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BFH-Urteil vom 10.2.1987 (VII R 152/84) BStBl. 1987 II S. 510

1. § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 enthält eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung des Haltens der unter diese Regelung fallenden Anhänger. Diese Befreiung ist antragsgebunden und setzt ferner die Zuteilung eines besonderen Kennzeichens voraus.

2. § 2 Abs. 5 Satz 2, 1. Alternative KraftStG 1979 läßt die Besteuerung wegen widerrechtlicher Benutzung eines Anhängers nicht deshalb entfallen, weil der Anhänger nach § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 hätte behandelt werden können.

KraftStG 1979 § 10 Abs. 1, § 2 Abs. 5 Satz 2.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein inländisches Transportunternehmen, erwarb am 28. Dezember 1978 von einem britischen Unternehmer einen in Großbritannien zugelassenen, zuvor für sechs Monate nach Deutschland vermieteten und hier bei einem Unfall beschädigten Trailer (Sattelanhänger). Diesen setzte sie nach Reparatur seit Juli 1979, noch mit britischem Kennzeichen versehen, im Güterverkehr hinter Zugmaschinen ein, für deren Halten eine um den Anhängerzuschlag erhöhte Kraftfahrzeugsteuer erhoben worden war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Klägerin wegen der nach seiner Ansicht widerrechtlichen Benutzung des Trailers Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 25. Juli 1979 bis 24. März 1981 fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, jedenfalls nach dem Ankauf des Trailers durch die Klägerin und dessen auf Dauer berechneten Einsatz im Inland oder vom Inland aus sei die Zulassung zum vorübergehenden Verkehr entfallen; mangels inländischer Zulassung sei das Fahrzeug widerrechtlich benutzt worden. Die Besteuerung entfalle nicht aufgrund von § 2 Abs. 5 Satz 2, § 10 Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979, weil die zuletzt bezeichnete Vorschrift als Tarifvorschrift keine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer, sondern lediglich eine Steuererleichterung gewähre. Unabhängig davon setze § 2 Abs. 5 Satz 2 KraftStG 1979 voraus, daß schon durch das Halten des Fahrzeugs und die Art seiner Benutzung ein Befreiungstatbestand erfüllt wäre; die Vergünstigung nach § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 könne indessen nur unter bestimmten Voraussetzungen - Antrag, Zuteilung eines besonderen Kennzeichens - in Anspruch genommen werden.

Mit der Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, letztlich werde sie durch die Belegung mit Kraftfahrzeugsteuer nur deswegen bestraft, weil der Trailer nicht förmlich zugelassen gewesen sei. § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 enthalte eine Steuerbefreiung. Da es sich um eine Sonderregelung für Kraftfahrzeuganhänger handele, müsse § 2 Abs. 5 KraftStG 1979 weit ausgelegt werden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil dessen Feststellungen es nicht ermöglichen zu entscheiden, von welchem Zeitpunkt an die Klägerin Kraftfahrzeugsteuer wegen widerrechtlicher Benutzung des Fahrzeugs schuldet.

Richtig hat das FG erkannt, daß die Verwendung des Anhängers durch die Klägerin von dem Zeitpunkt seiner widerrechtlichen Benutzung an zur Kraftfahrzeugsteuerpflicht der Klägerin führte (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 6, § 7 Nr. 3 KraftStG 1979). Widerrechtlich war die Benutzung des Fahrzeugs, wenn dieses zuvor nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 1 Abs. 1, § 5 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr - IKVO - vom 12. November 1934, BGBl III Gliederungsnr. 9232 - 4, ggf. i. V. m. § 1 Abs. 1 der 24. Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - vom 9. September 1975, BGBl I 1975, 2508) zum vorübergehenden Verkehr zugelassen gewesen sein sollte, jedenfalls nach Ablauf der - einjährigen - Dauer der Zulassung zum vorübergehenden Verkehr, weil danach mangels inländischer Zulassung die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung nicht mehr vorlag (§ 2 Abs. 5 Satz 1 KraftStG 1979; vgl. Urteil des Senats vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, 189, BStBl II 1986, 765). Die Steuerpflicht der Klägerin entfiel nicht aufgrund von § 2 Abs. 5 Satz 2, 1. Alternative i. V. m. § 10 Abs. 1 KraftStG 1979. Denn das Halten des Fahrzeugs wäre bei ordnungsgemäßer Zulassung im inländischen Zulassungsverfahren nicht - ohne weiteres - kraftfahrzeugsteuerfrei gewesen. Dieses Ergebnis läßt sich freilich nicht mit der Erwägung begründen, die Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen seien abschließend in § 3 KraftStG 1979 geregelt; § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 gewähre keine Befreiung, sondern als Tarifvorschrift nur eine Steuererleichterung. Die Befreiungen nach § 3 KraftStG 1979 enthalten zwar enumerative Aufzählungen der begünstigten Fahrzeuge (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. November 1977 II R 117/76, BFHE 123, 525f., BStBl II 1978, 75, zur entsprechenden Befreiungsvorschrift des früheren Kraftfahrzeugsteuerrechts), doch sind weitere Befreiungen sowohl im KraftStG 1979 (vgl. die in dieses Gesetz nach Erlaß der Vorentscheidung eingefügten §§ 3b bis 3d) als auch außerhalb desselben geregelt (vgl. z. B. § 10 Abs. 5 KraftStG 1979 und die darin bezeichnete landesrechtliche Befreiungsregelung; Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen nach zwischenstaatlichem Recht). Auch § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 - Steuervergünstigung durch Nichterhebung der Steuer für das Halten von Anhängern (§ 10 Abs. 1 und 2 KraftStG 1979, § 7 Abs. 1 Satz 2 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung 1979) - enthält, bezogen auf den betreffenden Anhänger, praktisch eine Steuerbefreiung (ebenso Einführungs-Ländererlaß zum KraftStG 1979, BStBl I 1979, 463, 467; vgl. auch Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 3. Aufl. 1981, Abschn. 49b [2] = S. 301), obwohl die Gesamtregelung in § 10 Abs. 1 bis 3 KraftStG 1979 lediglich zu einer Verlagerung der Kraftfahrzeugsteuer für das Halten des Anhängers auf dasjenige des Zugfahrzeugs führt (Anhängerzuschlag). Das FG hat danach zwar die rechtliche Bedeutung der wie eine Steuerbefreiung wirkenden Steuervergünstigung nach § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 nicht richtig beurteilt, jedoch zutreffend entschieden, daß § 2 Abs. 5 Satz 2, 1. Alternative KraftStG 1979 nicht anwendbar ist, wenn ein Anhänger widerrechtlich benutzt wird, auf dessen Halten die Sonderregelung bei Erfüllung der Voraussetzungen anwendbar gewesen wäre. Sie sind nur gegeben, wenn ein Antrag gestellt und dem Anhänger ein amtliches Kennzeichen in grüner Schrift auf weißem Grund (§ 23 Abs. 1 a, § 60 Abs. 1 Satz 3 StVZO i. d. F. der Verordnung vom 3. Juli 1979, BGBl I 1979, 901, BStBl I 1979, 459) zugeteilt worden ist. Letzteres ist nur möglich, wenn der Anhänger im inländischen Zulassungsverfahren zugelassen wird, also nicht bei gebietsfremden Fahrzeugen (§ 2 Abs. 4 KraftStG 1979). Ohne Antrag und Zuteilung des besonderen Kennzeichens greift die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 nicht ein, entfällt die Steuerpflicht infolge widerrechtlicher Benutzung nicht deshalb, weil das Halten des Anhängers bei Inlandszulassung mit Zuteilung dieses Kennzeichens auf Antrag nach § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 hätte unbesteuert bleiben können. Eine "Strafe" kann in der Rechtsfolge der gesetzlich gebotenen Besteuerung nicht gesehen werden. Noch nicht einmal eine steuerliche Doppelbelastung - in besonderen Fällen auch nach neuem Kraftfahrzeugsteuerrecht möglich (Urteil des Senats vom 22. April 1986 VII R 167/83, BFHE 147, 180, 182, BStBl II 1986, 763) - liegt vor, denn der Anhängerzuschlag berechtigt zum Mitführen beliebiger Anhänger, für deren Halten Steuer nicht erhoben wird, im Rahmen der gewählten Gewichtsklasse (§ 10 Abs. 3 KraftStG 1979); er stellt keine Ablösung der Steuer für das Halten eines bestimmten Anhängers dar.

Auch wenn hiernach das FG die Steuerpflicht der Klägerin dem Grunde nach im Ergebnis zutreffend bejaht hat, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Denn es fehlen Feststellungen darüber, ob der Anhänger der Klägerin zum vorübergehenden Verkehr zugelassen gewesen war, d. h. ob ein dazu berechtigender Zulassungsschein mitgeführt wurde, ob das Fahrzeug, falls von einer im Inland zugelassenen Zugmaschine gezogen, nur im grenzüberschreitenden Güterkraft- oder Huckepackverkehr verwendet worden ist, und wann ggf. der letzte Grenzübertritt vor der Standortbegründung im Inland erfolgt ist. Das FG ist davon ausgegangen, daß der Anhänger "jedenfalls" mit dem Erwerb des Eigentums durch die Klägerin und seiner Stationierung im Inland nicht mehr zum vorübergehenden Verkehr zugelassen gewesen, mithin ab Beginn der vom FA vorgenommenen Besteuerung (25. Juli 1979) widerrechtlich benutzt worden sei, und hat, von seinem Standpunkt aus mit Recht, entsprechende Feststellungen nicht getroffen.

Wie der Senat entschieden hat (Urteil in BFHE 147, 184, 187, BStBl II 1986, 765), wird ein im Inland eingesetztes gebietsfremdes Fahrzeug, solange es aufgrund der verkehrsrechtlichen Vorschriften zum vorübergehenden Verkehr zugelassen ist, nicht ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung, damit nicht widerrechtlich benutzt. Für einen gebietsfremden Anhänger (mit ausländischem Zulassungsschein), der einen regelmäßigen Standort im Inland erhalten hat, beginnt die Jahresfrist mit dem der Standortbegründung vorangegangenen Grenzübertritt; während der Dauer der Zulassung zum vorübergehenden Verkehr ist das Halten des Fahrzeugs kraftfahrzeugsteuerfrei, soweit dies nach zwischenstaatlichem Recht vorgesehen ist (vgl. hier das deutsch-britische Abkommen vom 5. November 1971 i. V. m. Art. 2 des Zustimmungsgesetzes vom 14. Mai 1973, BGBl II 1973, 340, BStBl I 1973, 495). Es trifft danach nicht zu, daß schon die Inlandsbeheimatung eines vorher im Ausland zugelassenen Anhängers dessen Zulassung zum vorübergehenden Verkehr ausschließt. Vielmehr gestattet die verkehrsrechtliche Regelung in Fällen der Verlegung des Standorts ins Inland die Weiterbenutzung während einer Übergangszeit von einem Jahr. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Standortbegründung im Inland nicht auf Vermietung, sondern auf käuflichem Erwerb beruht (vgl. auch Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Dezember 1979 I Ob OWi 583/79, Verkehrsrechts-Sammlung 58, 227, 230).

Im Streitfalle kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Anhänger vor seinem Erwerb durch die Klägerin und seiner Stationierung im Inland zum vorübergehenden Verkehr zugelassen war, daß die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach zwischenstaatlichem Recht in dieser Zeit gegeben waren und daß die Jahresfrist nach § 5 IKVO noch während eines Teils des Besteuerungszeitraums lief. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden haben, ob die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Inanspruchnahme der Klägerin schon ab 25. Juli 1979 berechtigt ist oder ob die Klägerin die Steuer erst von einem späteren Zeitpunkt an schuldet.