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BFH-Urteil vom 18.11.1986 (VIII R 301/83) BStBl. 1987 II S. 261

Duldet der Verpächter (Vater) eines Gewerbebetriebs, daß der Pächter (Sohn) auf dem mitverpachteten Betriebsgrundstück ein ausschließlich eigenen Wohnzwecken des Pächters dienendes Einfamilienhaus errichtet, so ist bei Hinzutreten weiterer Umstände der dem errichteten Einfamilienhaus zuzuordnende Grund und Boden nicht mehr zur Nutzung im Rahmen des Verpachtungsunternehmens bestimmt und mit der Bebauung als aus dem Betriebsvermögen des Verpächters entnommen anzusehen.

EStG §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1984, 223)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von .... sowie den Handel mit dazugehörigen Bedarfsartikeln, Geräten und Maschinen. Er hatte diesen Betrieb mit Wirkung vom 1. Januar 1971 von seinem Vater übernommen und auf folgender Grundlage fortgeführt:

a) Pacht des 1.703 qm großen Grundstücks gemäß Pachtvertrag vom 31. Dezember 1970; Jahrespacht 10.200 DM.

b) Käuflicher Erwerb von Inventar, Fuhrpark und Warenbeständen (Kaufpreis als zinsloses Darlehen des Verkäufers).

c) Jährliche Zahlung von 12.000 DM bzw. (ab 1974) 13.200 DM an Veräußerer für die Übernahme des Firmenwerts, des Kundenstamms und der Rezepturen.

Im Jahr 1972 errichtete der Kläger auf dem gepachteten Grundstück ein Einfamilienhaus (Herstellungskosten 40.251,03 DM), in dem er seither (November 1972) zusammen mit seiner Familie wohnt.

Das Gebäude wurde als notwendiges Privatvermögen des Klägers behandelt, der gesamte Grund und Boden wurde vom Vater weiterhin bilanziert.

Mit Vertrag vom 9. Dezember 1976 hat der Vater des Klägers den Betrieb mit allen in der Bilanz des Vaters zum 1. Januar 1977 ausgewiesenen Aktiven und Passiven an den Kläger auf Leibrentenbasis übertragen (Rente monatlich 1.300 DM; Anpassung gemäß § 323 der Zivilprozeßordnung -ZPO- ausdrücklich vorgesehen). Der Kläger hat in seinen Bilanzen ab 1977 auch den auf das Einfamilienhaus entfallenden anteiligen Grund und Boden als Betriebsvermögen ausgewiesen.

Anläßlich einer im Jahre 1979 beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Ansicht, daß mit der Betriebsveräußerung auf den Kläger hinsichtlich des von ihm mit dem Einfamilienhaus bebauten anteiligen Grund und Bodens eine Nutzungsänderung eingetreten sei. Die Prüferin buchte deshalb den zu dem Einfamilienhaus gehörenden Grund und Boden mit Wirkung vom 1. Januar 1977 als Privatvermögen aus und gelangte dabei zu einem Teilwert von 23.900 DM (470 qm a 50 DM). Unter Berücksichtigung des Buchwertes in Höhe von 4.780 DM ergab sich ein Entnahmegewinn von abgerundet 19.000 DM.

Dementsprechend erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) am 7. Mai 1980 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1977, in dem er von einem Entnahmegewinn in Höhe von 19.000 DM ausging. Der Einspruch hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA eine bis dahin versagte Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 2.800 DM anerkannte.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 223 veröffentlichten Urteil statt. Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und von § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger im Streitjahr 1977 keinen Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) erzielt hat. Der Ansatz eines Entnahmegewinns würde voraussetzen, daß der strittige Grundstücksanteil zu Beginn des Streitjahres Betriebsvermögen des Klägers war und diese Eigenschaft im Streitjahr durch eine Entnahmehandlung oder einen Rechtsvorgang verloren hat (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl. II 1975, 168). Das FG ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, daß sich der betreffende Grundstücksteil zu keiner Zeit im Betriebsvermögen des Klägers befunden hat und demzufolge von diesem auch nicht entnommen werden konnte. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann in der Bebauung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks für nicht betriebliche Zwecke unter bestimmten Voraussetzungen eine Entnahme des Grundstücks oder Grundstücksteils (Grundstücksanteil) gesehen werden. In einem solchen Falle ist in der Regel der dem nicht betrieblich genutzten Teil des Gebäudes entsprechende Anteil des Grundstücks als entnommen anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom 27. Januar 1977 I R 48/75, BFHE 121, 203, BStBl. II 1977, 388; vom 12. Juli 1979 IV R 55/74, BFHE 128, 527, BStBl. II 1980, 5; vom 11. März 1980 VIII R 151/76, BFHE 131, 290, BStBl. II 1980, 740, und vom 24. November 1982 I R 51/82, BFHE 137, 317, BStBl. II 1983, 365).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, daß der mit dem Einfamilienhaus bebaute Grundstücksteil von 470 qm bereits im Jahre 1972 aus dem Betriebsvermögen des Vaters des Klägers dadurch entnommen und zum notwendigen Privatvermögen wurde, daß der Vater des Klägers diesem die Bebauung mit einem Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken gestattete. Denn unter Berücksichtigung der folgenden Umstände:

- Behandlung des Gebäudes als Privatvermögen

- Ausgestaltung der Betriebsverpachtung (käuflicher Erwerb des beweglichen Anlagevermögens, Übertragung des Firmenwerts, des Kundenstammes und der Rezepturen), die auf eine spätere Betriebsübertragung hindeutet - Duldung der Bebauung durch den Vater des Klägers als Grundstückseigentümer und

- erbrechtliche Stellung des Klägers gegenüber seinem Vater war 1972 davon auszugehen, daß bei typischem Geschehensablauf vor Ende der Nutzungsdauer des errichteten Einfamilienhauses der Betrieb des Vaters und damit auch der bebaute Grundstücksteil ins Eigentum des Klägers übergehen würde.

Allerdings kann der Pächter dem Verpächter grundsätzlich eine Entnahme nicht aufzwingen. Im vorliegenden Fall hat jedoch der Verpächter nach den vom FG ordnungsgemäß getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Bebauung des Pachtgrundstücks geduldet. Die Erstellung des der privaten Lebensführung des Pächters dienenden Einfamilienhauses geschah somit im Einverständnis mit dem Verpächter. Der Verpächter muß sich daher das von ihm gebilligte Vorgehen des Klägers -gleichsam wie eigenes Handeln- zurechnen lassen. Damit konnte aber der betreffende anteilige Grund und Boden nicht mehr zur Nutzung im Rahmen des Verpachtungsunternehmens bestimmt sein.