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BFH-Beschluß vom 28.8.1986 (V R 18/86) BStBl. 1986 II S. 908

Die Rüge, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil ein Richter während der mündlichen Verhandlung eingeschlafen sei, ist nur ordnungsgemäß erhoben worden, wenn angegeben wird, welche Vorgänge der Verhandlung dieser Richter nicht hat wahrnehmen können.

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung für 1981 war die Berechtigung der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Abzug von rund 31.000 DM Vorsteuern umstritten, die ihnen für Bauleistungen zur Errichtung ihres Einfamilienhauses in Rechnung gestellt worden waren. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1981 vom 12. April 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 1984 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. September 1985 ab. Das Urteil des FG enthielt keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision.

Die Kläger halten ihre Revision ohne Zulassung nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO für eröffnet, weil das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Der ehrenamtliche Richter X sei während der mündlichen Verhandlung eingeschlafen. Er habe so laut geschnarcht, daß alle anderen Teilnehmer der mündlichen Verhandlung geschwiegen hätten. Ein anderer Richter habe ihn aufgeweckt. X sei abermals eingeschlafen und geweckt worden. Dies habe sich dreimal wiederholt und auf einen Zeitraum von mindestens einer halben Stunde erstreckt. Deshalb habe dieser ehrenamtliche Richter der Verhandlung nicht folgen können.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unzulässig.

Die Zulässigkeit der Revision folgt nicht aus § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Danach bedarf es einer Zulassung der Revision nicht, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts gerügt worden ist. Die Kläger wollen die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts rügen, wenn sie geltend machen, der ehrenamtliche Richter X sei in der mündlichen Verhandlung während einer ins Gewicht fallenden Zeit eingeschlafen.

a) Vorschriftsmäßig ist das erkennende Gericht besetzt, wenn jeder an der Verhandlung und Entscheidung beteiligte Richter die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Fähigkeit besitzt, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrzunehmen und in sich aufzunehmen. Die beteiligten Richter müssen körperlich und geistig in der Lage sein, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 24. Januar 1986 6 C 141.82, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1986, 437, m. w. N.). Nur wenn jeder Richter die wesentlichen Vorgänge in sich aufgenommen hat, ist er in der Lage, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung zu gewinnen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), selbständig zu urteilen und so an einer sachgerechten Entscheidung mitzuwirken. Ein Richter, der in der mündlichen Verhandlung für eine nicht nur unerhebliche Zeit einschläft, ist abwesend, wenn er dadurch wesentlichen Vorgängen nicht mehr folgen kann. Das erkennende Gericht ist dann i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht mehr vorschriftsmäßig besetzt.

b) Diese Mängel werden im Revisionsverfahren nur berücksichtigt, wenn sie wirksam gerügt worden sind. Die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen müssen ausreichend und geeignet sein, den behaupteten Verfahrensmangel darzutun. Allgemeine und lückenhafte Behauptungen genügen nicht.

Für eine in sich schlüssige Rüge, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, muß auch dargelegt werden, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist. Es reicht nicht aus, daß lediglich geltend gemacht wird, ein Richter sei eingeschlafen. Zusätzlich ist anzugeben, ob und worüber verhandelt worden ist, während der Richter geschlafen hat.

Die Ausführungen in der Revision genügen diesen Anforderungen nicht. Soweit die Kläger ausführen, alle Beteiligten hätten geschwiegen, bis X nach dem ersten Einschlafen geweckt worden sei, können diesem Richter keine wesentlichen Vorgänge der mündlichen Verhandlung entgangen sein. Im übrigen fehlen Angaben darüber, welche wesentlichen Vorgänge des Verfahrens X hat nicht wahrnehmen können, als er erneut eingeschlafen sei.