| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 18.9.1986 (IV R 50/86) BStBl. 1986 II S. 907

In einer Röntgenarztpraxis gewonnene und zur Veräußerung bestimmte Silberabfälle bleiben Betriebsvermögen, auch wenn sie zu Barren umgegossen werden.

EStG § 4 Abs. 1 und 3.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt ein Röntgeninstitut. Sie unterhält eine sog. Entsilberungsanlage, mit der das bei der Entwicklung der Röntgenfilme anfallende, zuvor in den Filmen enthaltene Silber isoliert wird. Sie läßt dieses Silber dann in Barren umschmelzen. Nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung entstanden so in den Jahren 1981 und 1982 jeweils 4.500 g Silber. Die Silberbarren sollen von der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm nach einer Betriebsprüfung an, daß das Silber mit seiner Entstehung Privatvermögen geworden sei. Er setzte deshalb bei der Klägerin, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, einen Entnahmegewinn von 3.150 DM im Jahre 1981 und 2.520 DM im Jahre 1982 an; außerdem unterwarf er diese Entnahmen als Eigenverbrauch der Umsatzsteuer.

Die Klage blieb erfolglos.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Die Klägerin, die ihr Ergebnis gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, hat als Gewinn den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Betriebseinnahmen hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Gewinnung des Abfallsilbers in den Streitjahren nicht erzielt. Sie müßte jedoch eine fiktive Betriebseinnahme ansetzen, wenn das Silber aus ihrem Betriebsvermögen entnommen worden wäre; in dieser Weise werden in der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG Wertabgaben in das Privatvermögen berücksichtigt. Die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ergeben aber, daß es zu einer derartigen Entnahme nicht gekommen ist.

a) Das fragliche Abfallsilber ist bei einer betrieblichen Tätigkeit, nämlich der Entwicklung von Röntgenfilmen, angefallen und aus der Entwicklungsflüssigkeit gewonnen worden. Es hatte damit wie die Röntgenfilme, in denen es zuvor als Bestandteil enthalten war, die Eigenschaft von Betriebsvermögen. Es hat diese Eigenschaft auch nicht verloren.

Das gewonnene, unreine Abfallsilber entsprach nicht marktgängigem Feinsilber und konnte daher in der Regel nur an eine Scheideanstalt verkauft werden. Eine derartige Veräußerung würde als Hilfsgeschäft noch zur betrieblichen Tätigkeit der Klägerin gehören. Das gewonnene Abfallsilber ist mit den Abfällen von Zahngold und Amalgam vergleichbar, die bei einem Zahnarzt aus seiner beruflichen Tätigkeit anfallen; der Senat hat auch derartige Abfälle als Betriebsvermögen angesehen (Urteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607). Da die Edelmetallabfälle nicht schon mit ihrer Entstehung zu Privatvermögen wurden, hätte es einer besonderen Entnahmehandlung bedurft, um sie diesem Bereich zuzuführen. Derartiges ist aber weder vom FG festgestellt noch vom FA vorgetragen worden.

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat die Klägerin das gewonnene Abfallsilber allerdings zu Barren umschmelzen lassen. Diese Feststellungen lassen sich nicht dahin verstehen, daß die Klägerin das zum Betriebsvermögen gehörende Abfallsilber bei einer Scheideanstalt gegen marktgängiges Feinsilber eingetauscht habe. Ein derartiger Tausch würde im Streitfall zu einer Gewinnrealisierung führen, da der Erhalt des Edelmetalls eine Betriebseinnahme darstellen würde, der keine Betriebsausgabe gegenübergestellt werden kann, weil das Edelmetall im Betrieb der Klägerin nicht benötigt wird; der Senat hat hierzu in der angeführten Entscheidung nähere Ausführungen gemacht.

Die Feststellungen des FG lassen vielmehr erkennen, daß das Abfallsilber lediglich der besseren Aufbewahrung wegen in Barren umgegossen wurde, dadurch aber nicht den Charakter von marktgängigen, mit einem Prägestempel versehenen Silberbarren gewann, der den Silbergehalt gewährleistet; auch diese Barren hätten nur mittels Veräußerung an eine Scheideanstalt verwertet werden können. An der Betriebszugehörigkeit des Silbers würde sich dadurch nichts ändern. Selbst wenn sich aber die durch Einschmelzen gewonnenen Silberbarren für eine private Vermögensanlage geeignet hätten, würde dadurch doch der bisher bestehende betriebliche Zusammenhang noch nicht aufgehoben. Die Rechtsprechung hat in der veränderten Nutzung von Gegenständen des Anlagevermögens, nach der diese nicht mehr zum notwendigen Betriebsvermögen, aber auch nicht zum notwendigen Privatvermögen gehörten, keine zwangsläufige Entnahme gesehen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448, mit weiteren Nachweisen). Hiervon ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG auch bei Betrieben mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auszugehen. Dementsprechend kann auch in der Umbildung eines Wirtschaftsguts, das wie der Silberabfall zum Vorratsvermögen gehört, noch nicht deswegen eine Entnahme gesehen werden, weil es nunmehr auch für eine private Verwendung geeignet ist; es müßte dieser Verwendung tatsächlich zugeführt werden.

Das FA wird die neu festgestellten Gewinne 1981 und 1982 auf die Gesellschafter verteilen.

2. Mangels einer Entnahme kommt auch ein zur Umsatzsteuer führender Eigenverbrauch i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht in Betracht. Ob ein Eigenverbrauch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28 a UStG genießen würde, kann unerörtert bleiben.