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BFH-Beschluß vom 26.8.1986 (VII B 107/86) BStBl. 1986 II S. 865

1. Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen für (bedingt) schadstoffarme PKW setzen entsprechende Feststellungen der Zulassungsbehörden voraus (Grundlagenbescheid).

2. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, daß Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotoren als bedingt schadstoffarm zunächst nur anerkannt werden konnten, wenn sie vom 1. Januar 1985 an erstmals in den Verkehr gekommen waren.

KraftStG 1979 (i.d.F. des Gesetzes vom 22. Mai 1985) § 2 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; AO 1977 § 171 Abs. 10; StVZO § 23 Abs. 8, § 47 Abs. 2b, § 72 Abs. 2 zu § 47 Abs. 2b, Anl. XXIV.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), Halter eines erstmals 1983 zugelassenen PKW Daimler-Benz Diesel, Hubraum 2.350 cm3, wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) vom 22. Januar 1986, durch den die Kraftfahrzeugsteuer für das Halten des Fahrzeugs unter Berücksichtigung eines Steuersatzes von 14,40 DM/100 cm3 für 1985 und eines Steuersatzes von 18,80 DM/100 cm3 jährlich für die Zeit ab 1. Januar 1986 neu festgesetzt wurde. Die Klage, mit der der Kläger sinngemäß begehrte, die Kraftfahrzeugsteuer unter Anwendung des (begünstigten) Steuersatzes von 13,20 DM/100 cm3 jährlich festzusetzen, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die angefochtene Steuerfestsetzung sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Anwendung der dem Änderungsbescheid zugrunde gelegten Normalsteuersätze (14,40 bzw. 18,80 DM/100 cm3) lägen vor, weil das Fahrzeug nicht durch die Zulassungsbehörde als bedingt schadstoffarm anerkannt worden sei. Die Feststellungen der Zulassungsbehörden seien in der Weise bindend, daß der für die Gewährung der Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen erforderliche Nachweis der Schadstoffarmut nur durch Vorlage eines entsprechenden Anerkennungsbescheides (Grundlagenbescheid) der Zulassungsbehörde erbracht werden könne. Weder würde durch dieses Erfordernis der Wille des Gesetzgebers unterlaufen noch gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen.

Mit der wegen Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, denn es sei festzustellen, ob Bundesregierung und Bundesrat eine ihnen gesetzlich obliegende Verpflichtung zum Erlaß einer Rechtsverordnung eigenmächtig unterlassen könnten. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) 1979 sehe eine Steuerbegünstigung für bedingt schadstoffarme Fahrzeuge vor. Die Verwaltung habe es unterlassen, Kriterien für die Schadstoffarmut bei vor dem 1. Januar 1985 erstmals zugelassenen Diesel-PKW festzulegen. Damit sei das gesetzliche Recht des Steuerbürgers verletzt worden, bei Erfüllung der (unbekannten) Kriterien die im Gesetz vorgesehene Steuerbegünstigung in Anspruch zu nehmen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der vom Kläger dargelegte Zulassungsgrund - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Handhabung und Fortentwicklung des Rechts berührt (ständige Rechtsprechung; vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, 135, BStBl II 1985, 605). Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache, wenn die zur Prüfung vorzulegenden Rechtsfragen für die Entscheidung des Revisionsgerichts unerheblich sind (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1967 VI B 16/67, BFHE 89, 117, 119, BStBl III 1967, 531) oder wenn sie offensichtlich so zu beantworten sind, wie durch die Vorinstanz entschieden (BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 1973 VI B 95/72, BFHE 109, 303, BStBl II 1973, 665, und vom 24. Februar 1978 VI B 135/77, BFHE 124, 527; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 56).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Frage, inwieweit eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen eine Verpflichtung des ermächtigten Organs zur Rechtsetzung enthält und ob die Normsetzung durch Verordnung "eigenmächtig" unterbleiben darf, von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung wäre. Jedenfalls wäre diese Frage im Streitfalle unerheblich, weil nicht über sie, sondern über die Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG 1979 i. d. F. des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung des schadstoffarmen Personenkraftwagens vom 22. Mai 1985 (BGBl I 1985, 784, BStBl I 1985, 211) zu entscheiden wäre, eine Vorschrift, die keine Rechtsetzungsermächtigung enthält. Soweit der Kläger geltend macht, "die Verwaltung" habe es unter Verletzung seiner Rechte unterlassen, die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung für sog. Alt-Diesel-PKW festzulegen und ihm damit die Möglichkeit beschnitten, den begünstigten Steuersatz in Anspruch zu nehmen, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil offensichtlich ist, daß - wie vom FG entschieden - die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach dem Wortlaut und dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Zweck des Gesetzes von einer (hier nicht gegebenen) Feststellung der Zulassungsbehörde über die bedingte Schadstoffarmut abhängig ist.

Wie sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG 1979 i. d. F. des Gesetzes vom 22. Mai 1985 ergibt, sind für die Beurteilung eines PKW als (bedingt) schadstoffarm die Feststellungen der Zulassungsbehörden maßgebend. Die von ihnen vorgenommene Einstufung ist Voraussetzung der steuerlichen Förderung (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Änderungsgesetzes, BT-Drucks. 10/2523 S. 8; Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 10/3205 S. 9; Zeller, Deutsche Steuer-Zeitung 1985, 523, 530). Ihnen obliegt die Einstufung und die entsprechende Eintragung in den Fahrzeugpapieren (§ 47 Abs. 2 a, 2 b und 2 c, § 23 Abs. 7 und 8 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - i. d. F. der Zehnten Änderungsverordnung vom 24. Juni 1985, BGBl I 1985, 1246, der Elften Änderungsverordnung vom 24. Juli 1985, BGBl I 1985, 1605, und der Zwölften Änderungsverordnung vom 24. Juli 1985, BGBl I 1985, 1617), weil die Finanzbehörden selbst nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob ein Fahrzeug den jeweils maßgebenden technischen Anforderungen - StVZO, Anlagen XXIII oder XXV (Definition schadstoffarmer Personenkraftwagen - US- oder Europa-Norm -) oder XXIV (Definition bedingt schadstoffarmer Personenkraftwagen) - entspricht. Ohne eine solche durch die Zulassungsbehörde getroffene Feststellung liegt der für die Gewährung der Steuerbegünstigung erforderliche Grundlagenbescheid (vgl. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung 1977) nicht vor, ist der Tatbestand der Begünstigungsvorschrift - hier: § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG 1979 - nicht erfüllt. Dies gilt ohne Unterschied der Gründe, die eine Feststellung verhindert haben, sowohl dann, wenn die Zulassungsbehörde eine Feststellung unterläßt, die zu treffen sie rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre - es wäre dann Sache des Betroffenen, sein Rechtsschutzziel vor den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verfolgen -, als auch dann, wenn es der Zulassungsbehörde aus Rechtsgründen nicht möglich ist, Feststellungen vorzunehmen. Letzteres traf im Streitfalle zu, denn die für die Inanspruchnahme des begünstigten Steuersatzes erforderliche Anerkennung der bedingten Schadstoffarmut war für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotoren normativ u. a. an die Voraussetzung gebunden, daß die Fahrzeuge vom 1. Januar 1985 an erstmals in den Verkehr gekommen sind (§ 72 Abs. 2 zu § 47 Abs. 2 b und Anlage XXIV StVZO i. d. F. der Elften Änderungsverordnung). Es bedarf keiner Entscheidung, welche Folgerungen ggf. zu ziehen wären, wenn der Verordnungsgeber zur Steuerbegünstigung für Alt-Diesel-PKW führende Feststellungen aus Willkür ausgeschlossen und damit die Tatbestandsverwirklichung vereitelt hätte, denn ein solcher Fall war nicht gegeben. Vielmehr lagen dem - vorläufigen - Ausschluß sachliche Erwägungen zugrunde: es sollte vor einer Anerkennung von Altfahrzeugen zunächst die Einführung europäischer Grenzwerte für Partikelemissionen der Diesel-PKW abgewartet werden (vgl. Zeller, a. a. O., S. 529, 531; Erläuterungen des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Verkehr in Finanznachrichten - Sonderdruck - vom 5. Juli 1985, Abschn. II Nr. 5). Der Umstand, daß der begünstigte Steuersatz nunmehr, nachdem sich die Verabschiedung der EG-Richtlinie über Rußpartikel-Grenzwerte verzögert hat, auch für solche den Anforderungen der Anlage XXIV StVZO entsprechenden Diesel-PKW gewährt wird, die vor dem 1. Januar 1985 erstmals zugelassen worden sind, mit frühester Anerkennung ab 1. Januar 1986 (vgl. § 72 Abs. 2 zu § 47 Abs. 2 b und Anlage XXIV StVZO i. d. F. der 14. Änderungsverordnung vom 16. Juli 1986, BGBl I 1986, 1021), ist nicht geeignet, die frühere Feststellungssperre als willkürlich erscheinen zu lassen. Auch wenn der PKW des Klägers nachträglich und rückwirkend - frühestens auf den 1. Januar 1986 - als bedingt schadstoffarm anerkannt werden könnte, wäre die Neufestsetzung der Steuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979 i. d. F. des Gesetzes vom 22. Mai 1985 erst aufgrund der Anerkennung durch die Zulassungsbehörde und entsprechender Mitteilung an das FA möglich (vgl. auch § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. g der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung i. d. F. der Verordnung vom 10. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2185, BStBl I 1985, 728).