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BFH-Urteil vom 23.9.1986 (III R 317/84) BStBl. 1987 II S. 112

Vergütungen, die ein Steuerpflichtiger für den Einzelmusikunterricht seines Kindes leistet, sind als Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes i. S. des § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbar.

EStG 1979 § 33 a Abs. 3 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist verheiratet und wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr 1981 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Eheleute haben zwei Kinder, die seinerzeit sechs und acht Jahre alt waren. In seiner Einkommensteuererklärung 1981 machte der Kläger ebenso wie im vorangegangenen Veranlagungszeitraum Aufwendungen für die Beaufsichtigung seiner beiden Kinder in Höhe von jeweils 600 DM nach § 33 a Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978 - EStG 1979 - (BGBl I, 1849) geltend; diese Aufwendungen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid antragsgemäß. In dem dagegen gerichteten Einspruchsverfahren begehrte der Kläger den Abzug höherer Kinderbetreuungskosten, nämlich von 1.200 DM je Kind, ohne diese Aufwendungen zunächst nachzuweisen.

Nachdem das FA den Einspruch mangels weiterer Nachweise zurückgewiesen hatte, legte der Kläger Quittungen vor, nach denen er für die Betreuung seiner beiden Kinder insgesamt 1.800 DM und für den Musikunterricht eines Kindes zusätzlich 600 DM aufgewendet hat.

Da das FA während des Klageverfahrens die nachgewiesenen Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.800 DM anerkannt hatte, brauchte das Finanzgericht (FG) nur noch über die Abzugsfähigkeit der Ausgaben für den Musikunterricht zu entscheiden. Das FG wies die Klage insoweit ab, weil die geltend gemachten Aufwendungen Ausbildungskosten seien, die in § 33 a Abs. 1 und Abs. 2 EStG ausdrücklich begünstigt würden und daher nicht unter § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG fielen.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision, mit der der Kläger die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1981 die Einkommensteuer auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für den Musikunterricht seiner Tochter zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 ausgeschlossen.

1. a) Nach § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes i. S. des § 32 Abs. 4 EStG erwachsen, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden; abziehbar ist jedoch höchstens ein Betrag von 1.200 DM für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG in der Fassung des durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 - BGBl I, 1857 - eingefügten § 53 a EStG - EStG 1983 -).

Die Frage, ob Aufwendungen für Einzelmusikunterricht als Kinderbetreuungskosten nach § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 begünstigt sind, ist umstritten. Während man sich im Schrifttum ganz überwiegend für eine Anerkennung derartiger Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten ausgesprochen hat (vgl. Offerhaus, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1979, 474, 478; Zeitler/Scheidel, Betriebs-Berater - BB - 1980, 1368; o. V., Finanz-Rundschau - FR - 1981, 194; vermittelnd: Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 131) und auch einige Bundesländer Aufwendungen für die "musische oder pädagogische Betreuung" eines Kindes zum Abzug zugelassen haben (vgl. z. B. Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover vom 4. Januar 1982, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 33 a Abs. 3 Nr. 17), wurde diese Auffassung in anderen Bundesländern abgelehnt (z. B. Finanzminister des Landes Hessen vom 29. Oktober 1981, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 a Abs. 3 Nr. 14).

b) Der Senat schließt sich der im Schrifttum vertretenen Auffassung an, wonach auch die Aufwendungen für einen Musikunterricht als Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen sind.

Dies folgt bereits aus einer Auslegung nach dem Wortlaut des § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG. Vergütungen für einen Einzelmusikunterricht sind Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes. Zum einen wird der Unterricht als Leistung im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§§ 611 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) erbracht. Auch das Tatbestandsmerkmal der "Betreuung eines Kindes" ist - wenn auch im weiteren Sinne - erfüllt; denn der Begriff "betreuen" umfaßt in seiner Bedeutung "für jemanden sorgen" (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch 1980, 1. Bd. S. 654) die in § 1631 Abs. 1 BGB als Pflege des Kindes bezeichnete körperliche Betreuung ebenso wie die Erziehung des Kindes.

c) Der so verstandene Begriff der Betreuung wird vom Gesetz nicht in dem Sinne eingeschränkt, daß nur eine behütende Betreuung begünstigt sein soll. Zwar wurde der Begriff der Beaufsichtigung ohne nähere Definition im Schrifttum vereinzelt als Einschränkung des (allgemeineren) Betreuungsbegriffes verstanden (vgl. Offerhaus, DStR 1979, 474; Zeitler/Scheidel, BB 1980, 1368); da nach dem Gesetzeswortlaut jedoch beide Maßnahmen "Beaufsichtigung" und "Betreuung" alternativ begünstigt sind, kann einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der Beaufsichtigung im Ergebnis keine Bedeutung zukommen. Der Umstand, daß die Unterscheidung der Begriffe "Beaufsichtigung" und "Betreuung" sachlich ohne Bedeutung ist, hat den Gesetzgeber nicht zuletzt dazu veranlaßt, auf den Begriff der Beaufsichtigung des Kindes als eines weiteren Tatbestandsmerkmals bei Schaffung des § 33 c EStG ganz zu verzichten.

d) Die hier vertretene Auslegung des Begriffs der Betreuung wird auch durch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 bestätigt. Soweit nämlich die Kosten der Betreuung älterer Kinder - bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres - in Frage stehen, würde die Vorschrift weitgehend bedeutungslos, weil ältere Kinder wohl nur in Ausnahmefällen einer "behütenden oder beaufsichtigenden Betreuung" bedürfen. Auch die weitgehende Typisierung des Merkmals der Zwangsläufigkeit, das in der gleichzeitig geschaffenen Sondervorschrift zur Berücksichtigung kinderbezogener Hausgehilfinnenkosten noch gefordert wird (§ 53 a EStG 1979), macht deutlich, daß es in der Absicht des Gesetzgebers gelegen hat, den persönlichen Anwendungsbereich des § 33 a Abs. 3 Nr. 1 möglichst weit zu fassen.

2. Da die Vorentscheidung diesen Grundsätzen widerspricht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das durch Urteil des FG berechnete zu versteuernde Einkommen des Klägers vermindert sich um weitere 600 DM, die der Kläger als Honorar für den Musikunterricht seiner Tochter geleistet hat.