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BFH-Urteil vom 12.8.1986 (VII R 169/83) BStBl. 1986 II S. 821

1. Auch für die nach früherem Berliner Landesrecht Kraftfahrzeugsteuerfreiheit begründende "Berlin-Zulassung" von Mietanhängern auf Berliner Vermietungsunternehmen kam es auf den voraussichtlichen regelmäßigen Standort der Fahrzeuge an. Dieser ist nicht ohne weiteres der Sitz des Vermieters.

2. War der Standort (1.) tatsächlich von vornherein der Sitz des Mieters im übrigen Bundesgebiet und wurde somit die "Berlin-Zulassung" der Anhänger mißbräuchlich erwirkt, so entstand in der Zeit vom 1. Januar 1977 an Kraftfahrzeugsteuer in der Person des Vermieters (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636).

DB KraftStÄndG Berlin 1950 § 1 Nr. 1; StVZO § 23 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 70 Abs. 1; AO 1977 § 42; StAnpG § 6 Abs. 1 u. 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, die sich - 1976 mit Firmensitz in Berlin (West) - mit der Vermietung von Kraftfahrzeuganhängern befaßte, vermietete im Februar 1976 einen fabrikneuen Anhänger für 48 Monate an ein Speditionsunternehmen mit Sitz in He. Der Anhänger, der am 3. Februar 1976 in Berlin mit dem amtlichen Kennzeichen B- für die Klägerin zugelassen, von dieser aber nicht benutzt worden war, wurde dem Mieter am 16. Februar 1976 in Ha übergeben. Das Halten des Anhängers blieb zunächst aufgrund der bis zum 30. April 1978 geltenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sondervorschriften des Berliner Landesrechts kraftfahrzeugsteuerfrei. Das Finanzamt - FA - setzte durch Steuerbescheid vom 9. Juni 1981 gegen die Klägerin für die Zeit vom 16. Februar 1976 bis 30. April 1978 Kraftfahrzeugsteuer fest. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen, ihre Klage teilweisen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) entschied, Kraftfahrzeugsteuer sei für die Zeit bis 31. Dezember 1976 zu Unrecht, im übrigen aber zu Recht angefordert worden. Dabei ging das FG davon aus, daß der voraussichtliche Standort des Anhängers, da dieser zum Einsatz vom Sitz des Mieters aus bestimmt gewesen sei, von vornherein nicht in Berlin, sondern im übrigen Bundesgebiet liegen sollte.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, der in Berlin gestellte Antrag auf Zulassung sei keine Gestaltung, jedenfalls aber keine vorschriftswidrige oder ungewöhnliche oder sonst unangemessene Gestaltung. Sie - Klägerin - habe sich aus praktischen Gründen, denen das FG unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht nicht nachgegangen sei, zu einer Zentralzulassung veranlaßt gesehen. Unrichtige Angaben habe sie nie gemacht; der Zulassungsstelle in Berlin seien die Zusammenhänge bekannt gewesen. Das FG habe nicht geprüft, ob der Firmensitz des Mieters identisch sei mit dem Standort des Anhängers; sie - Klägerin - habe dies mit Nichtwissen bestritten. Im übrigen begründe eine auch längerfristige Vermietung in den Bezirk einer anderen Zulassungsstelle verkehrsrechtlich eine nur vorübergehende Verlegung des regelmäßigen Standorts, damit keine Ummeldeverpflichtung. Das ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 9. Dezember 1983 7 C 101.81 (Verkehrsrechts-Sammlung - VRS - 66, 315), von dem die Entscheidung des Senats vom 13. August 1985 VII R 172/82 (BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636) abweiche. Erst recht begründe eine Anwendung der Grundsätze dieser Entscheidung auf Fahrzeugvermietungen durch Vermietungsunternehmen mit Firmensitz in Berlin eine Abweichung von der Rechtsprechung des BVerwG, das konkludent entschieden habe, daß eine Erstzulassung eines (auch fabrikneuen) Mietfahrzeugs am Sitz der Vermietungsgesellschaft in Berlin zulässig sei, auch wenn es seinen regelmäßigen Standort nicht - auch nicht zunächst - in Berlin haben sollte. Jedenfalls sei in dem Aufrechterhalten der Zulassung für die Zeit nach dem 1. Januar 1977 keine Gestaltung zu sehen. Würde jedoch ab 1977 eine mißbräuchliche Gestaltung bejaht, so dürfe dies bei verfassungskonformer Auslegung nicht für Vermietungen vor Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) gelten. Auch eine unechte Rückwirkung sei unzulässig, weil sie unangemessen in den durch die bei Zulassung bestehende Rechtslage geschaffenen Vertrauenstatbestand eingriffe. Sie - Klägerin - habe davon ausgehen dürfen, daß Änderungen der Kraftfahrzeugbesteuerung deutlich normiert würden. Sie habe nicht damit zu rechnen gehabt, daß ein völlig anderes Gesetz mit Auswirkung auf das Kraftfahrzeugsteuerrecht geändert und extensiv interpretiert würde. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Berliner Kraftfahrzeugsteuerfreiheit für das Halten von Anhängern 1978 durch eine ausdrückliche Neuregelung ersetzt worden sei.

Das FA führt zur Begründung seiner Revision aus, die maßgebende Steuerbefreiung nach Berliner Landesrecht habe, wie sich auch aus ihrer Entstehungsgeschichte ergebe, einen Standort des Anhängers in Berlin sowie den Einsatz im Berlin-Verkehr vorausgesetzt. Diese Voraussetzung sei im Streitfalle nicht gegeben gewesen. Zur Begründung der Steuerpflicht der Klägerin bedürfe es daher keines Rückgriffs auf die Vorschriften über den Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Es handele sich um eine willkürliche Erstanmeldung des Anhängers in Berlin, ohne daß dieser dort gewesen sei. Das FG habe den Steueranspruch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1976 zu Unrecht verneint.

Entscheidungsgründe

II.

Die - selbständigen - Revisionen können keinen Erfolg haben.

1. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin für das Halten des für sie in Berlin (West) zugelassenen streitbefangenen Anhängers in der Zeit vom 1.1.1977 bis 30.4.1978 Kraftfahrzeugsteuer schuldet. Zwar war nach dem bis zum 30. April 1978 geltenden Berliner Landesrecht - § 1 Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen vom 16. September 1950 zu dem durch Gesetz vom 3. August 1950 geänderten Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG), Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Sb. II 6111-2 - das Halten von in Berlin zugelassenen Anhängern uneingeschränkt kraftfahrzeugsteuerfrei, doch ist die Zulassung in Berlin (West) in Ermangelung eines dortigen regelmäßigen Standorts des Anhängers mißbräuchlich erwirkt worden und der Steueranspruch vom 1. Januar 1977 an so entstanden, wie er entstanden wäre, wenn die Zulassung, wie nach den Verkehrsvorschriften geboten, bei der für den regelmäßigen Standort zuständigen Zulassungsstelle erwirkt worden wäre. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf sein Urteil in BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636. An der darin entwickelten rechtlichen Beurteilung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.

a) Nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften begründet der voraussichtliche regelmäßige Standort, anzugeben im Zulassungsantrag, die Zuständigkeit der Zulassungsstelle (§ 23 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO -). Regelmäßiger Standort ist der Einsatzmittelpunkt, auch definiert als Schwerpunkt der Ruhevorgänge (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 1985, § 23 StVZO Rz. 16) oder Zentralpunkt der Fahrzeugverwendung (vgl. Full/Möhl/Rüth, Straßenverkehrsrecht, 1980, § 23 StVZO Rdnr. 9). Einen Solchen Standort setzt die StVZO u. a. für das Zulassungsverfahren voraus. Für Fahrzeuge von Vermietungsunternehmen gilt nichts anderes (von der - allgemein bestehenden - Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung abgesehen). Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das von ihr angeführte Urteil des BVerwG, um darzutun, von diesem weiche die Entscheidung in BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636 ab, erst recht aber begründe die Anwendung der in dieser Senatsentscheidung entwickelten Grundsätze auf die vom Vermietungsunternehmen am Firmensitz erwirkten verkehrsrechtlichen Zulassungen eine Abweichung. Das BVerwG hat entschieden, die Verlegung des regelmäßigen Standorts eines Kraftfahrzeugs, durchgeführt vom Fahrzeugmieter aufgrund eines von vornherein befristet abgeschlossenen Mietvertrags (vier Jahre) mit einem Berliner Vermietungsunternehmen, sei voraussichtlich nur vorübergehend im Sinne von § 27 Abs. 2 StVZO. Aus diesem Urteil ergibt sich zwar, daß eine Erstzulassung eines Mietfahrzeugs am Sitz des Vermietungsunternehmens zulässig ist - selbstverständlich, wenn der regelmäßige Standort des Fahrzeugs (zunächst) dort liegt -, auch, daß das BVerwG von einer solchen Zulassung in dem von ihm entschiedenen Falle stillschweigend ausgegangen ist, aber keineswegs, wie die Klägerin anzunehmen scheint, daß eine Erstzulassung bei dem Vermieter auch ohne dortigen regelmäßigen Standort - im Sinne der allgemein anerkannten Definition - erfolgen dürfe, sei es, daß es "auf den Standort... bei Vermietfällen nicht an(käme)" oder daß von vornherein "der Zentralpunkt der Fahrzeugverwendung einer Vermietgesellschaft als an deren Sitz befindlich" anzusehen wäre. Der ersten Annahme steht schon der Wortlaut der maßgebenden Vorschriften entgegen; zu ihnen gehört auch § 27 Abs. 2 StVZO, der eine vorherige Standortbegründung denknotwendig voraussetzt, wenn er die vorübergehende Standortverlegung regelt. Daß das BVerwG es anders gesehen haben sollte, könnte selbst dann nicht in Betracht gezogen werden, wenn es sich auch in seinem Falle um fabrikneue, ungebrauchte Fahrzeuge gehandelt hätte. Im übrigen hatte das BVerwG über die Rechtmäßigkeit eines auf § 27 Abs. 2 StVZO gestützten Ummeldeverlangens zu befinden, also keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob die Berlin-Zulassung rechtmäßig erwirkt worden war. Es kann deshalb auch nicht unterstellt werden - zweite Annahme der Klägerin -, das BVerwG habe (stillschweigend) entschieden, daß der regelmäßige Standort von Fahrzeugen von Vermietungsunternehmen ohne weiteres am Unternehmenssitz liege. Dies widerspräche überdies der allgemein anerkannten Definition des regelmäßigen Standorts und der eigenen Rechtsprechung des BVerwG, das in seinem gleichfalls am 9. Dezember 1983 ergangenen Urteil 7 C 70.81 (VRS 66, 309, 312) entschieden hat, der Sitz der Vermieterin scheide als straßenverkehrsbezogener Mittelpunkt der vom Mieter betriebenen Fahrzeuge aus, weil dort lediglich das Vermietgeschäft betrieben, aber nicht über den jeweiligen Einsatz der Fahrzeuge bestimmt würde. Ein Grund dafür, diese Beurteilung nur für bereits verwendete, nicht aber für "neue" Fahrzeuge gelten zu lassen, ist nicht ersichtlich.

Die Rechtsprechung des BVerwG hindert nicht, ohne Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu erkennen, daß es für die Zulassung auch von (neuen) Fahrzeugen von Vermietungsunternehmen auf den wirklichen regelmäßigen Standort - nicht notwendig Vermietersitz - ankommt und daß ihre Berlin-Zulassung auf den Vermieter in Berlin unrechtmäßig erwirkt wurde, wenn ihr tatsächlicher Standort am Sitz des Mieters anzunehmen war (so bereits vom Senat durch Urteil vom 21. Januar 1986 VII R 183/82, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1986, 434, für den Fall einer Anhängervermietung durch eine für das Vermietungsgeschäft zuständige Berliner Zweigniederlassung entschieden).

b) Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß der Anhänger im Zeitpunkt der Zulassung seinen regelmäßigen Standort am Sitz des Mieters, außerhalb Berlins, haben sollte. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden, da die Klägerin insoweit zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar hat die Klägerin vorgetragen, das FG sei unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den Gründen nicht nachgegangen, die sie - Klägerin - zu einer "Zentralzulassung" in Berlin bewogen hätten. Auf die Erforschung der Gründe für eine solche zentrale Zulassung, die - ohne entsprechenden Standort - verkehrsrechtlich nur auf Grund einer von der zuständigen obersten Landesbehörde oder vom Bundesminister für Verkehr erteilten Ausnahmegenehmigung (§ 70 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 StVZO) hätte erfolgen dürfen, kam es indessen nicht an. Denn aus ihnen konnte sich in keinem Falle ergeben, daß das Fahrzeug seinen regelmäßigen Standort wenigstens zunächst in Berlin haben sollte. Allerdings hat die Klägerin in der Klageschrift mit Nichtwissen bestritten, daß der Standort sich am Sitz des Mieters befunden haben sollte, und sich - auch - auf diese Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bezogen. Damit hat die Klägerin aber nicht, wie für die Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO, Tz. 63), Tatsachen bezeichnet und unter Beweis gestellt, die den behaupteten Mangel ergeben, und auch nicht dargetan, welche Beweise, deren Erhebung sich nach Lage des Falles hätte aufdrängen müssen, unerhoben geblieben sind. Die theoretische Erwägung, es könne möglich sein, daß der vom Mieter bestimmte Zentralpunkt der Fahrzeugverwendung nicht der Sitz des Mieters, sondern ein anderer Ort war, vermag einen Aufklärungsmangel nicht zu begründen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß ein anderer Ort als der Sitz des Mieters als regelmäßiger Standort in Betracht gekommen wäre, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

c) Lag der Standort des vermieteten Anhängers bei seiner Berlin-Zulassung am Sitz des Mieters, außerhalb Berlins, so war die Zulassungsstelle in Berlin ohne eine entsprechende Ausnahmegenehmigung, die sie nicht erteilen konnte, nicht zuständig, die Zulassung, unbeschadet ihrer Wirksamkeit, nicht vorschriftsgemäß erwirkt; angemessene Gestaltung wäre vielmehr ein Antrag auf Zulassung bei der für den Mieter zuständigen Zulassungsstelle - mit der Folge der Kraftfahrzeugsteuerpflicht der Klägerin und der Zuständigkeit des FA - gewesen. Soweit die Klägerin geltend macht, die Zulassungsstelle in Berlin habe die Zulassung in Kenntnis der im Antrag angegebenen Fahrzeugvermietung erteilt, kann ihr Vorbringen nicht berücksichtigt werden, weil das FG entsprechende Feststellungen nicht getroffen und die Klägerin eine Aufklärungsrüge insoweit nicht erhoben hat. Im übrigen zwänge selbst dieses Vorbringen nicht zu dem Schluß, die Zulassungsstelle in Berlin habe sich über die verkehrsrechtlichen Vorschriften hinweggesetzt und trotz erklärten Standorts außerhalb Berlins die Zulassung erteilt. Denn auch bei gewerblicher Fahrzeugvermietung - selbst neuer Fahrzeuge - kann der regelmäßige Standort durchaus (zunächst) am Sitz des Vermieters liegen.

d) Die Klägerin verkürzt den Umgehungsbegriff (§ 42 AO 1977), wenn sie ihn nur im Falle "ungewöhnlicher" Gestaltungen gelten lassen will. Eine dem Gesetz nicht entsprechende Gestaltung mag für die Beteiligten praktisch, sie mag weitgehend geübt sein: im Rechtssinne angemessen ist sie deshalb nicht. Jedenfalls dann, wenn eine andere Rechtsgestaltung - wie hier - zwingend vorgeschrieben ist, ist ein entgegengesetztes Vorgehen unangemessen (vgl. auch Tipke/Kruse, a. a. O., 12. Aufl., § 42 AO 1977 Tz. 12 a. E.), ohne daß weitere Gesichtspunkte, die sonst die Unangemessenheit einer Gestaltung - regelmäßig einer solchen des privaten Rechts - begründen können, ausschlaggebend wären. Auf die praktischen Gründe, die die Klägerin für die Zulassung auf den Vermieter und an dessen Sitz anführt - sie haben einiges für sich -, kann es somit nicht ankommen. Im übrigen besteht die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung, hier in Gestalt einer von § 23 Abs. 1 StVZO dispensierenden Genehmigung nach § 70 Abs. 1 StVZO; von ihr hat die Klägerin denn auch später Gebrauch gemacht (vgl. auch BVerwG-Urteil in VRS 66, 309, 314). Ob es anders zu sehen wäre, wenn die Zulassung von Fahrzeugen auf ein Vermietungsunternehmen aus Rechtsgründen nur durch die für den Unternehmenssitz zuständige Zulassungsstelle erfolgen könnte, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst bei langfristig gemieteten Kraftfahrzeugen kommt auch der Vermieter als "Zulassungsträger" in Betracht (BVerwG, a. a. O., S. 313 mit Nachweisen); ein Standort außerhalb des (Wohn-)Sitzes ist nicht ausgeschlossen (Jagusch/Hentschel, a. a. O.). Auch die Klägerin stellt dies im Grunde nicht in Abrede.

e) Der Steuertatbestand ist ab 1. Januar 1977 erfüllt. Liegt ein Mißbrauch vor - hier in der Form des entgegen § 23 Abs. 1 StVZO in Berlin gestellten Zulassungsantrags -, so entsteht der Steueranspruch wie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung (§ 42 Satz 2 AO 1977). § 42 AO 1977 fordert nicht, daß von einer Gestaltungsmöglichkeit vom 1. Januar 1977 an Gebrauch gemacht wird, sondern läßt, wie der Senat in seinem Urteil vom 15. Juli 1986 VII R 178/83 (BFHE 147, 190, BStBl II 1986, 735) entschieden hat, das "Vorliegen" eines schon früher verwirklichten Gestaltungsmißbrauchs genügen, auch wenn dieser - wie hier - im Zeitpunkt seiner Vornahme noch nicht steuerlich erheblich war. Ob das Gesetz, soweit es den Steueranspruch angeknüpft an das bloße "Vorliegen" eines Mißbrauchs entstehen läßt, der durch Ausnutzung einer Gestaltungsmöglichkeit vor dem 1. Januar 1977 herbeigeführt worden ist, als rückbezogen anzusehen ist, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn von dieser Annahme auszugehen wäre, würde es sich nicht um eine - grundsätzlich unzulässige - echte Rückwirkung handeln (keine Steuerpflicht bis Ende 1976; vgl. nachstehend Nr. 2). Vielmehr läge allenfalls eine bloße unechte, auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen - hier: die von der Zulassung an für unbestimmte Zeit dauernde Steuerpflicht nach § 5 Nr. 1 KraftStG 1972 - für die Zukunft einwirkende Rückbeziehung vor. Die Grenzen einer - grundsätzlich zulässigen - unechten Rückwirkung sind jedenfalls dann nicht überschritten, wenn das Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage, auf bestimmte steuerliche Vergünstigungen, sachlich nicht gerechtfertigt war (Urteil des erkennenden Senats VII R 178/83, mit Nachweisen; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, 402). Sollte die Klägerin auf den Fortbestand der von ihr erreichten Steuerbefreiung vertraut haben, so wäre dieses Vertrauen nicht anzuerkennen, weil die Klägerin diese nur durch mißbräuchliche (verkehrsvorschriftswidrige), wenn auch im Zeitpunkt der Vornahme noch nicht steuerlich nachteilige Gestaltung erreicht hat. Die Erweiterung der Mißbrauchsvorschrift - in § 42 AO 1977 - ist nicht durch ein steuerfremdes ("völlig anderes") Gesetz verfügt worden. Die Anwendung der neuen Mißbrauchsbestimmung auf mißbräuchliche Gestaltungen des öffentlichen Rechts entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers (dazu BFHE 144, 176, 182, BStBl II 1985, 636, 640). Die 1978 erfolgte Neuregelung der Berliner Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für das Halten von Anhängern beweist nicht, daß die Anwendung von § 42 AO 1977 auf die in Betracht kommenden Fälle völlig unvorhersehbar war; dies schon deshalb nicht, weil die Befreiung von weiteren - verschärfenden - Voraussetzungen abhängig gemacht worden ist (dazu Senat, Urteil vom 14. Januar 1986 VII R 184/82, BFHE 146, 275, 277, BStBl II 1986, 494).

2. Die Revision des FA ist nicht begründet.

Wie das FG gleichfalls richtig entschieden hat, ist für das Halten des Anhängers in der Zeit vor dem 1. Januar 1977 Kraftfahrzeugsteuer nicht entstanden. Dies ergibt sich daraus, daß nach dem bis zum 30. April 1978 geltenden Berliner Landesrecht das Halten in Berlin zugelassener Anhänger schlechthin, ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Standort, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit war (BFHE 144, 176, 179 f., BStBl II 1985, 636, 638). An dieser Auslegung der Befreiungsvorschrift hält der Senat fest. Die vom FA dagegen vorgebrachten Bedenken vermögen ihn nicht davon zu überzeugen, daß die Vorschrift in einschränkendem Sinne zu verstehen sei.

Bis zum 1. Januar 1977 kam eine Steuererhebung bei Rechtsmißbrauch nur im Falle des Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts - nicht auch, wie nach § 42 AO 1977, bei einem Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des öffentlichen Rechts (des Verkehrsrechts), wie er im Streitfalle vorliegt - in Betracht (§ 6 Abs. 1 und 2 des Steueranpassungsgesetzes, das gemäß Art. 96 Nr. 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 - BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694, 733 - mit Inkrafttreten der AO 1977 außer Kraft getreten ist).