar ist. Denn die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides führt jedenfalls nicht zu der vom Antragsteller erstrebten Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Der vorläufigen Aufhebung der in den Gründen des Bescheides verfügten Ablehnung der Gemeinnützigkeit kommt nicht die Rechtswirkung einer vorläufigen Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die dem Antragsteller am ... 1985 erteilte vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit. Diese Bescheinigung stellt keinen Verwaltungsakt dar (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. September 1956 I 188/55 U, BFHE 63, 292, BStBl III 1956, 309). Da im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht eine besondere förmliche Anerkennung einer Körperschaft als steuerbegünstigt nicht vorgesehen ist, kann über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung ausschließlich im Veranlagungsverfahren für die jeweilige Steuer und den jeweiligen Veranlagungszeitraum entschieden werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 77/76, BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481 m. w. N.). Der Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid, in dem erstmals über die Steuerbefreiung des Antragstellers entschieden wurde, ist somit kein die vorläufige Bescheinigung ändernder Bescheid, deren Rechtswirkungen mit der Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides wieder aufleben könnten.

2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet.

Nach § 114 Abs. 1 FGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Antragsteller erstrebt eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, da er nicht die Veränderung eines bestehenden Zustandes verhindern, sondern eine vom FA versagte Regelung erreichen will (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 26. Februar 1975 I B 96/74, BFHE 115, 17, BStBl II 1975, 449).

a) Soweit das FA durch die Regelungsanordnung verpflichtet werden soll, durch Freistellungsbescheid die Gemeinnützigkeit des Antragstellers anzuerkennen, kann der Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil durch eine solche Anordnung das Ergebnis der Hauptsache vorweggenommen und dieser endgültig vorgegriffen würde. Denn durch eine einstweilige Anordnung darf keine Regelung bewirkt werden, zu der die Verwaltungsbehörde erst durch Verpflichtungsurteil verurteilt werden könnte (BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1969 VII B 127/69, BFHE 97, 575, BStBl II 1970, 222 m. w. N.). Der Antrag des Antragstellers nach § 114 FGO ist insoweit mit dem Klageantrag im Hauptverfahren identisch.

b) Legt man den Antrag des Antragstellers dahingehend aus, daß er im Anordnungsverfahren lediglich die Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung darüber begehrt, daß er zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 aufgeführten Rechtsgebilden gehöre und damit zur Entgegennahme steuerbegünstigter Spenden nach § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechtigt sei, so müßte diesem Antrag der Erfolg gleichwohl versagt bleiben.

Der erkennende Senat hat in einem vergleichbaren Fall im Beschluß vom 19. Juli 1978 I B 14/78, BFHE 125, 351, BStBl II 1978, 598) den Erlaß einer Regelungsanordnung bereits mangels eines Anordnungsgrundes abgelehnt, es hierbei jedoch ausdrücklich offengelassen, ob der behauptete Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit überhaupt besteht.

Ein derartiger Anordnungsanspruch ist nach den unter 1. dargelegten Gründen zu verneinen. Besitzt nämlich die vorläufige Bescheinigung lediglich den Charakter einer unverbindlichen Auskunft, so kann sie mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht erzwungen werden. Innerhalb des Veranlagungsverfahrens fehlt eine besondere Regelung, vergleichbar etwa dem Freibetragsverfahren nach § 39a EStG für den Bereich der Lohnsteuer, zur vorläufigen Anerkennung der Gemeinnützigkeit für zukünftige Zeiträume ebenfalls.

Auch ein Vorauszahlungsbescheid kann insoweit den Anforderungen, die der Senat für eine Entscheidung über die steuerliche Gemeinnützigkeit einer Körperschaft im Urteil in BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481 aufgestellt hat, nicht genügen. Denn für Zeiträume nach Erlaß des Bescheides kann weder vom Antragsteller nachgewiesen, noch vom FA überprüft werden, ob der Antragsteller nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient.

c) Im übrigen ist ernstlich zweifelhaft, ob die beantragte Regelungsanordnung überhaupt zur Abwendung wesentlicher Nachteile geeignet wäre. Diese wesentlichen Nachteile bestehen nach dem Vorbringen des Antragstellers in der Beschränkung des Spendenaufkommens. Indes könnte durch die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit die Spendenbereitschaft nicht wesentlich erhöht werden. Denn der Antragsteller könnte steuerbegünstigte Spenden nach § 10b EStG nur mit dem Vorbehalt entgegennehmen, über die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 sei in dem anhängigen Hauptverfahren zu entscheiden. Das Risiko eines negativen Ausgangs dieses Verfahrens verbliebe damit beim Spender.