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BFH-Urteil vom 18.12.1986 (III R 150/82) BStBl. 1987 II S. 307

Ein Investitionszulagebescheid ist jedenfalls dann nicht entsprechend § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zu ändern, wenn der Steuerpflichtige erst nach Ablauf der Antragsfrist die Gewährung einer Investitionszulage für weitere Wirtschaftsgüter beantragt.

BerlinFG i.d.F. vom 22. Dezember 1978 § 19 Abs. 5; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in Berlin (West) ein Unternehmen zur Herstellung von Werkzeugen und Geräten. Im Januar 1979 beantragte sie die Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für im Jahr 1978 angeschaffte Wirtschaftsgüter. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach diesem Antrag im wesentlichen.

Im Februar 1981 beantragte die Klägerin im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. März 1979 III R 20/78 (BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578) die Gewährung einer weiteren Investitionszulage für im Jahr 1978 angeschafftes "diverses kurzlebiges Werkzeug". Das FA lehnte diesen Antrag ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der § 19 BerlinFG und § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977).

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und eine weitere Investitionszulage von ... DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Antrag vom Februar 1981 verspätet war und die Voraussetzungen für eine Änderung des Zulagebescheides 1978 nicht vorgelegen haben.

1. Der Antrag der Klägerin vom Februar 1981 war verspätet, da die Antragsfrist gemäß § 19 Abs. 5 i. V. m. § 31 Abs. 9 BerlinFG in der Neufassung vom 22. Dezember 1978 (BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3) mit Ablauf des 30. September 1979 geendet hatte. Das FG hat auch zutreffend entschieden, daß der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 1, 110 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 19 Abs. 7 Satz 1 BerlinFG (vgl. Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, Kommentar, Randnote 134 zu § 19) zu gewähren war. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwendungen mehr erhoben.

2. Das FG hat ferner zu Recht die Auffassung vertreten, daß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 im Streitfall nicht entsprechend anwendbar ist.

a) Gemäß § 19 Abs. 7 Satz 1 BerlinFG in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung vom 22. Dezember 1978 (BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3) sind die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977 grundsätzlich entsprechend anzuwenden. Zu diesen Vorschriften rechnet in Verbindung mit §§ 1, 155 Abs. 3 AO 1977 in der bis zum 20. August 1980 geltenden Fassung (jetzt § 155 Abs. 6) auch § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977. Bei entsprechender Anwendung dieser Vorschrift sind Investitionszulagebescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Investitionszulage führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Eine Änderung ist jedoch insoweit nicht möglich, als Vorschriften des BerlinFG selbst entgegenstehen. Dieses Gesetz hat aber in § 19 Abs. 5 zum einen ausdrücklich geregelt, daß der Zulageantrag nur innerhalb der Ausschlußfrist von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden kann, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft worden sind. Außerdem kommt für den Streitfall entscheidend hinzu, daß nach der maßgeblichen Fassung des § 19 Abs. 5 BerlinFG in dem Zulageantrag die Wirtschaftsgüter so genau bezeichnet werden müssen, daß ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist.

Diese Regelung sieht der erkennende Senat im Hinblick auf deren Zielsetzung als abschließend an. Das bedeutet, daß die Wirtschaftsgüter jedenfalls nach Ablauf der Neunmonatsfrist nicht mehr "nachgeschoben" werden können, auch nicht im Rahmen einer Änderung des Zulagebescheides (im Ergebnis ebenso, allerdings unter Bezugnahme auf die Ausschlußfrist Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Randnote 11 zu § 173 AO 1977; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Randnote 9 a zu § 173 AO 1977). Da im Streitfall die Antragsfrist bereits abgelaufen war, konnte der Antrag der Klägerin auf Berücksichtigung weiterer, bisher nicht bezeichneter Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Änderung des Investitionszulagebescheides 1978 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 i. V. m. § 19 Abs. 7 BerlinFG keinen Erfolg haben.

b) Der Einwand der Klägerin, die Finanzbehörden hätten durch Verwaltungsanweisungen (vgl. Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 4. November 1980 - S 004 - 1 - V A 1 InvZ 1010 1 V B 1, Der Betrieb - DB - 1980, 2261) eine Änderung der Zulagebescheide für zulässig erachtet, ist unbegründet. Es ist zwar zutreffend, daß nach diesen Verwaltungsanweisungen keine Bedenken bestehen, kurzlebige Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige in seinem ursprünglichen Investitionszulageantrag, für den die Antragsfrist vor dem 1. Januar 1979 endete, nicht aufgeführt hatte, noch im Rahmen einer Änderung des Investitionszulagebescheids entsprechend § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zu berücksichtigen. Der Senat kann unerörtert lassen, ob er dieser Rechtsauffassung folgen könnte. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin jedenfalls deshalb nicht berufen, weil die Finanzbehörden in den genannten Verwaltungsanweisungen gleichzeitig zu Recht die Auffassung vertreten haben, daß nach der für den Streitfall maßgeblichen geänderten Fassung des § 19 Abs. 5 BerlinFG eine nachträgliche Berücksichtigung nicht mehr möglich ist.