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BFH-Urteil vom 10.9.1986 (II R 81/84) BStBl. 1987 II S. 80

Stehen bei einer Vermögensübertragung Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Mißverhältnis und liegt es nach den Umständen des Falles nahe, anzunehmen, den Vertragschließenden sei dieses Mißverhältnis bekannt gewesen, so muß derjenige, der behauptet, daß zumindest dem Zuwendenden das Mißverhältnis nicht bekannt gewesen sei, dies durch konkreten Vortrag untermauern.

ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die beiden Neffen des Klägers, D und G X (geboren am 7. Februar 1958 bzw. am 25. Juli 1963), waren nach dem Tode ihres Vaters neben dem Kläger sowohl an der ... B GmbH als auch an der ... B KG beteiligt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Mai 1979 übertrug der Neffe D seinen GmbH-Anteil von nominell 15.000 DM und seine Kommanditbeteiligung im Nennwert von 35.000 DM auf den Kläger. Als Gegenleistung für die Übertragung der Anteile erhielt D ein der KG gehörendes Grundstück sowie einen als "Auszahlung und Abfindung" bezeichneten Betrag in Höhe von 150.000 DM, von dem es in der Urkunde weiter heißt, daß er "zum Ausbau des übertragenen Wohnhauses und zur Existenzsicherung" des D.B. dienen solle.

Das Finanzamt (FA) ermittelte den steuerlichen Wert der übertragenen Anteile auf 1.125.561 DM und den Verkehrswert des übertragenen Grundstücks mit 267.300 DM. Es sah infolgedessen den Vorgang als gemischte Schenkung an und setzte gegen den Kläger mit Bescheid (unter Vorbehalt der Nachprüfung) vom 5. Juni 1981 398.360 DM Schenkungsteuer fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, der Vertrag sei wie ein Kaufvertrag unter fremden Dritten zu werten, hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage hat der Kläger die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt. Aus dem Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung könne auf einen Bereicherungswillen des D nicht geschlossen werden. Den dem FA obliegenden Nachweis der Bereicherungsabsicht könne das FA nicht erbringen, weil D tatsächlich nicht die Vorstellung gehabt habe, daß ein Teil seiner Leistung unentgeltlich erfolgt sei. Im übrigen sei das FA von einem zu hohen Wert der Beteiligung ausgegangen.

Das Finanzgericht (FG) hat D sowie seine Mutter, die beim Vertragsschluß als gesetzliche Vertreterin des Bruders G anwesend war, als Zeugen darüber vernommen, von welchen Vorstellungen D beim Abschluß des Vertrages vom 22. Mai 1979 ausgegangen sei. Die Mutter hat ausgesagt, sie habe D beim Vertragsabschluß nicht beraten und auch keine Vorstellungen über die Wertverhältnisse gehabt. D hat ausgesagt, er sei damals auf den Erhalt von Geldmitteln angewiesen gewesen. Der Vorschlag über die Bemessung der Gegenleistung sei vom Kläger gekommen, diesem habe er vollkommen vertraut und geglaubt. Er könne sich nicht erinnern, irgendwelche Gewinnanteile aus der Beteiligung bezogen zu haben. Auf Vorhalt, daß er doch aufgrund seiner früheren Beteiligung Einkommensteuer- bzw. Vermögensteuererklärungen hätte abgeben müssen und entsprechende Bescheide erhalten habe, hat er sich dahin eingelassen, sich hierauf nicht mehr besinnen zu können. Die Erklärungen würden von der Steuerberatungsgesellschaft der KG abgegeben. Er habe sich keine genauen Vorstellungen machen können, weil er zu dieser Zeit hauptsächlich mit Schreibarbeiten im Büro beschäftigt gewesen sei und mit der Buchhaltung nichts zu tun gehabt habe.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die festgestellten Tatsachen böten seiner Ansicht nach keinen ausreichenden Anhalt dafür, daß D sich der teilweisen Unentgeltlichkeit der von ihm erbrachten Leistungen bewußt gewesen wäre. Der Inhalt des notariell beurkundeten Vertrags spreche dafür, daß mit den vom Kläger zu erbringenden Leistungen D ein vollwertiger Ersatz für seine bisherige Existenzgrundlage als Gesellschafter der GmbH und der KG geboten werden sollte. Die Aussage des D, keine Vorstellungen über den Wert der Beteiligung gehabt und sich hierzu auch nicht aufgrund irgendwelcher Steuerbescheide veranlaßt gesehen zu haben, erscheine glaubhaft. Tatsächlich seien die Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1978 und 1979 erst im Juni 1982 erstellt worden. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe es D daher an jeder Information über den vermögensteuerlichen Wert gefehlt.

Entscheidungsgründe

Dagegen richtet sich die Revision des FA. Sie ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

Als Schenkung gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Wenngleich die freigebige Zuwendung neben dem Willen zur Freigebigkeit zwar objektiv eine Bereicherung des Beschenkten voraussetzt, so setzt sie einen auf die Bereicherung gerichteten Willen des Zuwendenden dagegen nicht voraus. Der Wille zur Freigebigkeit wird aufgrund der dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bestimmt (vgl. die Senatsurteile vom 12. Juli 1979 II R 26/78 , BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631, und vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 , BFHE 134, 357, 359, BStBl II 1982, 83).

1. Zutreffend macht das FA mit der Revision geltend, daß das FG es verabsäumt habe, im Urteil schlüssig darzustellen, warum es der Aussage des Zeugen D Glauben schenke. Es hat sich zwar nicht mit der Feststellung begnügt, die Einlassung des Zeugen sei glaubhaft. Wenn es aber weiter ausführt, daß die Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1978 und 1979 noch nicht eingereicht waren und deshalb es D an jeder Information über den vermögensteuerlichen Wert gemangelt habe, so vermögen diese Ausführungen nicht in schlüssiger Weise zu belegen, daß ihnen zufolge die Aussage des D glaubhaft gewesen sei. Einmal ist es verfehlt, allein darauf abstellen zu wollen, ob der Zeuge Kenntnis vom vermögensteuerlichen Wert der hingegebenen Gesellschaftsanteile hatte, weil es für die entscheidungserhebliche Frage allein auf die objektiven Wertverhältnisse ankommt. Zum anderen belegt die Unkenntnis des aktuellen Vermögensteuerwertes nicht, daß D keine Vorstellungen vom Wert der Gesellschaftsbeteiligungen gehabt hat. Wenn sich D im Zeitpunkt seiner Zeugenaussage nicht mehr an die in diesem Zusammenhang als Anhaltspunkte dienenden Steuerbescheide für zurückliegende Zeiträume erinnerte, ist des weiteren nicht belegt, daß dem Zeugen, der im Februar 1976 volljährig geworden war, nicht im maßgebenden Zeitpunkt (Abschluß des Vertrages) derartige Bescheide bekannt oder wenigstens erinnerlich waren.

2. Soweit das FG ausführt, aus dem Inhalt der notariell beurkundeten Vereinbarung ergebe sich, daß D ein vollwertiger Ersatz für seine bisherige Existenzgrundlage habe geboten werden sollen, weshalb sich die beiderseitigen Leistungen gleichwertig gegenüberständen, entbehren diese Ausführungen ebenfalls der für einen Nachvollzug erforderlichen Schlüssigkeit. Denn aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich - worauf das FA zutreffend hinweist - nur die vom Kläger geschuldete Gesamtgegenleistung sowie weiter, daß der Geldbetrag der Existenzsicherung dienen sollte. Das FG hat bei seinen Ausführungen verkannt, daß bei einem auffallend groben Mißverhältnis zwischen den bei verständiger Beurteilung zugrunde zu legenden Werten von Leistung und Gegenleistung in Einklang mit der Lebenserfahrung zunächst davon ausgegangen werden muß, daß die Vertragsparteien dieses Mißverhältnis erkannt haben (vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. März 1981 IV a ZR 154/80, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 1956). Stehen bei einer Vermögensübertragung Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Mißverhältnis und liegt es nach den Umständen des Falles nahe, anzunehmen, den Vertragschließenden sei dieses Mißverhältnis bekannt gewesen, so muß derjenige, der behauptet, daß zumindest dem Zuwendenden das Mißverhältnis nicht bekannt gewesen sei, dies durch konkreten Vortrag untermauern.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird dem Kläger nunmehr Gelegenheit geben müssen vorzutragen, aus welchen Gründen für D im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das objektiv bestehende Mißverhältnis zwischen den ausgetauschten Leistungen nicht erkennbar bzw. bewußt war.