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BFH-Urteil vom 29.4.1987 (II R 262/83) BStBl. 1987 II S. 594

Eine Errichtung in Bauabschnitten ist gegeben, wenn ein baurechtlich genehmigtes Gebäude, einschließlich des Innenausbaus, nicht in zusammenhängender Bauentwicklung im planmäßig vorgesehenen Umfang bezugsfertig erstellt wird und die Unterbrechung der Bautätigkeit nicht nur technisch bedingt ist oder nicht nur vorübergehend erfolgt. Es kommt nicht darauf an, wie die Bauplanung und die Baugenehmigung lauten, sondern darauf, wie die Planung in die Tat umgesetzt wird. Persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

BewG § 74 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben im Jahre 1977 ein Fertighaus errichtet. Dieses enthält eine Haupt- und eine sog. Einliegerwohnung. Die Hauptwohnung bezogen sie im Oktober 1977. Den Ausbau der Einliegerwohnung erbrachten sie in Eigenleistung. Die Fertigstellung dieser Wohnung hat sich verzögert, da der Kläger beruflich stark beansprucht war. Noch am 14. Februar 1980 wurde durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) bei einer Ortsbesichtigung festgestellt, daß sich an den Wänden und der Decke der Einliegerwohnung nur unverputzte bzw. untapezierte Gipskartonplatten befanden und die Fußböden nur aus blankem Betonboden bestanden. Es waren im Bad weder der Estrich verlegt noch die sanitären Einrichtungen installiert.

Das FA bewertete das Grundstück mit Bescheid vom 12. November 1980 auf den 1. Januar 1978 als Einfamilienhaus, da es nur eine Wohnung enthalte. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrten die Kläger die Grundstücksart "Zweifamilienhaus", hilfsweise "unbebautes Grundstück" festzustellen. Die Gesamtplanung habe ein Zweifamilienhaus vorgesehen. Dies sei auch verwirklicht worden. Am 1. Januar 1978 sei im Flur der Einliegerwohnung der Marmorfußboden verlegt gewesen. Alle übrigen Räume, mit Ausnahme des Badezimmers, hätten einen Estrich gehabt. Für das Bad sei ein solcher nicht vorgesehen gewesen. Der fehlende Fußbodenbelag, die noch nicht fertigmontierten Sanitärobjekte sowie die noch nicht angeschlossene Küchenspüle und der nicht angeschlossene Herd schlössen die Bezugsfertigkeit nicht aus. Insoweit handle es sich um geringfügige Restarbeiten im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 1980 III R 46/78 (BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152). Sollte die Einliegerwohnung dagegen als noch nicht bezugsfertig angesehen werden, so sei das ganze als Zweifamilienhaus geplante Gebäude noch nicht fertiggestellt. Das Grundstück sei dann als "unbebautes Grundstück" zu bewerten. In Bauabschnitten sei das Haus nicht errichtet worden. Dies sei von Anfang an nicht geplant gewesen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen Verletzung der §§ 72, 74 und 75 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß das Grundstück der Kläger als Einfamilienhaus zu bewerten ist.

Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG), Zweifamilienhäuser solche, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Zahl der geplanten, sondern auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Wohnungen an. Nach der zutreffenden Auffassung des FG enthielt das Wohngrundstück der Kläger zum 1. Januar 1978, dem hier streitigen Stichtag, nur eine Wohnung.

Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend (§ 72 Abs. 1 Satz 3 BewG). Ob jemandem zugemutet werden kann, eine Wohnung zu beziehen, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden. Eine Wohnung kann im allgemeinen dann als bezugsfertig angesehen werden, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt sind. Dazu gehört u. a., daß die sanitären Einrichtungen vorhanden sind. Unerheblich ist, wenn noch geringfügige Restarbeiten ausstehen, da derartige Maßnahmen bei einer Mietwohnung vielfach erst unmittelbar vor dem Einzug vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152). Um solche geringfügige Restarbeiten handelt es sich im Streitfall nicht. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, da zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht geltend gemacht worden sind (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), waren zum streitigen Stichtag (1. Januar 1978) in der Einliegerwohnung die sanitären Einrichtungen noch nicht angeschlossen. Das Beziehen einer solchen Wohnung war danach objektiv nicht zumutbar. Das FG konnte es daher schon deswegen zu Recht dahingestellt sein lassen, ob und in welchem Umfang noch andere Ausbauarbeiten durchzuführen waren.

Auch der Umstand, daß, wie die Kläger vortragen, nach der Gesamtplanung ein Zweifamilienhaus vorgesehen gewesen sei, steht der Bewertung als Einfamilienhaus zum maßgeblichen Stichtag nicht entgegen.

Nach § 74 Satz 1 BewG liegt ein "bebautes Grundstück" dann vor, wenn sich auf der wirtschaftlichen Einheit "Grundstück" (§ 70 Abs. 1 BewG) ein benutzbares Gebäude befindet.

Eine Sonderregelung enthält § 74 Satz 2 BewG. Danach ist bereits der fertiggestellte und bezugsfertige Teil als benutzbares Gebäude anzusehen, wenn ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet wird. Eine Errichtung in Bauabschnitten ist gegeben, wenn ein baurechtlich genehmigtes Gebäude nicht in zusammenhängender Bauentwicklung, d. h.: nicht in einem Zuge, im planmäßig vorgesehenen Umfang bezugsfertig erstellt wird. Daher ist unter "Bauabschnitt" nicht nur ein Baugeschehen zu verstehen, das äußerlich erkennbar ist (z. B. Errichtung eines Geschosses von geplanten zwei Geschossen); vielmehr ergibt sich aus § 74 Satz 2 BewG, daß auch der Innenausbau in diese Betrachtung mit einzubeziehen ist. Es kann nicht darauf ankommen, wie die Bauplanung und die Baugenehmigung lauten, sondern darauf, wie die Planung in die Tat umgesetzt wird. Der Grund für die abschnittsweise Baudurchführung ist unerheblich. Abschnittsweises Bauen liegt nicht vor, wenn die Unterbrechung der Bautätigkeit nur technisch bedingt ist (z. B. während der Frostperiode) oder nur vorübergehend erfolgt. Der Senat ist der Auffassung, daß nur diese, an objektiven Kriterien gemessene Auslegung dem Sinngehalt des § 74 Satz 2 BewG gerecht wird. Umstände einer nicht nur vorübergehenden Unterbrechung oder Verzögerung der Fertigstellung eines Gebäudes, deren Grund auf den persönlichen Verhältnissen eines Bauwilligen beruht, sind nicht zu berücksichtigen. Dadurch wird gewährleistet, daß die Einheitsbewertung eines Grundstücks nach den tatsächlichen Gegebenheiten und seinem Zustand zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt durchgeführt werden kann.

Im Streitfall war die Hauptwohnung bereits im Oktober 1977 bezugsfertig erstellt, während die Einliegerwohnung erst im Laufe des Jahres 1980 bezugsfertig wurde; der Kläger wollte diesen Bauabschnitt selbst fertigstellen. Da er beruflich stark beansprucht war, gelang ihm dies erst etwa 2 1/2 Jahre nach Bezugsfertigkeit der Hauptwohnung. Eine nur vorübergehende Unterbrechung oder Verzögerung des Ausbaus der zweiten Wohnung ist damit nicht mehr gegeben. Der Senat kommt zu diesem Schluß aus der ihm bekannten Tatsache, daß bei den gegebenen bautechnischen Möglichkeiten ein Zweifamilienhaus in einem erheblich kürzeren Zeitraum bezugsfertig errichtet werden kann (vgl. hierzu die Auffassung des FG Baden-Württemberg im Urteil vom 29. September 1983 I 60/81 - rechtskräftig -, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 1984, 333, die der Senat insoweit teilt).