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BFH-Urteil vom 26.2.1987 (IV R 26/85) BStBl. 1987 II S. 579

Im Falle der gewerbesteuerlichen Organschaft muß der negative Gewerbeertrag einer Organgesellschaft mit einem Rumpfwirtschaftsjahr vor Übernahme durch den Organträger auf einen (negativen) Jahresbetrag umgerechnet werden.

GewStG vor 1986 § 10 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1985, 189)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG & Co. KG, und ihre zahlreichen Organgesellschaften stellten mit Zustimmung der zuständigen Finanzämter ihre Wirtschaftsjahre übereinstimmend vom Kalenderjahr auf den Zeitraum 1. Juli bis 30. Juni um. Für 1980 entstanden dadurch Rumpfwirtschaftsjahre. Innerhalb dieser Rumpfwirtschaftsjahre ergaben sich unter Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen für die Klägerin und vier Organgesellschaften positive Gewerbeerträge, für acht Organgesellschaften negative Gewerbeerträge. Um den Gewerbeertrag des Organkreises für 1980 zu ermitteln, rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die positiven Gewerbeerträge der Rumpfwirtschaftsjahre auf das Kalenderjahr um; dagegen berücksichtigte er die negativen Gewerbeerträge ohne eine derartige Umrechnung nur mit den tatsächlich im Rumpfwirtschaftsjahr erwirtschafteten Beträgen. Hierdurch ergab sich für den Organkreis ein höherer positiver Gewerbeertrag.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß auch die negativen Gewerbeerträge der Organgesellschaften auf das Kalenderjahr umgerechnet werden müßten. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 189 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 10 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes a. F. (GewStG).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; das FG hat den Gewerbesteuermeßbetrag zutreffend ermittelt.

1. Wie sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG 1978 ergibt, unterliegt grundsätzlich jede Kapitalgesellschaft mit ihrer Tätigkeit der Gewerbesteuer. Hiervon macht § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG eine Ausnahme für den Fall, daß eine Kapitalgesellschaft nach Art einer Organgesellschaft in ein anderes inländisches Unternehmen eingegliedert ist und die Voraussetzungen des § 14 Nrn. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt sind; alsdann gilt die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers. Dies hat allerdings nicht zur Folge, daß für Organträger und Organgesellschaft ein gemeinschaftliches Ergebnis und ein gemeinschaftlicher Gewerbeertrag zu ermitteln wären. Vielmehr muß der Gewerbeertrag für die beteiligten Unternehmen gesondert ermittelt, dann aber beim Organträger zu einem einheitlichen Gewerbeertrag zusammengeführt werden; der hieraus gewonnene Gewerbesteuermeßbetrag ist alsdann zwischen Organträger und Organgesellschaften so zu verteilen, als seien die Organgesellschaften Betriebsstätten des Organträgers (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; vom 5. Mai 1977 IV R 186/72, BFHE 122, 310, BStBl II 1977, 701).

Im Rahmen der beim Organträger vorzunehmenden Zusammenrechnung ist auch ein negativer Gewerbeertrag (Gewerbeverlust) eines beteiligten Unternehmens zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich ein geringerer Gewerbesteuermeßbetrag als er bei einer gesonderten Heranziehung der organschaftlich verbundenen Unternehmen entstanden wäre; in diesem Fall wären die Unternehmen mit negativem Gewerbeertrag zwar nicht zur Gewerbesteuer herangezogen worden, doch hätte sich ihr Gewerbeverlust auf die Gewerbesteuer der Unternehmen mit positivem Gewerbeertrag nicht ausgewirkt.

2. Bei der Berechnung des Gewerbeertrags für die verbundenen Unternehmen muß auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß Bemessungszeitraum für den Gewerbeertrag das Kalenderjahr ist (§ 10 Abs. 1, § 14 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1978), daß aber der für den Gewerbeertrag maßgebende steuerliche Gewinn für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ermittelt werden kann (§ 4 a Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Bei dieser Gestaltung wird der Gewerbeertrag für das abweichende Wirtschaftsjahr ermittelt und gilt als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das abweichende Wirtschaftsjahr endet (§ 10 Abs. 2 GewStG 1978).

Ein zusätzliches Problem ergibt sich, wenn ein bisher mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr auf einen abweichenden Zeitraum umgestellt wird. Alsdann entsteht im Umstellungsjahr ein weniger als 12 Monate umfassendes Rumpfwirtschaftsjahr. Wird der Gewerbeertrag für das Kalenderjahr als Bemessungszeitraum des Gewerbeertrags nach diesem verkürzten Zeitraum ermittelt, würde sich daraus für das Umstellungsjahr eine Gewerbesteuereinbuße ergeben. Um diesen Ausfall zu verhindern, sieht § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1978 vor, daß das gewerbesteuerliche Ergebnis des Rumpfwirtschaftsjahres auf ein volles Kalenderjahr umgerechnet wird und daß hieraus durch Anlegung der Steuermeßzahlen des § 11 GewStG 1978 der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag ermittelt wird.

Dies gilt grundsätzlich auch für einen negativen Gewerbeertrag des Rumpfwirtschaftsjahres. Da sich jedoch der Betrag durch die Umrechnung auf ein Kalenderjahr nur noch vergrößern kann, die Anlegung der Steuermeßzahlen auf einen negativen Betrag und die Festsetzung eines negativen Gewerbesteuermeßbetrags im Gesetz aber nicht vorgesehen ist, kann auf die Umrechnung in aller Regel verzichtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1970 I R 27/69, BFHE 100, 534, BStBl II 1971, 145). Entgegen der Auffassung des FA ist die Umrechnung auf ein negatives Jahresergebnis aber deswegen nicht generell ausgeschlossen. So folgt aus § 8 Nr. 9 GewStG 1978, daß bestimmte Spenden dem Gewerbeertrag wieder hinzuzusetzen sind. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 GewStG 1978 sind diese Spenden aber von der Umrechnung ausgeschlossen, müssen also in tatsächlicher Höhe dem umgerechneten Gewerbeertrag hinzugesetzt werden; in diesem Fall kann zuweilen erst nach Umrechnung des übrigen negativen Gewerbeertrags auf ein Jahresergebnis entschieden werden, ob sich nach der Hinzurechnung insgesamt ein positiver oder negativer Gewerbeertrag ergibt und es zur Gewerbesteuerfestsetzung kommt.

3. Die Umrechnungsvorschrift ist auch bei der Berechnung der Gewerbeerträge der organschaftlich verbundenen Unternehmen vor der Zusammenrechnung beim Organträger zu beachten. Deshalb muß im Umstellungsjahr bei einem verbundenen Unternehmen der positive Gewerbeertrag eines Rumpfwirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr umgerechnet und in diesem Umfang beim Organträger berücksichtigt werden. Dies ist auch für einen negativen Gewerbeertrag erforderlich. Denn bei der gebotenen Zusammenrechnung der Gewerbeerträge beim Organträger sind auch negative Erträge der verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen. Wie hervorgehoben, gewinnt dadurch - anders als im Falle der Einzelveranlagung - der negative Gewerbeertrag Einfluß auf den festzusetzenden Steuermeßbetrag. Es liegt in der Konsequenz dieses Vorgehens, daß nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Erträge aus Rumpfwirtschaftsjahren der verbundenen Unternehmen zunächst auf das Kalenderjahr umgerechnet werden.

Demgegenüber will das FA die Umrechnung nur bei Organunternehmen mit positivem Gewerbeertrag im Rumpfwirtschaftsjahr vornehmen, bei negativem Gewerbeertrag aber nur das Ergebnis des Rumpfwirtschaftsjahrs beim Organträger berücksichtigen. Dies entspricht nicht dem Sinn der gewerbesteuerlichen Organschaft. Diese führt durch Saldierung positiver und negativer Ergebnisse der verbundenen Unternehmen dazu, daß gewerbesteuerlich die tatsächliche Ertragskraft des Organkreises zur Geltung kommt. Dieses Ziel muß auch bei der Umrechnung des Ergebnisses von Rumpfwirtschaftsjahren auf ein Jahresergebnis berücksichtigt werden. Wird bei einem Einzelunternehmen das gewerbesteuerliche Jahresergebnis nach der Ertragskraft im Rumpfwirtschaftsjahr bemessen, muß Entsprechendes auch im Fall der gewerbesteuerlichen Organschaft geschehen und dementsprechend der negative Gewerbeertrag im Rumpfwirtschaftsjahr eines verbundenen Unternehmens auf das Kalenderjahr umgerechnet werden. Dazu bedarf es nicht, wie das FA meint, eines Rückgriffs auf die von der Rechtsprechung verworfene Einheits- oder Filialtheorie. Vielmehr müssen die verbundenen Unternehmen lediglich dem gesetzlichen Auftrag folgen, auch den negativen Ertrag eines Rumpfwirtschaftsjahres gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1978 in einen Jahresertrag umzurechnen.

In entsprechender Weise müßte verfahren werden, wenn in einem Kalenderjahr mehrere Wirtschaftsjahre enden. Dazu kann es kommen, wenn ein abweichendes Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr umgestellt wird. In diesem Fall können im Umstellungsjahr das letzte abweichende Wirtschaftsjahr und ein Rumpfwirtschaftsjahr enden; hieraus würde sich beim Gewerbeertrag eine Bemessungsgrundlage aus einem Zeitraum von mehr als 12 Monaten ergeben. Die Umrechnungsvorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1978 bewirkt in diesem Fall, daß der überhöhte Gewerbeertrag auf den Ertrag eines Kalenderjahres umgerechnet wird (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1965 VI 172/64 S, BFHE 85, 289, BStBl III 1966, 315). Dies muß im Fall der gewerbesteuerlichen Organschaft auch hinsichtlich negativer Gewerbeerträge bei verbundenen Unternehmen geschehen. Die Auffassung des FA würde demgegenüber dahin führen, daß der negative Gewerbeertrag in voller Höhe berücksichtigt und dadurch die Ertragskraft des Kalenderjahres nicht richtig wiedergegeben wird.

Entsprechende Folgen ergeben sich nach dem GewStG 1978, wenn beim Beginn oder bei der Beendigung der gewerblichen Tätigkeit der Ertrag nach einem Wirtschaftsjahr von weniger als 12 Monaten, bei der Beendigung ggf. auch nach einem Ergebnis von mehr als 12 Monaten errechnet werden muß. § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1978 sieht auch in diesen Fällen die Umrechnung auf einen Jahreswert vor. Der danach ermittelte Gewerbesteuermeßbetrag wird schließlich auf die Dauer der Gewerbesteuerpflicht im Kalenderjahr gekürzt (§ 11 Abs. 7 GewStG 1978 i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979 - StÄndG -); nur in diesem Umfang wirkt sich der zuvor ermittelte Gewerbeertrag steuerlich aus. Das muß auch im Fall der Organschaft berücksichtigt werden. Beginnt oder beendet ein Organunternehmen seine gewerbliche Tätigkeit unter den beschriebenen Umständen, muß auch sein negativer Gewerbeertrag umgerechnet, entsprechend der Dauer der Steuerpflicht gekürzt und beim Organträger zum Ausgleich gebracht werden. Der Abzug eines negativen Gewerbeertrags ohne Umrechnung ist damit nicht vereinbar; es ist nicht ersichtlich, wie in diesem Fall der jahresanteilig verkürzten Steuerpflicht des Organunternehmens Rechnung getragen werden kann.

Dem FA ist einzuräumen, daß die Umrechnung der negativen, aber auch bereits der positiven Gewerbeerträge, wie sie § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1978 vorsieht, zu unübersichtlichen Verhältnissen führt und nicht gewährleistet, daß sich die Gewerbesteuerbelastung an dem über die Lebensdauer des Unternehmens erzielten Gewerbeertrag ausrichtet. Im Hinblick darauf sind die Vorschriften über die Umrechnung in § 10 Abs. 3 GewStG 1978 und die Kürzung des Steuermeßbetrags bei Beginn und Ende der Steuerpflicht während des Kalenderjahres (§ 11 Abs. 7 GewStG 1978 i. d. F. des StÄndG 1979, § 11 Abs. 6 GewStG 1984) durch Art. 10 Nr. 7 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436) aufgehoben worden. Maßgebend ist nunmehr der Gewerbeertrag des oder der im Kalenderjahr endenden Wirtschaftsjahres, mag sich daraus auch ein Zeitraum von weniger oder mehr als 12 Monaten ergeben.

4. Das vom FG angewendete Verfahren läßt sich auch mit dem in § 10 a GewStG 1978 vorgesehenen Verlustabzug vereinbaren, der im Falle der gewerbesteuerlichen Organschaft bei der Organgesellschaft vorzunehmen ist (BFH-Urteil vom 2. März 1983 I R 85/79, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427). Für einen derartigen Verlustabzug kommen nur die nicht schon beim Organträger ausgeglichenen Beträge in Betracht. Deswegen muß entschieden werden, wie der beim Organträger verbliebene negative Gewerbeertrag wieder auf die verlustbringenden Organgesellschaften aufgeteilt wird. Diese Frage stellt sich aber unabhängig davon, ob der negative Gewerbeertrag einer Organgesellschaft erst nach Umrechnung beim Organträger berücksichtigt wurde. Sie tritt im Streitfall nicht auf, weil sich beim Organträger nach Ausgleich der negativen Erträge noch ein positiver Gewerbeertrag ergab.