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BFH-Beschluß vom 6.8.1986 (II B 53/86) BStBl. 1986 II S. 858

Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt, ist die Prüfung auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Rechtsfragen beschränkt.

FGO § 115 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Kläger waren zusammen mit H Miteigentümer mehrerer Grundstücke. Diese Anwesen waren durch Pachtvertrag vom 19. Mai 1956 und Ergänzungsverträge vom 29. Oktober 1960 und 4. November 1974 an die R-GmbH verpachtet worden. Die Grundstückseigentümer waren zugleich Gesellschafter der GmbH. 1973 übertrug der Gesellschafter H seinen Miteigentumsanteil an den Grundstücken auf seine Tochter. Der Pachtvertrag war auf die Dauer von zunächst 10 Jahren geschlossen worden und verlängerte sich um weitere drei Jahre, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wurde. Für die Überlassung der im wesentlichen unbebauten Grundstücke zahlte die GmbH an die Grundstückseigentümer Pacht.

Mit Einverständnis der Grundstückseigentümer errichtete die Pächterin auf ihre Kosten mehrere von ihr genutzte Betriebsgebäude, für die keine Pacht bezahlt wurde. In der Zusatzvereinbarung vom 29. Oktober 1960 verpflichteten sich die Verpächter unwiderruflich, die auf den verpachteten Grundstücken der GmbH errichteten Gebäude nach Beendigung des Pachtvertrages zu übernehmen. Am 4. November 1974 vereinbarten die Beteiligten: "Die Dauer des Pachtvertrages ist an die Dauer des Gesellschaftsvertrages der R-GmbH gebunden."

Die für die Errichtung der Gebäude durch die Pächterin in Anspruch genommenen Kredite wurden auf den gepachteten Grundstücken dinglich abgesichert. Zugleich übernahmen die Grundstückseigentümer für alle zwischen der GmbH und der Kreditgeberin bestehenden Verbindlichkeiten selbstschuldnerische Bürgschaften.

Am 21. April 1977 wurde über das Vermögen der Pächterin der Konkurs eröffnet. Mit Einverständnis des Konkursverwalters veräußerten die Kläger durch notariell beurkundete Kaufverträge vom 6. Juli 1977 die Grundstücke, und zwar einen Teil zum Kaufpreis von 2.163.786 DM, von dem auf die Gebäude 1.787.256 DM entfielen, und den anderen Teil zu einem Kaufpreis von 836.214 DM, von dem auf die Gebäude 600.000 DM entfielen.

Die Erlöse aus diesen Veräußerungen wurden in voller Höhe zur Abdeckung der Kredite der konkursbefangenen GmbH an die Sparkasse bezahlt. Die Kläger machten die auf sie gemäß § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übergegangenen Forderungen der Kreditgeberin gegenüber der GmbH geltend.

Das Finanzamt (FA) setzte aus dem auf die Gebäude entfallenden Kaufpreis für jeden Beteiligten für 55.052 DM Grunderwerbsteuer fest, die es im Einspruchsverfahren auf 52.189 DM herabsetzte. Im übrigen blieben Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, eine Übertragung der Verwertungsbefugnis auf die Grundstückseigentümer läge nicht vor, ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Kläger hätten durch die mit Billigung der GmbH durchgeführte Veräußerung der Grundstücke die Verwertungsbefugnis an den Gebäuden erhalten.

Zunächst habe ungeachtet des Umstandes, daß die Gebäude keine Scheinbestandteile i. S. des § 95 BGB waren, die GmbH, die die Gebäude unentgeltlich nutzen konnte, die Verwertungsbefugnis an den Gebäuden gehabt. Diese Verwertungsbefugnis sei durch die im Einverständnis mit der GmbH bzw. dem Konkursverwalter erfolgte Veräußerung der Grundstücke auf die Kläger übergegangen, die aus der Verwertung der Gebäude in Höhe des anteiligen Kaufpreises auch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt haben.

Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Zur Begründung tragen sie vor, es sei zwar möglicherweise formal der Tatbestand des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erfüllt; nach Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG sei jedoch Voraussetzung, daß der Erwerb der Verwertungsbefugnis auch einen wirtschaftlichen Vorteil erbringe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt, denn bereits vor Verkauf der Grundstücke sei gewiß gewesen, daß die nach Ablösung der Verpflichtung als selbstschuldnerische Bürgschaft auf die Kläger übergegangenen Ansprüche gegenüber der GmbH völlig wertlos seien, da sie im Konkurs der GmbH als ungesicherte Forderungen ausfielen. Ein solcher Sachverhalt habe dem Bundesfinanzhof (BFH) bisher zur Entscheidung nicht vorgelegen; angesichts der zahlreichen Insolvenzen auch im Bereich der Betriebsaufspaltungen bestünde ein Interesse der Allgemeinheit an einer höchstrichterlichen abschließenden Klärung eines solchen Sachverhaltes.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist gegeben, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich dabei um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfrage handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Juli 1977 VI B 16-17/77, BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760). In der Beschwerdeschrift ist die grundsätzliche Bedeutung darzulegen. Voraussetzung ist daher, daß aufgrund der Darlegungen des Beschwerdeführers zu erwarten ist, daß die Entscheidung geeignet ist, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Die Prüfung ist daher auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Rechtsfragen beschränkt (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1967 VI B 16/67, BFHE 89, 117, BStBl III 1967, 531; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rdnr. 21 7; vgl. auch Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 19. November 1974 VB 90.72, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 132 VwGO Nr. 125, und vom 18, Dezember 1972 II B 24.72, Buchholz, a. a. O., 232, § 87 BBG Nr. 52; Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 18. Juni 1975 1 BA 31/75, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht - BlStSozArbR - 1975, 380; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 32). Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO kommt nicht in Betracht.

Die Zulassung der Revision kann daher nicht erfolgen, wenn andere, nicht in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfragen geeignet wären, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu begründen. Die Nichtzulassungsbeschwerde unterscheidet sich insoweit von der Revision, bei der der Revisionskläger das zugelassene Rechtsmittel auch auf andere Fragen des Streitstoffes erstrecken kann und das Revisionsgericht nicht auf die Prüfung der Rechtsfrage, deretwegen die Zulassung erfolgte, beschränkt ist.

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann erfüllt ist, wenn die Grundstücksverwertung keinen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die Grunderwerbsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer, die die Frage danach, ob der Erwerbsvorgang für den Erwerber wirtschaftlich vorteilhaft war, grundsätzlich nicht gestattet. Dies gilt sowohl für die in § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge wie auch für den Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG. Den Erwerb der Verwertungsbefugnis vorausgesetzt, ist grunderwerbsteuerlich daher unerheblich, ob die Kläger selbst bei der Verwertung der Gebäude mehr oder weniger erzielen konnten, als sie selbst für die Übernahme der Grundstücke nach Ende des Pachtvertrages an die Pächter zu entrichten hatten. Erst recht ist grunderwerbsteuerlich unerheblich, daß die Kläger aus anderen Rechtsverhältnissen mit der Pächterin, auch wenn sie mit der Errichtung des Gebäudes zusammenhängen, wirtschaftliche Nachteile erlitten haben.

Ob eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung hätte erfolgen können im Hinblick auf die Frage, ob eine Pächterin, die die von ihr erstellten Gebäude lediglich unentgeltlich nutzen konnte und bei Beendigung des Pachtvertrages einen Ausgleichsanspruch für den Rechtsverlust hatte, überhaupt die Verwertungsbefugnis an den Gebäuden innehatte (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., Vorb. Tz. 533), die sie i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG hätte auf die Grundstückseigentümer übertragen können, durfte der Senat nicht prüfen, da diese Frage in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angesprochen worden ist.