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BFH-Urteil vom 4.3.1987 (II R 8/86) BStBl. 1987 II S. 370

Wird ein in einem Naherholungsgebiet belegenes Grundstück tatsächlich gärtnerisch genutzt (Streuobstwiese), ist es dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen, wenn es hinsichtlich Arbeitseinsatz, Investitionen zur Erhaltung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit sowie erzielbarem Ertrag einem Vergleich mit einem durchschnittlichen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb der gleichen Nutzungsart standhalten kann. Eine Erzeugung des Erwerbs wegen gehört nicht zu den Abgrenzungskriterien.

BewG 1965 § 18 Nrn. 1 und 2, §§ 33, 68.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1986, 273)

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer des Flurstücks 1094 in X. Es liegt rd. 200 m vom letzten Haus des Stadtteils ... entfernt in leichter Hanglage im ...-Tal. Das Gebiet, in dem das Grundstück belegen ist, ist eine durch Freizeitgrundstücke geprägte Naherholungszone von X. Es ist im Flächennutzungsplan der Stadt vom 8. Juli 1971 und im Entwurf des Flächennutzungsplans 1990 als Grünfläche ausgewiesen und für eine Dauerkleingartennutzung vorgesehen. Ein Teil des Gebietes, in dem auch die Fläche des klägerischen Grundstücks liegt, ist Landschaftsschutzgebiet.

Das nahezu quadratische, vollständig eingezäunte Grundstück des Klägers hat eine Fläche von 1.560 qm. Es wird durch einen im wesentlichen unbefestigten Weg erreicht, der zum Befahren breit genug ist. Umgeben ist es von Grundstücken, von denen mehrere Zierpflanzen, gepflegte Rasenflächen und Gartenhäuser aufweisen. Das Grundstück des Klägers besteht hauptsächlich aus einer einfachen Wiese, auf der 47 Obstbäume verschiedener Fruchtsorten stehen. Größtenteils handelt es sich dabei um ältere Hoch- und Halbstämme, die einen gepflegten Eindruck machen. Zwölf Niederstammbäume, die im Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme durch das Finanzgericht (FG) vorhanden waren, waren erst nach dem 1. Januar 1979 gepflanzt worden. Unter sämtlichen Bäumen ist eine Scheibe mit rd. 2 m Durchmesser umgehackt. In einer Ecke des Grundstücks sind 78 qm umgehackt und dienen der Anpflanzung von Gemüse und Blumen.

Etwa in der Mitte des Grundstücks befindet sich ein 12 qm großes älteres Gartenhaus mit Unterkellerung. In dem Haus befinden sich eine Eckbank und ein Tisch sowie Gartengeräte. Im Untergeschoß wird Obst gelagert und die anfallende Obstmaische vergoren. Neben dem Haus schließt sich eine etwa 10 qm große Terrasse an; Gartenmöbel oder sonstige Freizeiteinrichtungen sind nicht vorhanden.

Das Grundstück wird seit vielen Jahren vom Kläger für den eigenen Bedarf seiner Familie bewirtschaftet. Der Kläger ist inzwischen nicht mehr berufstätig, arbeitete am 1. Januar 1979 jedoch noch als Ingenieur. In der Bodenrichtwertkarte der Stadt X zum 31. Dezember 1978 ist für das Gebiet, das das Grundstück des Klägers umfaßt, ein Richtwert von 25 DM/qm ausgewiesen.

Das ursprünglich als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bewertete Grundstück wurde vom Finanzamt (FA) auf den 1. Januar 1979 als Grundvermögen bewertet.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Einheitswertfeststellung zum 1. Januar 1979. Er ist der Auffassung, es handle sich um eine zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörende Baumwiese und nicht um Grundvermögen.

Das FG hat ein Sachverständigengutachten darüber eingeholt, ob das Grundstück am 1. Januar 1979 hinsichtlich Arbeitseinsatz, Investitionen zur Erhaltung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit sowie erzielbarem Ertrag einen Vergleich mit einem durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb der gleichen Nutzungsart standhalten kann. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, die Intensität der Bewirtschaftung sei durchaus vergleichbar mit der eines Vollerwerbsbetriebs bei entsprechender Nutzung desselben Grundstücks. Die Bewirtschaftung des Grundstücks erfolge eindeutig in der Absicht, Naturalertrag zu erzielen; der Rohertrag entspreche dem der Bewirtschaftung durch einen Haupterwerbsbetrieb bei gleichem Grundstück. Investitionen erfolgten hauptsächlich durch Ersatz abgängiger Bäume. Die Bäume hätten das Höchstertragsalter überwiegend noch nicht erreicht; mit ansteigendem Ertrag sei zu rechnen.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 273 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. In der Revisionsbegründung führt es unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Januar 1973 III R 122/71 (BFHE 108, 445, BStBl II 1973, 282), auf welches auch die Entscheidung des BFH vom 5. Dezember 1980 III R 56/77 (BFHE 133, 212, BStBl II 1981, 498) zur Frage der Nachhaltigkeit verweise, aus, die Abgrenzung zwischen Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen müsse anhand einer Rohertragsgrenze vorgenommen werden. Das entspreche auch der ertragsteuerrechtlichen Abgrenzung, wie sie dem BFH-Urteil vom 17. Januar 1980 IV R 33/76 (BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323) zu entnehmen sei. Eine solche klare Abgrenzung sei schon im Hinblick darauf erforderlich, daß ein Massenverfahren wie die Einheitsbewertung typisierter Bewertungsregeln bedürfe. Im übrigen weiche das angefochtene Urteil von der Entscheidung in BFHE 133, 212, BStBl II 1981, 498 ab. Dort werde der Vergleich mit Grundstücken gleicher Nutzungsart gefordert. Die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger entspreche der einer Streuobstwiese, wie sie nur bei Betrieben mit vorwiegend landwirtschaftlicher Nutzung heute noch üblich sei, nicht aber bei obstbaulichen Haupterwerbsbetrieben.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zutreffend hat es das FG als maßgeblich für die Entscheidung angesehen, ob die in einem Naherholungsgebiet liegende Grundfläche des Klägers, die dieser tatsächlich land- und forstwirtschaftlich (gärtnerisch, vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d des Bewertungsgesetzes - BewG -) nutzt, dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt ist.

Die allgemeine Abgrenzung zwischen den Vermögensarten Grundvermögen (§ 18 Nr. 2 BewG) und land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§ 18 Nr. 1 BewG) ergibt sich aus §§ 68, 33 BewG. Zum Grundvermögen gehören nach § 68 Abs. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, soweit es sich nicht gemäß § 33 BewG um land- und forstwirtschaftliches Vermögen handelt. Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs. 1 BewG). Während § 68 Abs. 1 BewG das Grundvermögen zu land- und forstwirtschaftlichen Vermögen negativ im Sinne eines Vorranges des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens abgrenzt, ordnet § 33 BewG positiv an, welche Wirtschaftsgüter dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen sind. Zu diesem rechnet § 33 Abs. 2 BewG insbesondere den dauernd land- und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden.

Unter Landwirtschaft wird die Nutzung des Grund und Bodens zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse verstanden sowie deren unmittelbare Verwertung. Der bewertungsrechtliche Begriff des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft setzt keine Mindestgröße voraus; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche nachhaltige Nutzung und deren Zweckbestimmung durch den Eigentümer. Eine derartige nachhaltige Nutzung von Grundstücksflächen die - wie das Grundstück des Klägers - in einem Naherholungsgebiet liegen, tatsächlich aber gärtnerisch genutzt werden, ist zu bejahen, wenn diese Flächen hinsichtlich Arbeitseinsatz, Investitionen zur Erhaltung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit sowie erzielbarem Ertrag einem Vergleich mit einem durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb der gleichen Nutzungsart standhalten können (vgl. Urteil in BFHE 133, 212, BStBl II 1981, 498, dem sich der erkennende Senat anschließt). Eine Erzeugung des Erwerbs wegen gehört nicht zu den maßgeblichen Abgrenzungskriterien, weshalb auch Betriebe, die ohne Gewinnabsicht betrieben werden und ertragsteuerrechtlich als Liebhabereibetrieb anzusprechen sind, land- und forstwirtschaftliche Betriebe im Sinne des Bewertungsrechtes sind (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1985 II B 35/85, BFHE 145, 440, BStBl II 1986, 282, m. w. N.). Insofern besteht zwischen dem Ertragsteuerrecht und dem Bewertungsrecht ein erheblicher Unterschied. Das Ertragsteuerrecht knüpft an Einkünfte an (§ 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und beantwortet die Frage, ob (negative) Einkünfte erzielt werden, anhand der objektivierten Absicht Einkünfte zu erzielen (vgl. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Anm. 10). Das Bewertungsrecht hat (ertragbringendes oder ertragsloses) Vermögen einer der gesetzlich vorgegebenen Vermögensarten zuzuordnen und stellt deshalb nur auf die Art der tatsächlichen Nutzung oder die Beschaffenheit des Vermögens ab. Ob das Vermögen in der Absicht der Mehrung durch wirtschaftliche Betätigung genutzt wird, ist unbeachtlich (Ausnahme § 115 Abs. 4 BewG). Daraus folgt, daß eine allgemein gültige, das gesamte Bewertungsgebiet (das ist die Bundesrepublik Deutschland - Bundesrepublik -) und jede Art der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1, §§ 50 bis 62 BewG) gleichermaßen umspannende Mindestrohertragsgrenze dem bewertungsrechtlichen Begriff des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nicht entspricht. An der Entscheidung in BFHE 108, 445, BStBl II 1973, 282, die im übrigen zu § 29 Abs. 1 BewG in der Fassung vor dem Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes (BewÄndG) 1965 ergangen ist, hält der Senat, auf den die Zuständigkeit inzwischen übergegangen ist, für den jetzigen Rechtszustand nicht mehr fest.

Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen ist das FG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß das Grundstück des Klägers zum 1. Januar 1979 dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen war. Denn der Sachverständige hatte bekundet, daß Arbeitseinsatz und Investitionen (insbesondere der Ersatz von Altbestand) der Nutzung eines derartigen Grundstücks durch einen Haupterwerbsbetrieb vergleichbar seien, die Nutzung auf die Erzielung von Naturalertrag ausgerichtet und mit einer Steigerung der Ertragsfähigkeit noch zu rechnen sei. Unzutreffend ist die Annahme des FA, das FG habe sich dem Sachverständigengutachten nicht anschließen dürfen, weil bei obstbaulichen Haupterwerbsbetrieben Streuobstwiesen nicht üblich seien. Denn damit spricht das FA schlechthin derartigen Grundstücken die Vergleichbarkeit mit Haupterwerbsbetrieben ab. Maßgebend ist aber nur, ob die Grundfläche in eben der Weise nachhaltig genutzt wird, wie ein derartiges Grundstück im Rahmen eines Haupterwerbsbetriebs genutzt werden könnte; die Frage nach der Üblichkeit der Nutzung solcher Grundstücke durch einen Obstbauhauptbetrieb muß dabei unberücksichtigt bleiben, zumal diese Frage regional unterschiedlich beantwortet werden könnte.