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BFH-Urteil vom 10.2.1987 (VII R 77/84) BStBl. 1987 II S. 545

1. Erteilt das FA den Gewerbebehörden im Rahmen eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens Auskunft über die Höhe der Steuerrückstände eines Gewerbetreibenden, so kann dieser im Wege der Feststellungsklage vor dem FG geltend machen, die Mitteilung verstoße gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses.

2. Eine Befugnis des FA zur Erteilung von Auskünften im gewerberechtlichen Untersagungsverfahren ergibt sich nicht aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, wohl aber aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977.

3. Die Offenbarungsbefugnis wegen zwingenden öffentlichen Interesses (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977) beschränkt sich auf die Mitteilung der Rückstände derjenigen Steuern, die mit der Ausübung des Gewerbes, das untersagt werden soll, im Zusammenhang stehen. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

AO 1977 § 30; GewO § 35; FGO § 41.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

A.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb einen Schrotthandel. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte der zuständigen Gewerbeaufsichtsbehörde mit Schreiben vom 14. Juli 1982 mit, der Kläger habe Steuerschulden in Höhe von rd. 113.000 DM. Das FA veranlaßte, daß dem Kläger die Gewerbeerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit nach § 35 der Gewerbeordnung (GewO) entzogen wurde.

Der Kläger machte mit der Klage vor dem Finanzgericht (FG) geltend, das FA sei nicht berechtigt gewesen, den Ordnungsbehörden die Höhe seiner Steuerschulden mitzuteilen, da dadurch die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses verletzt werde. Er beantragte, festzustellen, daß das FA mit der Mitteilung seiner Steuerrückstände an die Gewerbeaufsichtsbehörden gegen das Steuergeheimnis verstoßen habe.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG stellte durch Urteil fest, daß das FA mit der Mitteilung der Steuerrückstände an die Gewerbeaufsichtsbehörden gegen das Steuergeheimnis verstoßen habe.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

I. Das FG hat mit Recht die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs und der Feststellungsklage bejaht.

1. Welcher Rechtsweg gegeben ist, richtet sich nach der Rechtsnatur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (so die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1983 VII R 2/82, BFHE 138, 164, BStBl II 1983, 482, m. w. N.). Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben, wenn sich der Klageanspruch als Folge eines Sachverhalts darstellt, der sich als eine mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörde zusammenhängende Angelegenheit (Abgabenangelegenheit) darstellt. Das ist nach der vom Kläger gegebenen Begründung des Klagebegehrens der Fall.

Der Kläger beantragt, unter Berufung auf die Vorschrift über das Steuergeheimnis (§ 30 AO 1977) festzustellen, daß das FA zur Mitteilung seiner Steuerrückstände an die Gewerbeaufsichtsbehörden nicht befugt gewesen sei. Bei der Höhe der Steuerrückstände handelt es sich um Abgabenangelegenheiten, da sie sich aus der Verwaltung und Bearbeitung des Steuerfalles des Klägers ergeben haben und dem FA in diesem Zusammenhang zur Kenntnis gelangt sind. Zudem wendet sich die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses, die sich aus einer abgabenrechtlichen Vorschrift ergibt, in erster Linie an die Finanzbehörden, um den Steuerpflichtigen vor einer unbefugten Offenbarung seiner Verhältnisse, die er im Besteuerungsverfahren offenlegen muß und die sich aus diesem Verfahren ergeben, zu schützen. Die vorliegende Klage stellt sich demnach als eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten dar (vgl. das zu § 22 der Reichsabgabenordnung - AO - ergangene BFH-Urteil vom 13. September 1972 I R 189/70, BFHE 107, 253, BStBl II 1973, 119).

2. Die Klage ist als Feststellungsklage (§ 41 FGO) zulässig. Das hierfür erforderliche Rechtsverhältnis, dessen Feststellung der Kläger begehrt, bezieht sich auf den Umfang der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses, die dem FA dem Kläger gegenüber obliegt und die wiederum Ausfluß des konkreten Steuerschuldverhältnisses ist, das zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde besteht (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 41 Anm. 2).

Die Feststellungsklage setzt nach § 41 Abs. 1 FGO ein berechtigtes Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung voraus. Dieses Interesse braucht kein rechtliches zu sein. Es genügt jedes durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 41 FGO Tz. 4, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 43 Anm. 9; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 41 FGO Tz. 6). Daraus folgt, daß die Feststellungsklage nicht gegeben ist, wenn der Kläger sein Prozeßziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 41 FGO Tz. 6). Die Frage, ob das FA im Hinblick auf seine Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses befugt ist, der Gewerbeaufsichtsbehörde im Rahmen eines Gewerbeuntersagungsverfahrens nach § 35 GewO die Höhe der Steuerrückstände eines Gewerbetreibenden mitzuteilen, ist auch im Gewerbeuntersagungsverfahren und in einem sich daran anschließenden Verwaltungsprozeß zu prüfen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte (OVG) und des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - (vgl. BVerwG-Urteil vom 2. Februar 1982 1 C 146.80, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1982, 694, 696 ff., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1984, 19; OVG Hamburg, Urteil vom 8. Juli 1980 Bf. III 103/78, Der Betrieb - DB - 1981, 90; OVG Münster, Urteil vom 14. Juli 1971 IV A 1127/70, Die öffentliche Verwaltung - DÖV - 1972, 58). Das schließt aber im Streitfall das berechtigte Interesse des Klägers an der vor dem FG erhobenen Feststellungsklage nicht aus.

Dem FG kann aber nicht gefolgt werden, wenn es das Feststellungsinteresse des Klägers mit dem Hinweis darauf begründet, daß nach der Rechtsprechung des BFH auch rechtswidrig erlangte Ergebnisse einer steuerlichen Außenprüfung nur dann nicht (im Steuerbescheid) verwertet werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige erfolgreich in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Rechtmäßigkeit der betreffenden Prüfungsmaßnahme vorgegangen ist (Urteil vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285, m. w. N.). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen, die an die Geltendmachung eines Verwertungsverbots für rechtswidrig erlangte Prüfungsergebnisse gestellt werden, können auf den Fall der Geltendmachung der Verletzung des Steuergeheimnisses im gewerberechtlichen Untersagungsverfahren nicht übertragen werden, weil die beiden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Die Prüfungsanordnung ist ein Verwaltungsakt (§§ 196, 197 Abs. 1, § 118 AO 1977), dessen Rechtswidrigkeit mit der Anfechtungsklage (§ 40 FGO) - nach seiner Erledigung mit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) - geltend gemacht werden muß, wenn der Steuerpflichtige die Verwertung der durch die Prüfung erlangten Ergebnisse verhindern will. Bei der Mitteilung von Steuerrückständen eines Gewerbetreibenden an die Gewerbeaufsichtsbehörde handelt es sich dagegen nicht um einen Verwaltungsakt, der in einem bestimmten dafür vorgesehenen Verfahren angefochten werden muß. Die Frage einer Verletzung des Steuergeheimnisses kann deshalb, wie das BVerwG in DVBl 1982, 694 entschieden hat, noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Gewerbeuntersagung überprüft werden, ohne daß es dafür einer vorausgehenden Feststellungsklage vor dem FG bedarf.

Die Rechtsprechung erkennt unter bestimmten Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Feststellung auch dann an, wenn - wie im Streitfall - die im Rahmen der Feststellungsklage zu entscheidende Rechtsfrage für eine auf einem anderen Rechtsweg zu erhebende Leistungsklage eine erhebliche Vorfrage darstellt, über die auch das andere Gericht selbständig entscheiden könnte. So wird das Feststellungsinteresse an der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts für die Fortsetzungsfeststellungsklage bejaht, wenn die beantragte Entscheidung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verfahren vor Zivilgerichten von Bedeutung ist, sofern die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Tz. 19, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH und des BVerwG). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob entsprechende Voraussetzungen - Erheblichkeit der vorliegenden Feststellungsklage für das Gewerbeuntersagungsverfahren, Anhängigkeit oder Wahrscheinlichkeit und Erfolgsaussichten eines Verwaltungsgerichtsprozesses über die Gewerbeuntersagung - auch im Streitfall vorliegen und deshalb das Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen wäre.

Der Streitfall unterscheidet sich von dem Fall der (beabsichtigten) Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs dadurch, daß es für den letzteren in der Regel eines weiteren Prozesses bedarf und deshalb das berechtigte Interesse an der Feststellungsklage nicht ohne weiteres gegeben ist. Der Kläger könnte aber, wenn seine Feststellungsklage Erfolg hätte, sein weitergehendes Rechtsschutzziel, die Aufhebung der Gewerbeuntersagung, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne die Durchführung eines Verwaltungsgerichtsprozesses erlangen. Denn nach § 35 Abs. 6 GewO ist dem Gewerbetreibenden von der zuständigen Behörde die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit nicht mehr vorliegt. Es ist davon auszugehen, daß die Gewerbeaufsichtsbehörde dem Kläger die Ausübung des Gewerbes wieder gestatten würde, wenn auf die vorliegende Klage hin rechtskräftig festgestellt würde, daß das FA zu der Mitteilung über die Steuerrückstände nicht befugt war, weil diese dann als Grundlage für die Unzuverlässigkeit des Klägers nicht hätten verwertet werden dürfen. Das berechtigte Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung kann demnach nicht deshalb verneint werden, weil die Frage der Verletzung des Steuergeheimnisses auch in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Gewerbeuntersagung zu prüfen wäre. Zu einem Verwaltungsgerichtsprozeß würde es bei einem Erfolg der Feststellungsklage voraussichtlich nicht mehr kommen.

II. Bei den Steuerrückständen des Klägers handelt es sich um Verhältnisse eines anderen, die dem FA in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekanntgeworden sind und die deshalb dem Steuergeheimnis unterliegen (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO 1977). Die Offenbarung dieser Kenntnisse gegenüber den Gewerbeaufsichtsbehörden war nur zulässig, soweit sie durch die Regelungen in § 30 Abs. 4 AO 1977 gedeckt war.

1. Das FG hat mit Recht entschieden, daß das FA nicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 zu der streitbefangenen Mitteilung befugt war. Danach ist die Offenbarung zulässig, soweit sie der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen sowie eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AO 1977) dient. Diese Vorschrift soll sicherstellen, daß die Finanzbehörden und FG und die mit Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten befaßten Gerichte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht durch das Steuergeheimnis behindert werden (BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694, 697; Pfaff, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1976, 355, 356). Die Regelung ermächtigt aber die Finanzbehörden nicht, den Gewerbebehörden im Rahmen eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens Auskünfte zu erteilen. Das gewerberechtliche Untersagungsverfahren ist keiner der vorerwähnten Verfahrensarten zuzurechnen. Es ist insbesondere kein Verwaltungsverfahren in Steuersachen, da mit ihm keine steuerlichen Befugnisse wahrgenommen und keine steuerlichen Pflichten durchgesetzt werden sollen. Das gilt auch dann, wenn dieses Verfahren - wie im Streitfall - auf Anregung des FA betrieben wird. Daß die Gewerbeuntersagung die Aufgaben der Finanzbehörden erleichtert und damit im steuerlichen Interesse liegt, reicht für die Anwendung der Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 nicht aus.

Wie das BVerwG in seinem Urteil in DVBl 1982, 694, 696 ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 ("Der Durchführung eines Verfahrens ... dient"), daß die Durchbrechung des Steuergeheimnisses nach dieser Regelung einen unmittelbaren funktionalen Zusammenhang zwischen der Offenbarung und der Verfahrensdurchführung verlangt. Dieser unmittelbare funktionale Zusammenhang zwischen der Offenbarung der dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse und der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens fehlt bei den hier interessierenden Mitteilungen an die Gewerbebehörden, weil diese unmittelbar nur die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden i. S. des § 35 Abs. 1 GewO belegen und der Gewerbeuntersagung dienen sollen. Soweit den Finanzbehörden "die beabsichtigte Gewerbeuntersagung als geeignetes und erforderliches Mittel erscheint, die künftige Verletzung steuerrechtlicher Pflichten zu unterbinden, insbesondere das Anwachsen weiterer Steuerrückstände zu verhindern" (so der Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 25. Juni 1981 IV A 7 - S 0130 - 35/81 unter Tz. 3.2.1, BStBl I 1981, 500, 501), dienen ihre Mitteilungen an die Gewerbebehörden allenfalls mittelbar einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen. Dasselbe gilt, soweit durch die Offenbarung das Gewerbeuntersagungsverfahren als Druckmittel eingesetzt werden soll, um einen Gewerbetreibenden in einem konkreten steuerlichen Verfahren zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten anzuhalten. Das Gewerbeuntersagungsverfahren nach § 35 GewO ist ein eigenständiges wirtschaftsverwaltungsrechtliches Verfahren, das nicht unmittelbar der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen dient. Es dient somit auch nicht, wie die Revision meint, der Durchführung des steuerlichen Vollstreckungsverfahrens; dieses ist abschließend im Sechsten Teil der AO 1977 geregelt. Der Senat folgt deshalb der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 die Finanzbehörden nicht zur Offenbarung der Steuerrückstände eines Gewerbetreibenden im Rahmen eines Gewerbeuntersagungsverfahrens befugt (BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694; OVG Hamburg, Urteil in DB 1981, 90; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 30 AO 1977 Tz. 43; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 30 Anm. 4 a; Koch/Crüwell, Die Steuerberatung, 1979, 162, 163; anderer Ansicht: die Finanzverwaltung im Einführungserlaß zur AO 1977, Nr. 7 zu § 30, BStBl I 1976, 576, 580, und im BMF-Erlaß in BStBl I 1981, 500, 501; ebenso Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 30 Anm. 18).

2. Auch eine Offenbarungsbefugnis des FA nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 (durch Gesetz ausdrücklich zugelassen) oder Nr. 3 AO 1977 (Zustimmung des Betroffenen) kam im Streitfall nicht in Betracht. Eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis zur Mitteilung steuerrechtlicher Verhältnisse an die Gewerbeuntersagungsbehörden ergibt sich weder aus § 35 GewO noch aus anderen gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger hat auch einer solchen Offenbarung nicht zugestimmt. Aus der Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Auskunftserteilung im Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 3 Buchst. a GewO kann nicht auf eine generelle Zustimmung zur Offenbarung seiner steuerlichen Verhältnisse geschlossen werden (vgl. OVG Hamburg, Urteil in DB 1981, 90; Koch/Crüwell, a. a. O., 1979, 162, 163; Goll, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 90, 92). Da das Gewerbeuntersagungsverfahren kein Strafverfahren ist, scheidet ferner die Anwendung des § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO 1977 aus.

3. Dagegen kann eine Befugnis des FA zur Mitteilung der Steuerrückstände des Klägers an die Gewerbeaufsichtsbehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 nicht, wie das FG meint, von vornherein ausgeschlossen werden.

a) Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 ist die Offenbarung der dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse eines anderen zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Unter dieser Voraussetzung wurde bereits unter der Geltung des § 22 AO eine Offenbarungsbefugnis angenommen, worin Tipke/Kruse (Reichsabgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 22 AO Tz. 14; Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 30 AO 1977 Tz. 61) die "Achillesferse des Steuergeheimnisses" sehen. Der erkennende Senat hat zur alten Rechtslage entschieden, daß ein zwingendes öffentliches Interesse nur dann anzunehmen ist, wenn im Falle des Unterbleibens der Mitteilung die Gefahr besteht, daß schwere Nachteile für das allgemeine Wohl des Bundes, eines Landes oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft eintreten (Urteil vom 30. März 1965 VII 333/64, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 22, Rechtsspruch 9, HFR 1965, 381). An dieser Begriffsbestimmung kann auch nach der Neuregelung des Steuergeheimnisses durch die AO 1977 grundsätzlich festgehalten werden. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 führt nunmehr unter den Buchst. a bis c beispielhaft ("namentlich") drei Fallgruppen auf, bei deren Vorliegen ein zwingendes öffentliches Interesse für die Offenbarung gegeben ist. Die gesetzlichen Beispielsfälle bieten einen zusätzlichen Anhaltspunkt dafür, unter welchen Voraussetzungen schwere Nachteile für das allgemeine Wohl zu erwarten sind (vgl. BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694, 697; Ehlers, Betriebs-Berater - BB - 1977, 1361, 1365; Goll, NJW 1979, 90, 93; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 30 AO 1977 Tz. 61). Aus der Gewichtigkeit der angeführten Beispielsfälle (Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen, Verfolgung schwerer Wirtschaftsstraftaten und Erforderlichkeit der Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern) folgt, daß über sie hinaus nur in Ausnahmefällen von ähnlicher Gewichtung ein zwingendes öffentliches Interesse an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses angenommen werden darf (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 30 AO 1977, Tz. 61; Ehlers, BB 1977, 1361, 1365; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 30 AO 1977 Anm. 80, 82).

Wie sich aus den gesetzlichen Voraussetzungen für die Offenbarungsbefugnis im Zusammenhang mit der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b AO 1977) ergibt, ist ein schwerer Nachteil für das allgemeine Wohl, der eine Auskunftserteilung wegen zwingendem öffentlichen Interesse gestattet, insbesondere dann anzunehmen, wenn die Gefahr einer erheblichen Störung der wirtschaftlichen Ordnung oder die Gefahr einer Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden zu besorgen ist. Das BVerwG (DVBl 1982, 694, 697) hat - wie zuvor schon das OVG Hamburg (DB 1981, 90, 91) - entschieden, daß eine solche Situation auch im Falle der steuerlichen Unzuverlässigkeit von Gewerbetreibenden gegeben sein kann, und deshalb die Mitteilung erheblicher Steuerschulden durch das FA an die Gewerbebehörde im Rahmen eines Gewerbeuntersagungsverfahrens für zulässig angesehen. Es hat ausgeführt, die Tätigkeit eines einzelnen unzuverlässigen Gewerbetreibenden werde zwar nur in seltenen Fällen geeignet sein, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören. Wäre es aber der Gewerbebehörde verwehrt, im Rahmen des Untersagungsverfahrens auf die Erkenntnisse der Finanzbehörde zurückzugreifen, so könnten in einer Vielzahl von Fällen unzuverlässige Gewerbetreibende nicht von weiterer gewerblicher Tätigkeit ausgeschlossen werden. Diese über den Einzelfall hinausreichende Wirkung einer Verpflichtung der Finanzbehörde zur Auskunftsverweigerung würde eine erhebliche Störung der wirtschaftlichen Ordnung darstellen. Das öffentliche Interesse an der Offenbarung werde durch die Tatsache begründet, daß eine wirksame Anwendung des § 35 GewO zu einem erheblichen Teil von der Offenbarungsbefugnis der Finanzbehörde abhänge. Wenn die Finanzbehörde als Informationsquelle ausfalle, könne das öffentliche Interesse an der Eliminierung unzuverlässiger Gewerbetreibender weitgehend nicht befriedigt werden. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung sei demnach dann zu bejahen, wenn sich aus den zu offenbarenden Tatsachen ergebe, daß der Gewerbetreibende unzuverlässig und die Gewerbeuntersagung nach den Grundsätzen des § 35 GewO erforderlich sei.

Der erkennende Senat schließt sich der vorstehend wiedergegebenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Eine Unzuverlässigkeit in diesem Sinne kann auch dann vorliegen, wenn der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, insbesondere, die sich auf den Betrieb gründenden Steuern nicht entrichtet. Hierfür ist ein Verschulden nicht erforderlich; die Unzuverlässigkeit kann vielmehr allein durch die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründet werden (BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694, 695, 696). Auch bei steuerlicher Unzuverlässigkeit ist die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO jedenfalls zum Schutze der Allgemeinheit in der Regel erforderlich. Denn ein Gewerbetreibender, der seine Steuern nicht entrichtet, verschafft sich auf Kosten der Allgemeinheit Wettbewerbsvorteile gegenüber den steuerlich zuverlässigen Mitbewerbern. Die auch in diesem Falle im öffentlichen Interesse gebotene Gewerbeuntersagung setzt aber zwingend voraus, daß die Gewerbebehörde vom FA über die Tatsachen informiert wird, aus denen sich die steuerliche Unzuverlässigkeit ergibt. Würde im Hinblick auf die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses eine Befugnis des FA zur Auskunftserteilung im gewerberechtlichen Untersagungsverfahren verneint, so würde das Rechtsinstitut der Gewerbeuntersagung in einem wesentlichen Bereich leerlaufen, da die steuerliche Unzuverlässigkeit überhaupt keine Berücksichtigung mehr finden könnte. Wegen der Vielzahl derartiger Tatbestände, bei denen die Gewerbebehörde zur Untätigkeit gezwungen wäre, ergäbe sich für diesen Fall - wie das BVerwG mit Recht ausgeführt hat - die Gefahr einer erheblichen Störung der wirtschaftlichen Ordnung. Ferner bestünde die Gefahr, daß das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs und auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden erschüttert würde, da die steuerliche Unzuverlässigkeit ohne gewerberechtliche Ahndung bliebe. Es liegt demnach im zwingenden öffentlichen Interesse, den Finanzbehörden die Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse, die für ein gewerberechtliches Untersagungsverfahren erheblich sind, gegenüber den Gewerbebehörden zu gestatten (ebenso - neben dem BVerwG und dem OVG Hamburg -: OVG Münster, Urteil in DÖV 1972, 58; Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 30 Anm. 54; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 30 Anm. 4 e; Kröger, Finanz-Rundschau - FR - 1971, 92; einschränkend: Goll, NJW 1979, 90, 96; anderer Ansicht: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 30 AO 1977 Tz. 68).

Zu dieser Beurteilung gelangt der Senat insbesondere unter Berücksichtigung der auch vom BVerwG herangezogenen geschichtlichen Entwicklung der Vorschriften über die Gewerbeuntersagung und das Steuergeheimnis. Die AO enthielt bis zum Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 in § 198 eine Vorschrift, die den Finanzbehörden das Recht gab, bei steuerlicher Unzuverlässigkeit einem Steuerpflichtigen die Fortsetzung des Betriebs zu verbieten. Diese Vorschrift wurde durch § 162 FGO unter anderem wegen bestehender Zweifel über die daneben bestehende Anwendbarkeit des § 35 GewO bei steuerlicher Unzuverlässigkeit aufgehoben (Begründung zum Entwurf einer FGO, BT-Drucks. IV/1446, S. 62 zu Nr. 29). Der Gesetzgeber ging demnach bei der Abschaffung des § 198 AO davon aus, daß steuerliche Unzuverlässigkeit die Grundlage für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO bilden könne. Dies setzt aber voraus, daß die Tatsachen, die diese steuerliche Unzuverlässigkeit begründen, den für die Gewerbeuntersagung zuständigen Behörden mitgeteilt werden konnten, was unter der Geltung des § 22 AO allgemein angenommen wurde. Wie das BVerwG (DVBl 1982, 694, 698) zutreffend ausführt, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschrift über das Steuergeheimnis daran gedacht hat, die in Rede stehenden Auskünfte zu verhindern und damit eine Gewerbeuntersagung wegen steuerlicher Unzuverlässigkeit praktisch unmöglich zu machen.

b) Die Finanzbehörden sind aber nicht generell zur Offenbarung steuerlicher Verhältnisse gegenüber den Gewerbebehörden befugt (vgl. Koch/Crüwell, a. a. O., 1979, 162, 164). Ihre Mitteilungsbefugnis beschränkt sich auf diejenigen Tatsachen, aus denen sich eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden i. S. des § 35 Abs. 1 GewO ergibt. Das FA muß insoweit eine Vorbeurteilung vornehmen (BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694, 697), insbesondere wenn - wie im Streitfall - die Anregung zur Gewerbeuntersagung von ihm ausgeht. Ferner darf die Mitteilung allein der Durchführung des gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens dienen. Deshalb sind für die Beurteilung des zwingenden öffentlichen Interesses an der Offenbarung die Beeinträchtigung der allgemeinen Steuermoral und die Einnahmeausfälle des Staates nicht ausschlaggebend. Denn durch das Gewerbeuntersagungsverfahren sollen unzuverlässige Gewerbetreibende zum Schutz der Allgemeinheit und ihrer Arbeitnehmer von der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ausgeschlossen werden; das Verfahren hat aber nicht die Aufgabe, dem Besteuerungsinteresse des Staates zu dienen (vgl. BVerwG-Urteil in DVBl 1982, 694, 697). Folglich sind Mitteilungen über Steuerrückstände an die Gewerbebehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 nicht zulässig, wenn sie dem FA lediglich als Druckmittel dienen, den Gewerbetreibenden zur Zahlung seiner Steuern anzuhalten.

Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von Steuerrückständen gegenüber den Gewerbebehörden kann demnach nur anerkannt werden, soweit es sich um Steuern handelt, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen. Denn die Unzuverlässigkeit i. S. des § 35 Abs. 1 GewO muß "in bezug auf dieses Gewerbe" gegeben sein. Die Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 ist deshalb hinsichtlich derjenigen Steuern gegeben, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Gewerbes gründet (vgl. §§ 74, 75 AO 1977). Bei den Personensteuern (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer) kann nicht ohne weiteres von dem erforderlichen Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes ausgegangen werden. Ein solcher kann aber nach den Umständen des Einzelfalles auch hier bestehen, so insbesondere dann, wenn die Nichtentrichtung dieser Steuern dafür ursächlich ist, daß der Gewerbetreibende seine Preise günstiger als sein Mitbewerber kalkuliert und er sich auf diese Weise Wettbewerbsvorteile verschafft hat.

Die Mitteilung im Gewerbeuntersagungsverfahren kommt demnach insbesondere für Steuerrückstände bei der Lohnsteuer und der Umsatzsteuer des Betriebes und für den Fall der wiederholten Nichterfüllung betrieblicher Steuererklärungspflichten in Betracht (vgl. Kröger, FR 1971, 92, 95). Ferner ist zu beachten, daß von einer steuerlichen Unzuverlässigkeit, die aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigt, nur dann die Rede sein kann, wenn die bestehenden Steuerrückstände sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur steuerlichen Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Hierbei ist auch die Zeitdauer zu berücksichtigen, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.

III. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Der Senat kann über die Revision nicht abschließend entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen darüber enthält, von welcher Art die Steuerrückstände waren, die das FA den Gewerbeaufsichtsbehörden mitgeteilt hat. Es fehlen auch Angaben über das Verhältnis der rückständigen Steuern zur Gesamtsteuerbelastung des Klägers und über die Dauer seiner Säumigkeit. Die Sache war deshalb an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung die nach den vorstehenden Absätzen erforderlichen Feststellungen zu treffen und sie nach der Rechtsauffassung des Senats zu würdigen haben.