| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 23.7.1986 (I R 306/82) BStBl. 1987 II S. 92

Für eine Klage auf Unterlassung einer Auskunft an eine ausländische Steuerbehörde ist das FA nicht passiv legitimiert.

AO 1977 § 117; DBA-Belgien Art. 26; EG-AmtshilfeG § 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1982, 604)

Sachverhalt

Am ... 1980 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Klägerin eine Außenprüfung an, mit deren Durchführung die Großbetriebsprüfungsstelle ... beauftragt wurde.

Die Klägerin hatte während des Prüfungszeitraums (1976 bis 1978) bare Provisionszahlungen an einen Geschäftspartner in Belgien für die Vermittlung von ... verkäufen geleistet, die als Betriebsausgaben gebucht worden waren.

Der Prüfer teilte noch während der laufenden Prüfung der Klägerin - mündlich - mit, daß beabsichtigt sei, über diese Zahlungen eine Kontrollmitteilung zu fertigen und auf dem Dienstweg an die belgischen Steuerbehörden weiterzuleiten. Eine entsprechende Kontrollmitteilung ist von der Großbetriebsprüfungsstelle ... mit Datum vom ... 1981 erstellt, jedoch bislang nicht weitergeleitet worden.

Gegen die beabsichtigte Weiterleitung der Kontrollmitteilung legte die Klägerin beim FA am ... 1980 Beschwerde ein. Mit Entscheidung vom ... 1981 betreffend "die Absicht des FA, eine von der Großbetriebsprüfungsstelle ... im Rahmen einer Betriebsprüfung zu fertigende Kontrollmitteilung für einen Zahlungsempfänger in Belgien auf dem Dienstweg an den Bundesminister der Finanzen weiterzuleiten", verwarf die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig, der Rechtsbehelf sei mangels eines Verwaltungsaktes unzulässig; die der Klägerin mitgeteilte Absicht habe keinen Regelungsinhalt.

Mit der hiergegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, wegen der auf der fehlenden Begründung beruhenden Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung bestünde ein Verwertungsverbot. Für eine Kontrollmitteilung über die Grenze sei im übrigen keine Rechtsgrundlage vorhanden. Denn der sog. spontane Auskunftsverkehr sei weder nach § 117 der Abgabenordnung (AO 1977) noch nach Art. 26 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 - DBA-Belgien - (BGBl II 1969, 18) zulässig. Die Weitergabe der Kontrollmitteilung verstoße daher gegen § 30 AO 1977 (Verletzung des Steuergeheimnisses). Ferner würden hierdurch die Geschäftsbeziehungen zu dem ausländischen Geschäftspartner beeinträchtigt und es sei zu befürchten, daß Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden könnten.

...

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage als sonstige Leistungsklage (Unterlassungsklage) nach § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für zulässig; in der Sache blieb die Klage jedoch ohne Erfolg. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 604 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 30 AO 1977 sowie unrichtige Anwendung des § 117 AO 1977 und des Art. 26 DBA-Belgien.

...

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Einer Auseinandersetzung mit der Revisionsbegründung der Klägerin bedurfte es jedoch nicht, da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen das FA nicht zusteht.

1. Für eine Klage auf Unterlassung der Auskunftserteilung an die belgischen Steuerbehörden ist das FA nicht passiv legitimiert.

a) Die sog. Spontanauskunft (vgl. hierzu Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik III Rdnr. 247), bei der einer ausländischen Finanzbehörde in einem Einzelfall Sachverhalte mitgeteilt werden sollen, die für die dortige Besteuerung von Bedeutung sein können, gehört zum Bereich der zwischenstaatlichen Amtshilfe. Der zwischenstaatliche Auskunftsverkehr ist in § 117 AO 1977 geregelt. Nach § 117 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436, BStBl I 1985, 735) können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer (EG-Amtshilfe-Gesetz) leisten.

Rechtsgrundlage für den Auskunftsverkehr mit Belgien ist Art. 26 DBA-Belgien sowie das am 20. Dezember 1985 in Kraft getretene und damit wegen der noch nicht erteilten Auskunft auch im Streitfall anwendbare EG-Amtshilfe-Gesetz (vgl. Art. 2 und Art. 25 Abs. 2 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986). Hierbei kann im Verhältnis zu den EG-Mitgliedstaaten die Amtshilfe sowohl auf das DBA als auch auf das EG-Amtshilfe-Gesetz gestützt werden (vgl. § 1 Abs. 3 EG-Amtshilfe-Gesetz).

b) Zuständige Behörde für den Informationsaustausch nach Art. 26 DBA-Belgien ist auf seiten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) der Bundesminister der Finanzen - BMF - (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 b DBA-Belgien). Der Verkehr mit den zuständigen Finanzbehörden der anderen Mitgliedstaaten nach dem EG-Amtshilfe-Gesetz obliegt ebenfalls dem BMF, der lediglich im Einzelfall beim Auskunftsaustausch auf Ersuchen eine Auskunft durch die zuständige oberste Landesfinanzbehörde zulassen kann (§ 1 Abs. 4 EG-Amtshilfe-Gesetz). Die Entscheidung darüber, ob die angefertigte Kontrollmitteilung an die belgische Steuerverwaltung weitergeleitet werden kann, ist somit ausschließlich dem BMF vorbehalten; das FA ist hierfür unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständig.

c) Das FA ist nicht im Zuständigkeitsbereich des BMF tätig geworden. Die Klägerin muß im Streitfall nicht damit rechnen, daß das FA unter Überschreitung seiner Kompetenz den belgischen Steuerbehörden unmittelbar Auskunft erteilt. Aus der Beschwerdeentscheidung ergibt sich eindeutig, daß die Kontrollmitteilung lediglich auf dem Dienstweg an den BMF weitergeleitet werden soll, dem damit die abschließende Entscheidung vorbehalten bleibt.

Eine Passivlegitimation des FA kann auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, daß ein Vorverfahren stattgefunden hat. Eine Klage gegen das FA käme insoweit nur in Betracht, falls die Klägerin die isolierte Aufhebung der Beschwerdeentscheidung begehren würde. Bei der Leistungsklage im engeren Sinn nach § 40 Abs. 1 letzte Alternative FGO bedarf es jedoch eines Vorverfahrens nicht.

Das FG hat den Antrag der Klägerin zutreffend als Leistungsklage im engeren Sinn gewertet. Hierbei braucht zu der in der Literatur umstrittenen Frage, ob die Erteilung einer Auskunft im Rahmen des Amtshilfeverkehrs einen Verwaltungsakt darstellt, nicht eingegangen zu werden (bejahend: Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 117 AO 1977 Anm. 213; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 26 Rdnr. 112; verneinend: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 117 AO 1977 Tz. 26 - anders noch Vorauflage -; Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 117 Anm. 23; Förster in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, § 117 Anm. 29). Denn eine Entscheidung darüber, ob zwischenstaatliche Amtshilfe zu leisten ist, ist im Streitfall noch nicht getroffen.

2. Legt man das Klagebegehren dahin aus, daß dem FA lediglich die Weiterleitung der Kontrollmitteilung an den BMF auf dem Dienstweg untersagt werden soll, so könnte die Klage ebenfalls keinen Erfolg haben.

a) Zweifelhaft ist bereits, ob das FA mit der Erstellung und Weiterleitung der angegriffenen Kontrollmitteilung überhaupt befaßt ist. Zwar spricht die Beschwerdeentscheidung von der Absicht des FA, die Kontrollmitteilung auf dem Dienstweg an den BMF weiterzuleiten. Die Kontrollmitteilung vom ... 1981 ist jedoch von der Großbetriebsprüfungsstelle ... gefertigt und unmittelbar der OFD vorgelegt worden.

Die Großbetriebsprüfungsstelle ist eine Außenstelle der OFD. Ihre Beauftragung durch das FA zur Durchführung der Außenprüfung nach § 195 Satz 2 AO 1977 macht die Großbetriebsprüfungsstelle nicht zu einer Dienststelle des FA. Maßnahmen des Betriebsprüfers können lediglich gegenüber der beauftragten Finanzbehörde angefochten werden.

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterbindung des behördeninternen Informationsaustausches. Die Weiterleitung der Kontrollmitteilung auf dem Dienstweg berührt keine subjektiven Rechte der Klägerin. Das innerdienstliche Zusammenwirken der Finanzbehörden ist der gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Ein derartiger Urteilsspruch würde unmittelbar in die eigentliche Tätigkeit der Verwaltung eingreifen und damit das in Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene Prinzip der Gewaltenteilung verletzen.