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BFH-Urteil vom 11.2.1987 (II R 103/84) BStBl. 1987 II S. 325

1. Wird ein Grundstück durch die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für die Gesellschaft gekauft, so schuldet die GbR die Grunderwerbsteuer.

2. Der Steuerbescheid ist an die GbR zu richten. Führt sie einen (Gesamt)Namen, unter dem sie sich am Rechtsverkehr beteiligt, so reicht es aus, sie in dem Steuerbescheid mit diesem Namen zu bezeichnen (Ergänzung zu BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598).

3. Gilt die gesetzliche Regel des § 709 BGB, so reicht die Bekanntgabe an einen ihrer Gesellschafter aus.

AO 1977 § 122 Abs. 1, § 267; VwZG § 7 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 12. September 1972 kaufte die unter der Bezeichnung "Grundstücksgemeinschaft A.-Center" von acht Aktiengesellschaften als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründete Klägerin ein bebautes Grundstück. Sie beantragte die Freistellung von der Grunderwerbsteuer nach dem früheren Nordrhein-Westfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 20. Juli 1970 (GrEStWoBauG). Das beklagte Finanzamt (FA) verfügte intern am 16. Januar 1973, daß vorläufig von der Erhebung der Grunderwerbsteuer abgesehen werde.

Da die beabsichtigte Neubebauung des erworbenen Grundstückes innerhalb von fünf Jahren seit der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (18. Januar 1973) von der Klägerin nicht durchgeführt worden war, setzte das FA durch Steuerbescheid vom 13. Januar 1981 Grunderwerbsteuer sowie einen Zuschlag zur Grunderwerbsteuer fest. Es richtete den Bescheid an die "Grundstücksgemeinschaft A.-Center z. H. X.-AG". Die X.-AG war zwar keine Gesellschafterin, sie war aber zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt worden.

In der Zeit zwischen dem Erwerb des Grundstückes und der Erteilung des Steuerbescheides waren verschiedene Änderungen im Bestand der Gesellschafter der Klägerin eingetreten. Bei Erteilung des Grunderwerbsteuerbescheides hatte die Klägerin nur noch sieben Gesellschafter.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die von der Klägerin eingelegte Revision, mit der sie ihren Klagantrag weiterverfolgt, ist unbegründet.

1. Das FG hat die Klage zu Recht als eine Klage der GbR behandelt. Auch hat es zutreffend für rechtmäßig erachtet, daß das FA die Klägerin als Schuldnerin der Grunderwerbsteuer beurteilt und den Grunderwerbsteuerbescheid an sie gerichtet hat (§ 43 Satz 1, § 78 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 15 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes Nordrhein-Westfalen - GrEStG NW -).

2. Die Grunderwerbsteuer ist aufgrund des von den damaligen Gesellschaftern der Klägerin in dieser Eigenschaft abgeschlossenen Kaufvertrags als Gesamthandsschuld entstanden. Dies ergibt sich aus § 15 Nr. 1 des seinerzeit in Nordrhein-Westfalen geltenden GrEStG. Danach waren Steuerschuldner die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Auf der Erwerberseite waren dies die damaligen Gesellschafter der Klägerin in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit; daraus ergibt sich, daß die Grunderwerbsteuer auf der Erwerberseite als Gesamthandsschuld entstanden und aus dem Gesellschaftsvermögen als einem Sondervermögen zu zahlen ist.

Steuerschuldner ist als Träger dieses Gesellschaftsvermögens die Klägerin als GbR. Dies hat der Senat bereits entschieden (vgl. das Urteil vom 22. Oktober 1986 II R 118/84, BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183). Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Er erkennt damit die grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsfähigkeit der GbR und ihre Beteiligungsfähigkeit im Grunderwerbsteuerverfahren an.

Die Abweichung von der in der Zivilrechtsprechung herrschenden Auffassung (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. März 1981 VII ZR 160/80, BGHZ 80, 222, 227), wonach die GbR nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig i. S. des § 50 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist (kritisch hierzu die bei Ulmer, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2. Aufl., § 718 BGB, Tz. 42 Fußnote 59 genannten Schriftsteller), rechtfertigt sich aus den Besonderheiten des Steuerrechts.

Das Steuerrecht enthält zwar keine ausdrücklichen Vorschriften über die Steuerrechtsfähigkeit von Personenvereinigungen, die nach zivilrechtlicher Auffassung nicht rechtsfähig sind. Es setzt aber eine besondere Steuerrechtsfähigkeit in § 267 AO 1977 voraus.

Nach dieser Vorschrift genügt für die Vollstreckung in das Vermögen einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung, die als solche steuerpflichtig ist, ein an sie gerichteter Verwaltungsakt. Damit wird vorausgesetzt, daß Personenvereinigungen, die zivilrechtlich nicht rechtsfähig sind, Steuerschuldner und deshalb im Besteuerungsverfahren auch beteiligungsfähig sein können. Dies wird bestätigt durch die Regierungsbegründung zum Entwurf der neuen Abgabenordnung (vgl. BT-Drucks. VI/1982 S. 131 zu § 100). Dort heißt es:

"Auf eine besondere Regelung der Beteiligungsfähigkeit (vgl. § 10 des Entwurfs eines VwVfG) wird verzichtet. Es ist selbstverständlich, daß alle nach bürgerlichem Recht Rechtsfähigen auch die Beteiligungsfähigkeit besitzen. Daneben sind alle sonstigen Gebilde beteiligungsfähig, die nach dem Steuerrecht Träger von Rechten und Pflichten sein können oder die als solche in ein Verfahren gezogen werden. Einer besonderen Vorschrift hierüber bedarf es nicht."

Berücksichtigt man weiter, daß die AO 1977 eine Reihe von Vorschriften der ZPO für entsprechend anwendbar erklärt (vgl. die §§ 263 bis 265 AO 1977), dabei aber § 736 ZPO nicht erwähnt, wonach zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer GbR ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist, so spricht auch dies angesichts des schon erwähnten § 267 AO 1977 dafür, die GbR als steuerrechtsfähig und damit beteiligungsfähig zu behandeln, wenn eine Steuerschuld (wie für das Gebiet der Grunderwerbsteuer) Gesamthandsschuld ist. Denn andernfalls gäbe es nur dann eine Möglichkeit, wegen Steuerschulden unmittelbar in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken, wenn § 736 ZPO trotz fehlender ausdrücklicher Regelung gleichwohl entsprechend angewandt würde.

3. Aus der Anerkennung der GbR als Schuldnerin der Grunderwerbsteuer folgt zugleich, daß der Bescheid nicht allen ihren Gesellschaftern bekanntgegeben werden muß (anders wohl das Senats-Urteil vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598). Auch wenn alle Gesellschafter nach der gesetzlichen Regel des § 709 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gemeinschaftlich zur Geschäftsführung berufen sind, braucht der Steuerbescheid nur einem Gesellschafter bekanntgegeben zu werden (vgl. § 122 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. dem in § 7 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG - enthaltenen Rechtsgrundsatz). Wenn in § 7 Abs. 3 VwZG bestimmt worden ist, daß bei mehreren gesetzlichen Vertretern die Zustellung an einen von ihnen ausreicht, so muß dies auch bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gelten.

4. Ohne Bedeutung für die Beteiligungsfähigkeit der Klägerin als GbR ist es, daß zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstückes und der Erteilung des Steuerbescheides einzelne Gesellschafter gewechselt haben. Durch diesen Gesellschafterwechsel hat sich die Identität der Klägerin nicht verändert. Der Gesellschafterwechsel kann allenfalls Bedeutung für die Frage erlangen, welche Gesellschafter (oder ehemalige Gesellschafter) ggf. für die Zahlung der Grunderwerbsteuer als Haftende einzustehen haben (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 30. April 1979 II ZR 137/78, BGHZ 74, 240).

5. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angefochtene Steuerbescheid auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin nicht durch Angabe ihrer Gesellschafter bezeichnet worden ist. Der erkennende Senat hat zwar dahin entschieden, daß eine GbR nur durch Angabe ihrer Gesellschafter charakterisiert werden kann (vgl. das Urteil in BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598). Diese Auffassung bedarf aber der Einschränkung für die Fälle, in denen sich die GbR für ihre Teilnahme am Rechtsverkehr einen ihrer Identifizierung dienenden Namen zugelegt hat, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist. Die GbR hat zwar keine Firma, sie kann sich aber einen (Gesamt)Namen zulegen, unter dem sie sich am Rechtsverkehr beteiligt (vgl. Ulmer, a. a. O., § 705 BGB Tz. 225 ff.).

Ist dies der Fall, so sind die FÄ berechtigt, diesen Namen einer GbR auch im Steuerbescheid zu verwenden.

Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe des Steuerbescheides bestehen nicht. Denn in dem Steuerbescheid ist ausdrücklich die von den Gesellschaftern bestellte Geschäftsführerin als Empfangsbevollmächtigte genannt worden. Auch wenn diese als Nichtgesellschafterin nicht zur Vertretung der Gesellschafter i. S. des § 714 BGB berechtigt ist (Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft), so ist sie als Generalbevollmächtigte der Gesellschafter anzusehen (vgl. die Urteile des BGH in BGHZ 74, 240, und vom 16. November 1981 II ZR 213/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 877). Die als Geschäftsführerin bestellte AG war deshalb Bevollmächtigte i. S. des § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977.