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BFH-Urteil vom 29.8.1986 (III R 71/82) BStBl. 1986 II S. 920

Die in § 1 InvZulG 1969 vorgesehene Bescheinigung des BMWi (des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft) unterliegt weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörden.

InvZulG 1969 § 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 1961 ein Hotel mit 50 Betten. In den Streitjahren 1974 und 1975 errichtete er an dem Hotel einen Anbau, der zwei Appartements mit je vier Betten sowie - insoweit besteht zulagerechtlich im Revisionsverfahren kein Streit mehr - eine Wohnung enthält, die übers Jahr gesehen von der Familie des Klägers nicht unerheblich privat genutzt wird. Auf die Streitjahre entfallen Teilherstellungskosten von 68.780 DM und 52.698,50 DM.

Für die Investition begehrte der Kläger die Regionalzulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes 1969 (InvZulG). Dem Antrag war eine Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft vom 14. Mai 1973 beigefügt, in der eine Betriebsstättenerweiterung mit einer Gesamtinvestition von 387.753 DM als förderungswürdig anerkannt wurde. In dem der Bescheinigung zugrunde liegenden Antrag vom 4. August 1972 hatte der Kläger angegeben, daß er durch die Erweiterung seines Hotels zusätzlich neun Appartements mit 36 Betten sowie zwei neue Arbeitsplätze schaffen wolle.

Mit Bescheiden vom 10. August 1978 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Gewährung der Zulagen ab. Als Begründung wurde angegeben, daß das verwirklichte Objekt mit dem in der Bescheinigung beschriebenen Investitionsvorhaben nicht identisch sei. Auf Anregung des FA nahm das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft mit Bescheid vom 31. Oktober 1978 seine Bescheinigung zurück. In dem Rücknahmebescheid ist ausgeführt, daß der Kläger weder die Bettenzahl um mindestens 20 v. H. erhöht noch neue Arbeitsplätze geschaffen habe, so daß die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 2 InvZulG 1969 i. d. F. des Gesetzes vom 12. Oktober 1973 nicht erfüllt seien.

Daraufhin wies das FA auch die gegen die Ablehnungsverfügungen eingelegten Einsprüche zurück.

Auf die Klage des Klägers gegen den Rücknahmebescheid des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft hob das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt/Main durch Urteil vom 6. November 1980 den Bescheid auf und stellte damit im Ergebnis die Bescheinigung wieder her. Es führte aus: Im InvZulG 1969 sei die Rückforderung der Bescheinigung noch nicht geregelt gewesen wie dies später in § 2 Abs. 4 InvZulG in den Fassungen ab 1973 geschehen sei. Insoweit sei das InvZulG 1969 lückenhaft. Die Lücke sei im Sinne der späteren gesetzlichen Regelung zu schließen. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft habe jedoch § 2 Abs. 4 InvZulG nicht richtig angewandt. Die Tatsache, daß de Kläger nicht mindestens 20 v. H. mehr Betten und keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen habe, besage lediglich, daß ursprünglich die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hätten. § 2 Abs. 4 InvZulG verlange als Kannbestimmung aber zusätzlich eine Ermessensausübung Dazu sei es notwendig, daß in dem Rücknahmebescheid oder dem Widerspruchsbescheid das Für und Wider der Rücknahme der Bescheinigung dargelegt werde. Daran fehle es. Im Urteil heißt es weiter, daß es die Kammer für denkbar hält, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in einer neuen Rücknahmeverfügung bei richtiger Ermessensausübung zu einer für den Kläger negativen Entscheidung kommt. Die Kammer sehe Anhaltspunkte dafür, daß das tatsächlich durchgeführte Investitionsvorhaben nach Art und Umfang nicht der erteilten Bescheinigung entspricht.

Gegen die Einspruchsentscheidung des FA vom 21. März 1979 hat der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat das FG beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft angefragt, ob im Anschluß an das Urteil des VG Frankfurt Main beabsichtigt sei, einen neuen Rücknahmebescheid zu erlassen. Mit Schreiben vom 7. Januar 1982 hat das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft mitgeteilt, daß von einer erneuten Rücknahme der erteilten Bescheinigung abgesehen werde.

Mit Urteil vom 17. Februar 1982 hat das FG der Klage - in dem im Revisionsverfahren noch streitigen Punkt - stattgegeben und das FA verpflichtet, die Investitionszulagen für 1974 auf 6.878 DM und für 1975 auf 5.269,85 DM festzusetzen. Das FG hat ausgeführt. In der Bescheinigung sei die "Erweiterung der Betriebsstätte" des Klägers als förderungswürdig anerkannt. Ihrem objektiven Erklärungswert nach umfasse die Bescheinigung auch das realisierte Investitionsvorhaben. Dieses sei nur in geringerem Umfang durchgeführt worden. Außerdem sei das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft von dem Sachverhalt unterrichtet Wenn es trotzdem seine Bescheinigung nicht erneut widerrufe, so könne dies nur dahin verstanden werden, daß die Bescheinigung weiterhin Bestand haben solle. Die Bescheinigung sei für das FA und FG bindend.

Das FA rügt mit der Revision einen Verfahrensverstoß sowie eine Verletzung materiellen Rechts. Eine Verletzung des Verfahrens sieht das FA darin, daß das FG in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 1982 bereits abschließend durch Urteil über die Klage entschieden habe, obwohl das Gericht dem Kläger in dieser Verhandlung aufgegeben habe, eine neue Bescheinigung beizubringen. Eine Verletzung von § 1 InvZulG liegt nach Auffassung des FA darin, daß das FG eine Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft als ausreichend angesehen habe, die ein Investitionsobjekt zum Gegenstand habe, das tatsächlich nicht durchgeführt worden sei.

Das FA beantragt, das FG-Urteil im Streitpunkt aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Ausführungen des FA in der Revision lassen erkennen, daß das FA die Aufteilung der Kompetenzen auf zwei Behörden in § 1 InvZulG 1969 (und den folgenden Fassungen) nicht genügend beachtet. Zwar setzen die FÄ die Investitionszulage letztlich fest. Der Investor hat aber durch eine Bescheinigung nachzuweisen, daß sein Vorhaben volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist. Für diese Bescheinigung ist nach § 1 Abs. 4 InvZulG 1969 (für die folgenden Fassungen gilt § 2) der Bundesminister für Wirtschaft (BMWi) zuständig, die er im Benehmen mit der von der jeweiligen Landesregierung bestimmten Stelle erteilt. Er kann seine Befugnisse auf das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft übertragen, was hier geschehen ist. Mit der Aufteilung der Kompetenzen wird dem Gesichtspunkt der Sachkunde Rechnung getragen. So prüfen die Wirtschaftsbehörden vorrangig, ob das Investitionsvorhaben volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist, während den Finanzverwaltungsbehörden die Prüfung der steuerrechtlichen Fragen obliegt. Das Verhältnis der beiden Behörden zueinander ist dabei nicht ein internes Beteiligungsverhältnis etwa derart, daß die Wirtschaftsbehörde dem FA gegenüber eine Stellungnahme über die Förderungswürdigkeit des Investitionsvorhabens abzugeben hätte. Der von ihr zu erteilenden Bescheinigung kommt vielmehr die Qualität eines Verwaltungsakts zu. Adressat der Bescheinigung ist auch nicht das FA, sondern der Antragsteller (Investor). Dementsprechend bestimmt § 5 Abs. 7 InvZulG 1973, daß gegen die Versagung der Bescheinigung der Verwaltungsrechtsweg und gegen die Ablehnung des Investitionszulageantrags der Finanzrechtsweg gegeben ist. Zur Kompetenzzuweisung innerhalb eines einheitlichen Verfahrens an mehrere Behörden sei auf die Ausführungen bei Wolff/Bachof (Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, § 46 V c Nr. 2ß - S. 383 -) sowie Forsthoff (Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl., 1973, § 23 Buchst. c, S. 450 ff.) verwiesen.

2. Das Bescheinigungsverfahren geht dem Investitionszulagefestsetzungsverfahren nicht nur zeitlich voraus, aus der Kompetenzzuweisung an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft einerseits und die Finanzverwaltungsbehörden andererseits in § 1 InvZulG ergibt sich darüber hinaus, daß die Bescheinigung auch materielle Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage ist. Damit unterliegt die Bescheinigung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörden. Stellt das FA fest, daß der Investor das Vorhaben nicht entsprechend der erteilten Bescheinigung realisiert hat, ist es darauf beschränkt, dies der Wirtschaftsbehörde mitzuteilen. Solange die Wirtschaftsbehörde die Bescheinigung nicht zurückgenommen hat, ist sie für das FA bindend (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesministers der Finanzen - BMF - in Tz. 96 und 97 seines Schreibens vom 5. Mai 1977 - BStBl I 1977, 246 -, die eine zutreffende Auslegung des Gesetzes darstellen). Von der Bindung der FÄ an Bescheinigungen der Wirtschaftsbehörden geht auch der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung aus (vgl. die Urteile vom 19. März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, und vom 11. Mai 1983 III R 52/80, BFHE 138, 503, BStBl II 1983, 581).

3. Diese Rechtsgrundsätze ergeben für den vorliegenden Fall folgendes: Nachdem das VG Frankfurt/Main durch rechtskräftiges Urteil den Rücknahmebescheid aufgehoben hat, hat die Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft endgültige Wirksamkeit erlangt. Eine Rückfrage des FG beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat ergeben, daß an eine erneute Rücknahme der Bescheinigung nicht gedacht ist. Damit ist die Bescheinigung für das FA bindend und der Festsetzung der Investitionszulage zugrunde zu legen. Die materielle Rüge des FA ist somit unbegründet. Daß der Kläger damit für eine Investition Zulagen erhält, die ihm jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut nicht zustehen, ist eine Entscheidung, die das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft zu verantworten hat. Vom FA ist diese Entscheidung hinzunehmen. Unbegründet ist auch die vom FA erhobene Verfahrensrüge. Da die Bescheinigung vom 14. Mai 1973 wirksam ist und das durchgeführte Investitionsvorhaben von ihr abgedeckt ist, bedurfte es keiner neuen Bescheinigung mehr.