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BFH-Beschluß vom 16.9.1986 (VI B 93/86) BStBl. 1987 II S. 37

Es ist ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO, ob die Kosten eines Mittagessens, die der Arbeitgeber im Rahmen einer von ihm organisierten Feier des Dienstjubiläums eines Arbeitnehmers trägt, dem Jubilar als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zuzurechnen sind. Im Streitfall hatte der Arbeitgeber zu solchen Feiern, an denen ca. 10 Personen teilnahmen, von denen der Jubilar vier auswählen durfte, außerhalb des Betriebes eingeladen, weil er aufgrund einer Betriebsvereinbarung mit dem Konzernbetriebsrat die Durchführung von Feiern aller Art im Betrieb grundsätzlich untersagt hatte.

FGO § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3; EStG 1980 bis 1983 § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Im Unternehmen der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) wurden deren Arbeitnehmer in den Streitjahren 1980 bis 1984 anläßlich der 25-, 40- und 50jährigen Dienstjubiläen geehrt. Die Antragstellerin zahlte den Arbeitnehmern Jubiläumszuwendungen, deren Versteuerung nicht streitig ist.

Weil nach einer Betriebsvereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem Konzernbetriebsrat vom 17. November 1977 die Durchführung von Feiern aus persönlichem, betrieblichem oder geschäftlichem Anlaß grundsätzlich im Betrieb nicht gestattet und der Ausschank von Alkohol untersagt ist, wurde die jeweilige, mit der Geldübergabe verbundene Ehrung der Arbeitnehmer - nach Absprache mit dem Jubilar - am Jubiläumstag durch einen Beauftragten der Geschäftsleitung außerhalb des Betriebs der Antragstellerin in der Weise vorgenommen, daß die Antragstellerin - im Einvernehmen mit dem jeweiligen Jubilar - in Restaurants für jeweils acht bis zehn, im Einzelfall bis zu 20 Personen, ein Jubiläumsessen ausrichtete. Zu dem Kreis der Teilnehmer gehörten neben dem Jubilar ggf. dessen Ehepartner, ein Betriebsratsmitglied, in der Regel vier Arbeitskollegen sowie weitere unmittelbare Vorgesetzte des Jubilars. Die Einladungen wurden unmittelbar durch die Antragstellerin ausgesprochen; die Einladung der teilnehmenden Arbeitskollegen erfolgte auf Vorschlag des Jubilars. Die Feiern begannen in der Regel gegen 13 Uhr des Jubiläumstages und endeten nach ca. zwei Stunden. Die teilnehmenden Arbeitnehmer erhielten hierfür max. vier Stunden - ab 12 Uhr - bezahlte Dienstbefreiung; es wurde von der Antragstellerin nicht erwartet, daß die Arbeitnehmer anschließend ihre Arbeiten wieder aufnahmen.

Die Antragstellerin übernahm die für die Feiern entstandenen Kosten ganz oder teilweise, und zwar für den hier maßgeblichen Zeitraum 1980 bis 1984 im folgenden Umfang:

 

1980

1981

1982

1983

1984

         

Anzahl

         

der

         

Jubilare

11

10

11

20

17

         
 

DM

DM

DM

DM

DM

Gesamt-

         

aufwand

8.678,20

9.177,85

11.028,96

19.469,-

20.009,13

Das Finanzamt (FA) führte zu Beginn des Jahres 1985 eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Antragstellerin durch. Der Prüfer war der Ansicht, daß in den vorgenannten Beträgen die Zuwendung steuerpflichtigen Arbeitslohns zu erblicken sei. Er berechnete die nachzuentrichtende Lohn- und Lohnkirchensteuer individuell auf Nettobasis, weil die Antragstellerin ihm erklärt hatte, daß sie die auf die Aufwendungen entfallenden Steuerbeträge im Falle ihrer Inanspruchnahme als Haftende übernehmen und die betreffenden Arbeitnehmer von jeglicher Steuernachforderung freistellen wolle. Das FA schloß sich der Ansicht des Prüfers an und erließ gegen die Antragstellerin nach § 42 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) am 13. Mai 1985 einen Haftungsbescheid über nachzufordernde Lohnsteuer, evangelische Kirchensteuer und römisch-katholische Kirchensteuer, von dem die hier strittige Frage einen Gesamtbetrag von 36.597,80 DM betrifft. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) Hamburg unter Az. II 246/85 anhängig; über sie hat das FG noch nicht entschieden.

Im Streitfall geht es um die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids.

Die Antragstellerin hatte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids bezüglich des strittigen Gesamtbetrages beim FA gestellt. Dieser Antrag wurde vom FA abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Antragstellerin begehrte daraufhin die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids in Höhe des streitigen Betrages beim FG.

Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es führte u. a. aus:

Es beständen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids. Die Arbeitnehmer der Antragstellerin hätten mit der Jubiläumszuwendung einen zusätzlichen geldwerten Vorteil erhalten, indem sie sonst anfallende Ausgaben für die Durchführung der Jubiläumsfeiern erspart hätten. Sie seien hierdurch insoweit objektiv bereichert worden. Der Vorteil sei ihnen nicht aufgedrängt worden, sondern es habe in ihrem Belieben gestanden, ob sie von dem Angebot der Antragstellerin auf Abhaltung einer Jubiläumsveranstaltung Gebrauch machen wollten oder nicht. Es sei dem Jubilar unbenommen gewesen, auf eine solche Feier zu verzichten, was nach den Feststellungen des Lohnsteueraußenprüfers in Einzelfällen auch tatsächlich geschehen sei.

Durch den Ersatz von Verzehraufwendungen bei dieser Feier durch die Antragstellerin werde der jeweilige Jubilar in die Lage versetzt, seiner gesellschaftlichen (und mithin privaten) Verpflichtung, unter Betriebsangehörigen eine Kleine Feier oder einen Umtrunk anläßlich des Arbeitsjubiläums vorzunehmen, in gewissem Umfange nachzukommen. Die Bereicherung erstrecke sich auch auf die Kosten, die durch Teilnahme der - die eigentliche Ehrung vollziehenden - Vorgesetzten des Jubilars entstanden seien. Denn deren Teilnahme an einer Feier des Jubilars sei ebenso üblich wie die der unmittelbaren Arbeitskollegen und Untergebenen.

Die vorgenannten Vorteile seien dem Arbeitnehmer auch "für" eine Beschäftigung im privaten Dienst bei der Antragstellerin gewährt worden. Die Zuwendungen an die Arbeitnehmer seien durch deren individuelles Dienstverhältnis veranlaßt worden und in erster Linie für ein entsprechendes Verhalten der Arbeitnehmer, nicht aber im eigenbetrieblichen Interesse der Antragstellerin gewährt worden. Es sei nicht anzunehmen, daß die Antragstellerin aus demselben Anlaß für einen Fremden die Verzehraufwendungen getragen hätte.

Das von der Antragstellerin in den Vordergrund gestellte eigenbetriebliche Interesse an den Zuwendungen überwiege nicht. Denn einerseits verkörperten die mit der Ehrung als solche unmittelbar verbundenen Zuwendungen eine individuelle Gegenleistung und damit steuerbaren Arbeitslohn. Zum anderen obliege die jeweilige Feierlichkeit - wie dargestellt - an sich dem Arbeitnehmer.

Die Ehrungen seien auch nicht in eine Betriebsveranstaltung eingebunden gewesen, die vornehmlich aus anderen (eigenbetrieblichen) Motiven der Kontaktpflege der Teilnehmer untereinander, der Förderung des Betriebsklimas u. a. stattfinde und damit den Anlaß der Ehrung womöglich überlagere. Die Ehrungen fänden nicht einmal im Rahmen einer Betriebsfeier unter Einbeziehung einer Vielzahl von Jubilaren statt, die möglicherweise als Betriebsveranstaltung zu werten wäre.

Die Besteuerung der streitigen Zuwendungen entfalle auch nicht nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sogenannten Annehmlichkeiten. Denn eine Annehmlichkeit im Sinne der Rechtsprechung sei im Streitfall nicht gegeben.

Die Inanspruchnahme der Antragstellerin könne auch nicht deshalb unterbleiben, weil die aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Jubilaren Werbungskosten darstellen könnten. Denn beim Jubilar würde es sich nicht um Werbungskosten, sondern um nicht abziehbare Kosten der Lebensführung handeln, die die Antragstellerin ihm abgenommen habe.

Die Inanspruchnahme könne nach summarischer Prüfung auch der Höhe nach nicht beanstandet werden. Die von der Antragstellerin hilfsweise erstrebte Anwendung der amtlichen Sachbezugswerte komme nicht in Betracht. Denn im Streitfall würden im eigentlichen Sinne keine "Mahlzeiten" zugewendet, sondern "Jubiläumsfeiern" als solche. Letztere stellten die "Sachzuwendung" dar; die dabei gewährten Mahlzeiten seien lediglich deren Bestandteil. Für "Jubiläumsfeiern" seien in der Sachbezugsverordnung keine Werte vorgesehen. Folglich seien hierfür die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts anzusetzen, die im Streitfall mit den tatsächlichen Kosten übereinstimmten.

Die Antragstellerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden war. Sie meint, im Streitfall sei kein steuerpflichtiger Arbeitslohn gegeben. Sie bringt hierzu unter anderem vor:

1. Der angefochtene Beschluß gehe offensichtlich davon aus, daß nur der jeweilige Jubilar eine Zuwendung bekommen habe, da er in die Lage versetzt worden sei, einer angeblichen Verpflichtung gegenüber seinen Kollegen nachzukommen. Der angefochtene Beschluß unterstelle damit eine Verpflichtung des Jubilars zur Ausrichtung einer derartigen Feier, obwohl eine solche Verpflichtung in Wirklichkeit nicht bestehe. Bei den hier streitigen Arbeitsjubiläen sei allenfalls ein kleiner Umtrunk üblich; eine Verpflichtung zu einem vollständigen Essen sei hingegen nicht anzunehmen. Das zeige sich insbesondere darin, daß für die betreffenden Feiern ausschließlich sie, die Antragstellerin, zuständig und verantwortlich gewesen sei.

2. An diesen Feiern hätten auch Kollegen teilgenommen, deren Teilnahme allein auf die Antragstellerin und nicht auf eine sogenannte Verpflichtung des Jubilars zurückzuführen sei, so in der Regel das Betriebsratsmitglied, der Beauftragte der Geschäftsleitung, der die Ehrung vorgenommen habe, und wohl einige weitere unmittelbare Vorgesetzte des Jubilars. Es spreche nichts dafür, daß der Jubilar diesen Personenkreis bei einer persönlichen Einladung mitbedacht haben würde.

Dem Jubilar könnten daher Verzehraufwendungen, die auf diese Personen entfielen, nicht als eigener Vorteil zugerechnet werden. Im übrigen seien diese Vorteile unmittelbar diesen Personen selbst zugeflossen. Sie aber hätten sich dieser Vorteilsannahme aus betrieblichen Gründen nicht entziehen können. Bei ihnen sei eine "aufgedrängte Bereicherung" gegeben und deshalb ein steuerpflichtiger Zufluß von Arbeitslohn zu verneinen.

Das gelte auch für die übrigen Eingeladenen, bei denen - möglicherweise - angenommen werden könnte, daß sie allein aufgrund der Benennung durch den Jubilar an der Feier teilgenommen hätten. Schon die Unmöglichkeit, im Einzelfall zwischen diesen beiden Personengruppen zu unterscheiden, spräche für eine einheitliche steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts.

3. Im übrigen werde aus der Sicht des Arbeitgebers wie auch der eingeladenen Arbeitnehmer der jeweils etwa zufließende Vorteil als eine unmittelbar vom Arbeitgeber kommende Zuwendung angesehen. Obwohl es sich um eine Feier für den Jubilar und aus Anlaß seines Jubiläums handele, sei es doch eine Veranstaltung des Arbeitgebers und nicht des Jubilars, deren Kosten der Arbeitgeber trage. Dementsprechend seien die Einladungen für die Feier unmittelbar durch sie, die Antragstellerin, ausgesprochen worden.

Aus der Sicht des Arbeitgebers lägen unmittelbare Einzelzuwendungen aus eigenbetrieblichem Interesse an die einzelnen Arbeitnehmer als eines Teils der Belegschaft vor. Die auf Veranlassung des Jubilars eingeladenen Personen hätten einer solchen Einladung folgen müssen. Sie wären als Störer des Betriebsklimas aufgefallen, wenn sie die Einladung ausgeschlagen hätten. Sie hätten mithin einem ähnlichen Zwang zur Teilnahme unterlegen, wie etwa der Beauftragte der Geschäftsführung oder das Betriebsratsmitglied.

Auch bezüglich eines etwaigen Vorteilszuflusses an den Jubilar selbst in Höhe seiner eigenen und der seinen Ehegatten betreffenden Verzehraufwendungen könnten geldwerte Vorteile nicht angenommen werden, weil sie mit dem Verzehr Aufwendungen erspart hätten, die sie voraussichtlich aus eigenen Mitteln nicht getätigt hätten. So ergebe sich für die Streitjahre 1980 und 1984 ein durchschnittlicher Kostenbetrag pro Teilnehmer von 78,80 DM bzw. 117,70 DM; ein "durchschnittlicher" Arbeitnehmer hätte für einen derartigen Anlaß solche Beträge nicht für sich ausgegeben.

4. Eine Lohnsteuerpflicht sei auch deshalb zu verneinen, weil die Kostenübernahme durch sie, die Antragstellerin, im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse erfolgt sei. Mit der Übergabe der Jubiläumszuwendung in Form eines Geldgeschenkes habe sie ausschließlich den Arbeitnehmer ehren wollen; hierin liege zusätzlicher Arbeitslohn. Von dem Geldgeschenk "habe" auch nur der zu ehrende Arbeitnehmer "etwas". Das Essen mit der Jubiläumsfeier gehe über den Ehrungszweck hinaus. Aus ihrer Sicht werde damit weit überwiegend der Zweck verfolgt, den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern. Dies ließe sich bei derartigen kleineren Veranstaltungen leichter erreichen, bei denen der Kontakt erheblich schneller herzustellen sei, als bei größeren Zusammenkünften. Gleiches gelte für die Einwirkungsmöglichkeiten des Beauftragten der Geschäftsführung auf die Teilnehmer. Es handele sich bei solchen Jubiläumsfeiern mithin um eine Art Teil- oder Minibetriebsveranstaltung. Wenn diese Feiern auch nicht der Belegschaft als ganzes angeboten würden, so sei andererseits zu berücksichtigen, daß sie grundsätzlich allen Arbeitnehmern offenständen. Der Jubilar könne - wenn auch zahlenmäßig beschränkt - jeden Kollegen einladen. Außerdem gelte die Jubiläumsregelung für alle ihre Arbeitnehmer.

5. Im übrigen sei es zweifelhaft, ob die Rechtsprechung zu Recht darauf abstelle, daß bei einer Betriebsveranstaltung die Teilnahmemöglichkeit für die gesamte Belegschaft gegeben sein müsse. Denn ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers könne auch bei Zusammenkünften nur von Teilen der Belegschaft vorliegen, so wenn z. B. nur für einzelne Abteilungen eines Unternehmens eine Betriebsveranstaltung durchgeführt werde. Dies entspräche offensichtlich auch der Ansicht des Bundesministers der Finanzen (BMF) im Schreiben vom 29. April 1986 IV B 6 - S 2342 - 22/86 (Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst - DStZ/E - 1986, 181). Als im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers durchgeführte Betriebsveranstaltungen würden dort z. B. auch Jubilarveranstaltungen und Jubilarfeiern genannt.

6. Hilfsweise werde auch der Ansicht des FG widersprochen, nach der bei Essensaufwendungen die amtlichen Sachbezugswerte nicht angesetzt werden könnten. Denn es würden dort Mittagessen gewährt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung des Haftungsbescheids des FA vom 13. Mai 1985 bezüglich des streitbefangenen Betrages von 36.597,80 DM auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache oder - wie im Streitfall - die Beschwerdeinstanz die Vollziehung eines angefochtenen Bescheids ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen "ernstliche Zweifel", wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die zu Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Sach- und Rechtsfragen oder zu Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen führen. Ein vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung setzt mithin voraus, daß ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und somit nicht nur geringfügige Aussichten bestehen, daß der Rechtsbehelf Erfolg haben könnte. Ergibt die Prüfung der Sach- und Rechtslage, daß solche Zweifel bestehen, so brauchen sie im Verfahren bezüglich der Aussetzung der Vollziehung nicht geklärt zu werden. Sie dürfen dort auch nicht geklärt werden, weil dies der Entscheidung im Hauptverfahren vorbehalten bleiben muß, in dem der Senat ggf. als Revisionsgericht nach § 10 Abs. 3 FGO nicht in der Besetzung mit drei Richtern, sondern in der mit fünf Richtern über die Streitsache zu befinden hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).

Der Senat ist der Ansicht, daß gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids vom 13. Mai 1985 in Höhe des Streitbetrages von 36.597,80 DM ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne bestehen.

1. Ernstlich zweifelhaft ist zunächst die Frage, ob den Jubilaren mit der Ausrichtung der Jubiläumsfeier durch die Antragstellerin überhaupt Vorteile aus ihrem Dienstverhältnis i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugewandt wurden. Das könnte der Fall sein, wenn sie durch die von der Antragstellerin für die Jubiläumsfeier verausgabten Beträge objektiv bereichert wurden. Die kostenlose Gewährung einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber könnte für den Jubilar eine objektive Bereicherung darstellen, soweit ihm dadurch Ausgaben erspart bleiben, die er sonst hätte tätigen müssen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. Juli 1961 VI 176/60 S, BFHE 73, 485, BStBl III 1961, 443; Offerhaus, Betriebs-Berater - BB - 1982, 1061, 1062). Es ist zwar unerheblich, ob der Arbeitnehmer die Ausgaben auch mit Wahrscheinlichkeit getätigt hätte, wenn er die Vorteile nicht kostenlos oder verbilligt hätte in Anspruch nehmen können; denn entscheidend ist, daß er den Vorteil tatsächlich in Anspruch genommen hat, es sei denn, es handelt sich um eine "aufgedrängte Bereicherung" (vgl. hierzu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 19 Anm. 7 b und die dort erwähnte Rechtsprechung).

Die Annahme einer objektiven Bereicherung bei den Jubilaren kann im Hinblick auf diese Grundsätze zumindest bezüglich eines Teilbetrages der vom Lohnsteueraußenprüfer festgestellten Beträge ernstlich zweifelhaft sein. Sollten die Jubilare der Antragstellerin nämlich vor Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 17. November 1977 üblicherweise Aufwendungen bei der Entgegennahme der Gratulation durch Arbeitskollegen, Vorgesetzte und Betriebsratsmitglieder durch Bewirtung gleich welcher Art während der Dienstzeit in den Diensträumen in geringerer Höhe selbst getragen haben, so könnte es sich um eine "aufgedrängte Bereicherung" der Jubilare insoweit handeln, als Mehrkosten bei der Antragstellerin dadurch entstanden sind, daß diese in den Streitjahren Feiern jeglicher Art im Betrieb untersagt und dafür Jubiläumsveranstaltungen in Restaurants in dem vorbezeichneten Rahmen durchgeführt hat. Eine Bereicherung könnte in einem solchen Fall gegebenenfalls nur in Höhe des Wegfalls eigener Aufwendungen des Jubilars angenommen werden, die dieser üblicherweise sonst selbst hätte tragen müssen. Welche Beträge insoweit den Jubilaren erspart wurden, läßt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Die Beträge können auch je nach Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb unterschiedlich hoch gewesen sein.

2. Sollte man die Zuwendung eines geldwerten Vorteils beim Jubilar wegen der Ausrichtung der Jubiläumsfeier durch die Antragstellerin in voller Höhe oder nur teilweise bejahen, so könnte die Annahme lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns scheitern, wenn es sich entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 21. Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87, BStBl II 1986, 406; vom 18. März 1986 VI R 49/84, BFHE 146, 262, BStBl II 1986, 575) um übliche Zuwendungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Betriebsveranstaltung handeln sollte.

Wie der BFH in den vorgenannten Entscheidungen unter Bezugnahme auf weitere dort erwähnte Urteile betont hat, liegt lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn nur vor, wenn Vorteile "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, d. h. wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind. Dies ist nicht der Fall, wenn die einen Vorteil bewirkenden Aufwendungen ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden. Als Aufwendungen im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Klägers hat der Senat in der vorgenannten Rechtsprechung Ausgaben des Arbeitgebers für die Durchführung von Betriebsveranstaltungen gewürdigt. Es muß dabei jedoch die Zuwendung der Belegschaft als ganzem angeboten werden.

Wie die Antragstellerin hervorhebt, geht der BMF im vorgenannten Schreiben vom 29. April 1986 (a. a. O.) im Anschluß an die vorstehend erwähnte Rechtsprechung des Senats davon aus, daß auch solche Veranstaltungen als Betriebsveranstaltung beurteilt werden könnten, die z. B. nach Art des Dargebotenen nur für einen beschränkten Kreis der Arbeitnehmer von Interesse seien. Es sei daher nicht als schädlich anzusehen, wenn z. B. aus produktionstechnischen Gründen Betriebsveranstaltungen jeweils nur für eine Abteilung des Unternehmens durchgeführt werden, wenn eben alle Arbeitnehmer dieser Abteilung an der Veranstaltung teilnehmen könnten und wenn alle Abteilungen, gegebenenfalls zu verschiedenen Zeitpunkten, eine Veranstaltung durchführen dürften. Das gelte selbst dann, wenn es sich um eine Veranstaltung nur für Werkspensionäre handele, die allen Pensionären offenstehe. Nicht schädlich seien auch Jubilarveranstaltungen; denn auch hier sei die Beschränkung des Teilnehmerkreises letztlich aus dem besonderen Charakter der Veranstaltung heraus verständlich und vertretbar.

Zweifelhaft ist, ob der BMF unter Jubilarveranstaltungen in diesem Sinne auch vom Arbeitgeber veranstaltete Feiern jeweils für den einzelnen Jubilar verstanden hat, wie sie hier gegeben sind, und falls dies der Fall sein sollte, ob dies nicht der vorgenannten Rechtsprechung des Senats widersprechen würde.

3. Sollte im Streitfall eine Betriebsveranstaltung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung bei den jeweiligen Jubiläumsfeiern nicht gegeben sein, so könnte trotzdem ein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn beim Jubilar in Höhe der von der Antragstellerin für die Jubiläumsfeier verausgabten Beträge zu verneinen sein, wenn die Antragstellerin aus sonstigen Gründen im vorwiegend eigenbetrieblichen Interesse gehandelt haben sollte. Der Senat hat so z. B. die Annahme von Arbeitslohn abgelehnt bei Sachzuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer in Form einer Kur, wenn diese im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit seiner Arbeitnehmer durchgeführt wird (Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340). Der Senat hat ferner im Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79 (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39) entschieden, daß vom Arbeitgeber veranlaßte unentgeltliche Vorsorgeuntersuchungen seiner leitenden Angestellten bei diesen nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers durchgeführt werden. Im BFH-Urteil vom 20. September 1985 VI R 120/82 (BFHE 144, 435, BStBl II 1985, 718) wurde auch die Erstattung von Mitgliedsbeiträgen für die Mitgliedschaft in einem Industrieclub nicht als Arbeitslohn gewertet, wenn der Arbeitgeber - eine GmbH - durch die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers Zugang zu den Räumlichkeiten des Clubs für betriebliche Belange erhält.

Es ist zweifelhaft, ob entsprechend den vorstehenden Entscheidungen ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse nicht auch außerhalb von Betriebsveranstaltungen gegeben sein könnte, wenn die Antragstellerin, wie hier, nach den Feststellungen des FG sich zu solchen Jubiläumsfeiern im Hinblick darauf entschlossen hat, daß sie eine Vereinbarung mit dem Konzernbetriebsrat abgeschlossen hatte, nach der die Durchführung von Feiern aus persönlichem, betrieblichem oder geschäftlichem Anlaß im Betrieb grundsätzlich nicht gestattet und der Ausschank von Alkohol untersagt worden war. Es ist nicht auszuschließen, daß die Antragstellerin mit der Ausrichtung von Jubiläumsfeiern in Gaststätten einer Beeinträchtigung des Betriebsklimas wegen Aufhebung gewohnheitsrechtlich erworbener Rechte ihrer Arbeitnehmer hat entgegenwirken wollen, weil die Abhaltung von Jubiläumsfeiern während der Dienstzeit in ihren Betriebsräumen unter Einbeziehung einer sonst nicht begrenzbaren Anzahl von - teilweise dann unter Alkohol stehender - Arbeitskollegen und einer sonst nicht begrenzbaren Dauer der Feier ein zu großes Ausmaß angenommen hatte. Feststellungen hierzu - wie sie sich gegebenenfalls auch durch Vernehmung von Konzernbetriebsratsmitgliedern ergeben könnten - hat das FG nicht getroffen.

4. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers, das die Annahme von Arbeitslohn ausschließt, wird im übrigen auch dann angenommen, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer aufgedrängt wird, dem Arbeitnehmer dabei keine Wahl bleibt und der Vorteil keine Marktgängigkeit besitzt (vgl. z. B. Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 19 Anm. 7 c Abs. 2). Nach den vom FG getroffenen Feststellungen wurde zwar die Jubiläumsfeier als solche dem Jubilar nicht aufgedrängt; er konnte deren Durchführung ablehnen. Ernstlich zweifelhaft ist es jedoch, ob man nicht zumindest bezüglich der Kosten, die durch Teilnahme von Vorgesetzten des Jubilars, eines Mitglieds der Geschäftsleitung der Antragstellerin und eines Betriebsratsmitglieds an solchen Jubiläumsveranstaltungen entstanden sind, einen aufgedrängten Vorteil in diesem Sinne annehmen kann, der weder bei diesen Personen noch beim Jubilar als lohnsteuerpflichtige Sachzuwendung zu werten ist. Denn die Anwesenheit dieser Personen auf den Jubiläumsfeiern beruhte letztlich auf Anordnungen der Antragstellerin und bezüglich des Betriebsratsmitglieds wohl auf einer generellen Vereinbarung der Antragstellerin mit dem Konzernbetriebsrat.

5. Sollte ein dem Jubilar jeweils zuzurechnender Arbeitslohn in Höhe der vom Prüfer festgestellten Beträge ganz oder teilweise zu bejahen sein, so ist es schließlich ebenfalls ernstlich zweifelhaft, ob der Wert der bei solchen Jubiläumsfeiern gewährten Mahlzeiten in der vom FA angesetzten Höhe oder nur in Höhe der amtlichen Sachbezugswerte i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit der Sachbezugsverordnung anzusetzen ist; denn diese Frage ist bezüglich der Streitjahre umstritten (für Ansatz der Sachbezugswerte bei Betriebsveranstaltungen z. B. Offerhaus, BB 1981, 964, und BB 1982, 1061, 1072; anderer Ansicht Rudolph, BB 1982, 46).

6. Die Vorentscheidung ist aufzuheben; die Sache ist entscheidungsreif. Die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 13. Mai 1985 wird unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 8. November 1985 in Höhe von Lohnsteuer 1980 bis 1984 von 34.985 DM, evangelischer Lohnkirchensteuer von 1.381,20 DM und römisch-katholischer Lohnkirchensteuer 1980 bis 1984 von 231,60 DM bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren ausgesetzt.