| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Beschluß vom 7.11.1986 (III B 50/85) BStBl. 1987 II S. 94

Ein mit seinem Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagter Steuerpflichtiger kann im Hinblick auf die Folgen einer Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268 ff. AO 1977 auch dann beschwert sein, wenn das FA abweichend von der Steuererklärung seine Einkünfte zugunsten jener des Ehegatten erhöht hat, die Gesamtsteuerschuld aber gleichgeblieben ist. Die Beschwer entfällt jedoch, sobald ein Antrag auf Aufteilung wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr zulässig ist (Anschluß an das Urteil des BFH vom 16. August 1978 I R 125/75, BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26).

AO 1977 § 350, §§ 268 ff.; EStG § 26 b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine mit ihm für das Streitjahr 1976 zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehefrau betrieben beide ein eigenes Fuhrunternehmen und erzielten daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Im Anschluß an eine bei den Ehegatten durchgeführte Außenprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) vom Unternehmen der Ehefrau an das des Klägers im Streitjahr angeblich erbrachte Leistungen steuerrechtlich nicht mehr an. Es erhöhte infolgedessen den vom Kläger für 1976 erklärten Gewinn um 28.512 DM und verminderte den der Ehefrau entsprechend. Auf die Einkommensteuerfestsetzung hatte dieser Vorgang keinen Einfluß; der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 1976 wurde aus anderen - hier nicht interessierenden - Gründen geändert. Die aufgrund dieser Änderung fällige Nachzahlung wurde termingerecht erbracht; Steuerrückstände aus der ursprünglichen Veranlagung hatten nicht mehr bestanden.

Der vom Kläger erhobene Einspruch blieb erfolglos. Das FA verwarf ihn mangels hinreichender Beschwer als unzulässig. Es war der Auffassung, der Kläger hätte - wenn schon - den aus demselben Anlaß geänderten Gewerbesteuermeßbescheid für sein Unternehmen anfechten müssen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es kam zu dem Ergebnis, das FA habe den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, und führte dazu aus: Der Bundesfinanzhof (BFH) sei in seinem Urteil vom 16. August 1978 I R 125/75 (BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26) zwar davon ausgegangen, daß zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten auch dann beschwert sein könnten, wenn das FA die Einkünfte abweichend von der Steuererklärung auf die Ehegatten aufgeteilt habe und sich dadurch die Gesamtsteuerschuld nicht ändere. Die Beschwer des Ehegatten, dem nach seiner Behauptung das FA zu hohe Einkünfte zugerechnet habe, könne nämlich darin liegen, daß er bei einer Aufteilung der Einkommensteuerschuld gemäß den §§ 44, 268 ff. der Abgabenordnung (AO 1977), früher § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) i. V. m. der Aufteilungsverordnung vom 8. November 1963, benachteiligt wäre. Voraussetzung für die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall sei aber, daß eine Aufteilung nach Maßgabe der genannten Vorschriften (noch) zulässig ist, ein entsprechender Antrag des Steuerpflichtigen im konkreten Fall also noch Erfolg haben könnte. Dies sei hier jedoch nicht mehr möglich, da die Steuerschuld des Klägers und seiner Ehefrau bereits früher vollständig getilgt worden sei (Hinweis auf § 269 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

Die Revision ließ das FG in seinem Urteil nicht zu.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde. Er macht geltend, das Urteil des FG weiche von der Entscheidung des BFH in BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26 ab. Der BFH habe dort nicht - wie das FG - auf die Tilgung der Gesamtschuld abgestellt, sondern lediglich darauf, daß (abstrakt) bei einem eventuellen Aufteilungsantrag eine Benachteiligung vorliegen könnte. Auch Tipke/Kruse (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 40 FGO Tz. 11) stellten klar, daß es nicht darauf ankomme, ob ein Aufteilungsantrag gestellt werde; bedeutsam sei lediglich, daß es bei einer eventuell möglichen Aufteilung zu einem nachteiligen Ergebnis kommen könnte.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die angefochtene Entscheidung weicht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht von dem Urteil in BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26 ab. Das FG hat sich vielmehr die vom BFH aufgestellten Grundsätze zu eigen gemacht und sie sodann auf den konkreten Fall angewendet. Es hatte dabei folgerichtig zu berücksichtigen, daß im Fall des Klägers die Einkommensteuerschuld 1976 - einschließlich der mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Nachzahlung - fristgerecht und vollständig getilgt worden war, eine Aufteilung dieser Schuld mithin nicht mehr in Betracht kam (§ 269 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser (weitere) Schritt des FG im Urteil des BFH in BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, so doch zumindest sinngemäß vorgezeichnet. Denn die Formulierung "... ist deshalb beschwert, weil er bei einer Aufteilung ... benachteiligt wäre" kann nur dahin verstanden werden, daß eine derartige Aufteilung noch möglich sein muß. Eine Beschwer i. S. des § 350 AO 1977 kann - worauf das FA in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - nur geltend machen, wer dartut, daß der angegriffene Verwaltungsakt für ihn eine Beeinträchtigung verursacht (v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 350 AO 1977 Anm. 4). Dem Rechtsbehelfsführer muß eine Last, eine Pflicht, ein Nachteil, eine Beschränkung auferlegt oder eine Vergünstigung oder Entlastung verweigert worden sein (Tipke/Kruse, a. a. O., § 40 FGO Tz. 7, zur insoweit vergleichbaren Regelung in § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Daran fehlt es, wenn - wie im Streitfall - nicht einmal mehr die Möglichkeit besteht, aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuerschuld einen irgendwie denkbaren Nachteil zu erleiden.

Diesen Grundsätzen trägt im übrigen auch die zuvor wiedergegebene Formulierung des BFH Rechnung, in der die Rede ist von einer Benachteiligung bei einer Aufteilung. Der BFH geht also - wie selbstverständlich - davon aus, daß eine Aufteilung nach §§ 268 ff. AO 1977 (früher der Aufteilungsverordnung) noch möglich ist und sich dann aufgrund ihrer Durchführung Nachteile für den betreffenden Ehegatten ergeben würden. Nicht anders sind die Ausführungen von Tipke/Kruse (a. a. O., § 40 FGO Tz. 11) zu verstehen. Denn auch dort heißt es, daß gegen den zusammengefaßten Bescheid i. S. des § 155 Abs. 3 AO 1977 geltend gemacht werden könne, "die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen seien unzutreffend und würden bei (Hervorhebung durch den Senat) Anwendung der §§ 268 ff. AO 1977 zu einem nachteiligen Ergebnis führen (können)".

Das FG hat nach alledem die vom BFH im Urteil in BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26 aufgestellten Grundsätze lediglich verdeutlicht oder allenfalls - entsprechend der eindeutigen Rechtslage - weiterentwickelt. Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann darin nicht gesehen werden.

2. Aus dem gleichen Grunde hat der Kläger mit seinem Vorbringen auch keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfen (s. hierzu den Beschluß des BFH vom 23. Juni 1967 VI B 11/67, BFHE 89, 256, BStBl III 1967, 611). An einer solchen Bedeutung fehlt es, wenn - wie oben dargelegt - die Rechtsauffassung des FG der eindeutigen Rechtslage entspricht und zu Zweifeln keinen Anlaß bietet (s. dazu den Beschluß des BFH vom 25. Mai 1973 VI B 95/72, BFHE 109, 303, BStBl II 1973, 665).