| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 19.2.1987 (IV R 175/85) BStBl. 1987 II S. 430

Sind Ehegatten Mitunternehmer einer land- und forstwirtschaftlich tätigen KG und leitet der Ehemann den Betrieb von einem nahegelegenen Einfamilienhaus aus, das beiden Eheleuten gehört und das sie gemeinsam bewohnen, so bildet auch der Grundstücksanteil der Ehefrau notwendiges Sonderbetriebsvermögen.

EStG 1979 i. d. F. vom 20. August 1980 § 13 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war als Kommanditistin an der X-KG beteiligt, die bis zum 30. Juni 1981 in R auf einer Fläche von 153 ha (davon 105,26 ha Baumschulfläche) eine Baumschule betrieb. Weitere Kommanditisten waren die Mutter und die Schwester der Klägerin, ferner die X-GmbH. Der Ehemann der Klägerin war einziger persönlich haftender Gesellschafter der KG. Die Gesellschaft wurde zum 30. Juni 1981 dadurch beendet, daß die Kommanditisten ihre Gesellschaftsanteile auf den Komplementär (Ehemann der Klägerin) übertrugen und aus der Gesellschaft ausschieden. Der Ehemann führt seitdem die Baumschule als Alleininhaber fort. Die KG ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Vermögensvergleich.

Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer zu jeweils 1/2 eines in R gelegenen Hausgrundstücks. Das Grundstück liegt im Außenbereich der Gemeinde R und grenzt unmittelbar an das Grundstück des Baumschulbetriebes mit den Betriebsgebäuden an. Die Baugenehmigung wurde erteilt, weil das Bauvorhaben dem Baumschulbetrieb dienen sollte. Das Gebäude hatte eine Wohnfläche von 184 qm und wurde von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnt. Im Wirtschaftsjahr 1977/78 wurde auf dem Grundstück eine Schwimmhalle erbaut. Ferner befindet sich auf dem Grundstück ein Außenschwimmbad. Das Haus enthält eine Sauna und einen Fitness-Raum. Zum Gebäude gehören zwei Garagen.

Das Gebäude wurde im Jahr 1971 erbaut. Es ist anstelle eines Ende Juli 1971 abgebrannten Wohngebäudes gebaut worden, das zum Sonderbetriebsvermögen der Klägerin und ihres Ehemannes gehörte. Die Entschädigungsleistung der Versicherung wurde in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung eingestellt, die nach Erstellung des Wohngebäudes durch Übertragung aufgelöst wurde. Das Gebäude wurde bewertungsrechtlich in dem Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erfaßt. Einkommensteuerrechtlich wurde es als Sonderbetriebsvermögen der Klägerin und ihres Ehemannes behandelt. In der Auseinandersetzungsbilanz per 30. Juni 1981 wurde im Zusammenhang mit der Übernahme des Gebäudeanteils der Klägerin ein steuerbegünstigter Entnahmegewinn in Höhe von 278.427 DM ermittelt.

Im Mai 1982 wurde bei der Gesellschaft für die Jahre 1976 bis 1981 eine Betriebsprüfung durchgeführt. In dem Sonderbericht des Prüfers für die Klägerin wurde dieser Gewinn auf 275.854 DM gemindert.

In dem Feststellungsbescheid für 1981 vom 10. April 1984, dem die Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde liegen, wurden die Einkünfte der Gesellschaft mit insgesamt ... DM, die anteiligen Einkünfte der Klägerin als begünstigter Veräußerungsgewinn mit ... DM, einschließlich der 275.854 DM für den in das Privatvermögen übernommenen Gebäudeanteil, festgestellt.

Gegen diesen Feststellungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie Veräußerungskosten im Zusammenhang mit der Übertragung ihres Gesellschaftsanteils auf den Ehemann geltend machte. Ferner wandte sie sich gegen den Ansatz des Übernahmegewinns, weil ihr Miteigentumsanteil an dem Wohngebäude von vornherein nicht zum Betriebsvermögen, sondern zu ihrem Privatvermögen gehört habe. Durch Änderungsbescheid vom 1. Oktober 1984 half der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dem Einspruchsbegehren lediglich hinsichtlich der Veräußerungskosten ab. Im übrigen wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit der Klage wandte sich die Klägerin weiterhin gegen den Ansatz eines Gewinnes im Zusammenhang mit ihrem Gebäudeanteil.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Die Klägerin begründet ihre Revision im wesentlichen wie folgt: Ein Einfamilienhaus, das sich in Bauart, Zuschnitt und Lage nicht von anderen Einfamilienhäusern unterscheide, allenfalls durch zusätzlichen Luxus, könne kein land- und forstwirtschaftliches Vermögen sein (Urteil des FG Hamburg vom 13. Juli 1978 V 89/77). Eine funktionelle Beziehung bestehe nicht, weil das Wohngebäude räumlich von den Büroräumen und Lagerhallen getrennt sei. Sie habe ihren Grundstücksanteil sogar an eine betriebsfremde Person verkaufen können.

Ihr Anteil sei kein gewillkürtes oder notwendiges Sonderbetriebsvermögen gewesen. Das FG hätte insoweit zwischen ihr und ihrem Ehemann als Komplementär unterscheiden müssen. Sie sei Kommanditistin, aber nicht mit den betrieblichen Belangen der KG befaßt gewesen. Das FG irre, wenn es behaupte, der Betrieb habe ihre ständige Anwesenheit erforderlich gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei sie Hausfrau und Mutter gewesen. Daraus folge, daß ihr Anteil von Anfang an notwendiges Privatvermögen gewesen sei.

Die falsche Behandlung des Anteils in den Bilanzen der KG sei nicht ihr zuzurechnen.

Die Erfassung des Wirtschaftsguts im Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei nicht bindend.

Die Klägerin beantragt, der Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß der Grundstücksanteil der Klägerin zu ihrem Sonderbetriebsvermögen als Kommanditistin gehörte. Da die Klägerin im Streitjahr aus der KG gegen Abfindung ausgeschieden ist, wurde ihr Grundstücksanteil unter Auflösung der stillen Reserven Privatvermögen.

1. Die KG betrieb mit der Baumschule eine Land- und Forstwirtschaft. Das Wohngebäude gehört bei Land- und Forstwirten grundsätzlich zum notwendigen Betriebsvermögen (z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1968 IV 210/61, BFHE 92, 15, BStBl II 1968, 411; vom 17. Januar 1980 IV R 33/76, BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323; vom 28. Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97, und vom 7. März 1985 IV R 141/82, BFHE 143, 449, BStBl II 1985, 460; zu den Ausnahmen vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. März 1985 IV R 251/82, BFHE 143, 365, BStBl II 1985, 401). Das ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Hiervon ist auch auszugehen, wenn der land- und forstwirtschaftliche Betrieb mehreren Personen in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), insbesondere Eheleuten als Mitunternehmern gehört und nur einer von ihnen den Betrieb vom Wohnhaus aus leitet (vgl. z. B. Urteile in BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323, und in BFHE 143, 449, BStBl II 1985, 460). Dasselbe muß für eine KG gelten, wenn sie ausschließlich eine Landwirtschaft betreibt und hieraus Einkünfte zieht (vgl. § 3 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -).

Es ist nicht erforderlich, daß das Wohngebäude zum Gesellschaftsvermögen gehört (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. März 1974 IV R 172/71, BFHE 113, 189, BStBl II 1975, 9). Vielmehr genügt es, daß das Gebäude im Eigentum aller, einiger oder nur eines Gesellschafters steht und die Wohnung dem Betrieb dient. Das Wohngebäude bildet dann notwendiges Sonderbetriebsvermögen in der Hand der Mitunternehmer, die Eigentümer dieses Gebäudes sind. Es ist allgemein anerkannt, daß es Sonderbetriebsvermögen auch bei Personengesellschaften gibt, die Land- und Forstwirtschaft betreiben. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens in den Betriebsvermögensvergleich ist auch für Land- und Forstwirte § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 4 Abs. 1 EStG. § 13 Abs. 5 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I, 1545, BStBl I, 589) hat dies klargestellt.

2. Im Streitfall war danach der Anteil der Klägerin am gemeinsamen Wohngebäude gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 EStG Sonderbetriebsvermögen. Einer der vom Gesetz und von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmefälle (vgl. im einzelnen Urteil in BFHE 143, 365, BStBl II 1985, 401) liegt nicht vor.

a) Weder gebieten es die Eigenart eines Baumschulbetriebes noch die festgestellten Tatsachen, das Wohngebäude von der Zuordnung zum Betriebsvermögen auszunehmen. Denn auch die Bewirtschaftung einer Baumschule kann es erforderlich machen, daß sich der Betriebsinhaber oder Betriebsleiter mit einer gewissen Stetigkeit ohne abgegrenzte Arbeitszeit mit der Bewirtschaftung der Flächen befaßt und sie überwacht (BFH-Urteil vom 25. November 1983 III R 73/80, BFHE 140, 295, BStBl II 1984, 292). Das trifft vor allem - wie hier - bei einer Betriebsgröße von 153 ha zu. Bei dieser Größe tritt auch bei einem Baumschulbetrieb das für landwirtschaftliche Betriebe kennzeichnende Element der fortlaufenden und nicht auf bestimmte Arbeitsstunden bemessenen Bearbeitung und Bestandspflege mit den dazu erforderlichen Betriebsmitteln entscheidend in den Vordergrund (vgl. BFH-Urteile vom 18. Februar 1982 IV R 100/79, BFHE 135, 446, BStBl II 1982, 536, vom 5. November 1981 IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158). Davon ist bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die durch ihre Größe die Haupterwerbsquelle der Familie des Betriebsinhabers bilden, grundsätzlich auszugehen (vgl. Urteil in BFHE 143, 365, BStBl II 1985, 401).

b) Wohngebäude einerseits und Baumschulbetrieb andererseits bilden betrieblich gesehen eine wirtschaftliche Einheit. Wie das FG - mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - festgestellt hat, grenzt das Grundstück, auf dem das Wohngebäude errichtet worden ist, unmittelbar an die Grundstücksfläche des Baumschulbetriebes mit den Betriebsgebäuden. Der Neubau des Wohngebäudes wurde nach den Feststellungen des FG baurechtlich genehmigt, weil es dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sein sollte. Gegen diese Feststellungen des FG hat die Klägerin keine revisionsrechtlich zulässigen und durchgreifenden Rügen erhoben. § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG stellt für die Zurechnung des Nutzungswertes der Wohnung seinem Wortlaut nach nicht darauf ab, daß der land- und forstwirtschaftliche Betrieb in jedem Fall die ständige Anwesenheit des Betriebsinhabers erforderlich macht; das verkennt die Revision.

c) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG wegen der hier festgestellten Bauart, Größe und Ausstattung des Wohngebäudes.

Allein die Tatsache, daß das Wohngebäude nach seiner Bauart nicht als ein typisches land- und forstwirtschaftliches Wohn- und Wirtschaftsgebäude, sondern als Einfamilienhaus gestaltet ist, nimmt ihm nicht die Eignung als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen. Der Wohnhaus-Charakter ist im Hinblick auf die Entwicklung des Wohnungsbaus in der Landwirtschaft nicht erheblich (Urteil in BFHE 140, 295, BStBl II 1984, 292; vgl. auch Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281). Die für das Bewertungsrecht geltenden Abgrenzungsmerkmale für die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen können auch hier für das EStG übernommen werden (vgl. z. B. Urteile in BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323; in BFHE 143, 449, BStBl II 1985, 460, und in BFHE 143, 365, BStBl II 1985, 401).

Die Tatsache, daß das Gebäude eine Wohnfläche von 184 qm hat und zudem mit einer Schwimmhalle, einer Sauna etc. ausgestattet ist, sprengt nicht den Rahmen des für vergleichbare Betriebe dieser Größe (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG) Üblichen. Zu Recht hat das FG in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut darauf abgestellt, ob "die Wohnung, die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe nicht überschreitet". Selbst sog. Herrenhäuser, die nicht aus dem Rahmen des Üblichen fielen, wurden von der Rechtsprechung als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen anerkannt (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 14. Januar 1932 VI A 1945/31, RStBl 1932, 389, und BFH-Urteil in BFHE 92, 15, BStBl II 1968, 411). Auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft haben sich die Wohnungsansprüche gewandelt. Selbst größere Einfamilienhäuser mit komfortabler Ausstattung, mit Sauna, Schwimmbecken, Hobbyräumen etc. werden zunehmend von Land- und Forstwirten für eigene Wohnzwecke errichtet. Sie sind dazu bestimmt, den gestiegenen Ansprüchen der Land- und Forstwirte und damit dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen (vgl. dazu Urteil in BFHE 140, 295, BStBl II 1984, 292).

d) Wie ausgeführt diente das Wohngebäude dazu, den Betrieb der Baumschule zu leiten, zu überwachen und ständig präsent sein zu können. Von dort aus führte der Ehemann der Klägerin den Betrieb. Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, daß nicht die Klägerin selbst diese Aufgaben wahrnahm. Denn auch ihr Grundstücksanteil als Kommanditistin und Mitunternehmerin am gemeinsamen Wohnhaus diente dazu, daß ihr Ehemann, der Komplementär der KG, seine Aufgaben im Betriebe wahrnehmen konnte (vgl. zum Grundstücksanteil als Sonderbetriebsvermögen das BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 97/78, BFHE 136, 393, BStBl II 1983, 288). Unerheblich ist auch die Ansicht der Revision, für die Leitung des Betriebes hätte es dieses Gebäudes nicht bedurft. Denn Wirtschaftsgüter gehören auch dann zu dem notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie sich sonstwie auf den Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sind; nicht erforderlich ist es, daß sie für den Betrieb notwendig im Sinne einer Unentbehrlichkeit sind (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315, 317).

3. Die Klägerin ist zum 30. Juni 1981 gegen Abfindung aus der KG ausgeschieden. Das führte notwendig auch zum Wegfall ihres vorhandenen, nicht veräußerten Sonderbetriebsvermögens. Damit wurde der Grundstücksanteil der Klägerin Privatvermögen. Die dabei aufgedeckten stillen Reserven wurden damit Teil eines Aufgabegewinns gemäß § 16 Abs. 3 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 16 EStG Anm. 73 b).