| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 21.5.1987 (IV R 39/85) BStBl. 1987 II S. 628

Tritt der Gesellschafter einer KG ihm gegen die Gesellschaft zustehende Darlehensansprüche oder andere Geldforderungen an einen Dritten zur Ablösung einer Pflichtteilsverbindlichkeit ab und beläßt dieser die Beträge der KG weiterhin als Darlehen, bilden die entrichteten Zinsen für die KG Betriebsausgaben.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer KG, betreibt einen Großhandel. Sie bestand zunächst als OHG; Gesellschafter waren A und B; A verstarb am 9. Juli 1975. Er wurde von seiner Tochter, der Beigeladenen, beerbt, die später Kommanditistin der nunmehr als KG fortbestehenden Klägerin wurde. In der Folge machte die Ehefrau des Verstorbenen und Mutter der Beigeladenen ihren Pflichtteil geltend. Hierüber kam es am 21. Juli 1976 zwischen ihnen zu einer Vereinbarung. Danach wurde der Pflichtteilsanspruch unter Verzicht auf ein Sachverständigengutachten zum Wert der Gesellschaftsbeteiligung im Wege des Vergleichs auf 2,5 Mio. DM festgestellt. Ferner war bestimmt, daß die Beigeladene diesen Betrag aus ihrem Privatkonto und ihrem Kapitalsonderkonto zahlt und daß die Mutter der Beigeladenen hieraus mit Wirkung vom 1. Januar 1976 der Klägerin ein Darlehen von 2 Mio. DM gewährt. Gleichzeitig schloß die Mutter der Beigeladenen und Pflichtteilsberechtigte mit der Klägerin einen Darlehensvertrag, in dem Einzelheiten über die Verzinsung, die Rückzahlung und die Besicherung des Darlehens vereinbart waren.

In der Folge setzte die Klägerin die an die Mutter der Beigeladenen gezahlten Zinsen als Betriebsausgaben ab und behandelte das Darlehen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als betriebliche Verbindlichkeit. Nach einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) das Darlehen als private Verbindlichkeit der Kommanditistin an und versagte den Abzug der Zinsen und der Kapitalschuld bei der Klägerin; die Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1978 und der Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1977 wurden entsprechend berichtigt.

Die Klage zum Finanzgericht (FG) blieb erfolglos.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet. Die Klägerin kann die an die Mutter der Beigeladenen für die Zeit seit dem 21. Juli 1976 gezahlten Zinsen als Betriebsausgaben absetzen; die dem zugrunde liegende Verbindlichkeit mindert den Einheitswert ihres Betriebsvermögens zum 1. Januar 1977.

1. Entrichtete Schuldzinsen stellen wie andere Aufwendungen eines Unternehmers Betriebsausgaben dar, wenn sie betrieblich veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Ein derartiger Zusammenhang ist gegeben, wenn die zugehörige Verbindlichkeit auf einen betrieblichen Geschäftsvorfall zurückgeht, also mit der Erbringung und Verwertung betrieblicher Leistungen, insbesondere aber der Beschaffung von hierzu benötigtem Betriebsvermögen zusammenhängt. Der Zusammenhang besteht auch, wenn im Wege der Kreditaufnahme Mittel beschafft werden, um derartige Verbindlichkeiten abzulösen; das daraus entstehende Kreditverhältnis führt zu einer Betriebsschuld.

Darüber hinaus kann die Entstehung einer betrieblichen Verbindlichkeit ihre Ursache auch in der Verbindung des Unternehmens mit seinem Inhaber, vor allem dem Entnahme- und Einlageverhalten des Betriebsinhabers haben. Dieser bestimmt nämlich durch den Umfang der eigenen Mittel, die er dem Betrieb zu Beginn und während seiner weiteren Existenz zur Verfügung stellt, auch über das Ausmaß der Kredite, die für die betriebliche Betätigung des Unternehmens aufgenommen werden müssen. So ermöglicht die Einlage von Barmitteln in das Betriebsvermögen die Rückzahlung bestehender oder den Verzicht auf die Aufnahme neuer Kredite. Umgekehrt kann die Entnahme von Barmitteln aus dem Betriebsvermögen zur Aufnahme eines Kredits führen; denn jede Entnahme von Barmitteln hat entweder eine Verringerung der Geldguthaben oder eine Ausweitung der Kredite zur Folge.

Daß der Betriebsinhaber durch den Umfang seiner Einlagen und Entnahmen Einfluß auf die Höhe des künftigen Gewinns nimmt, muß, wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt, auch bei der Einkommensbesteuerung hingenommen werden. Deshalb sind grundsätzlich auch solche Kredite als Betriebsschulden anzusehen, die im Zusammenhang mit einer aus privaten Motiven veranlaßten Barentnahme aufgenommen werden müssen, um den Betrieb ungehindert fortzusetzen. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen einen Bankkontokorrentkredit auch insoweit als Betriebsschuld angesehen, als er durch Barentnahmen des Betriebsinhabers erhöht worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725). Unter Anknüpfung an eine frühere Entscheidung (Urteil des BFH vom 24. November 1967 VI R 71/66, BFHE 91, 37, BStBl II 1968, 177) hat er von dieser Betrachtung aber absehen wollen, wenn Barmittel nicht für den üblichen Lebensbedarf, sondern für eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs entnommen werden. Der VIII. Senat des BFH hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 258/80, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1985, 24).

2. Von diesen Grundsätzen ist auch auszugehen, wenn die Gesellschafter einer betrieblich tätigen Personengesellschaft Barmittel im Wege der Entnahme entziehen und die Gesellschaft deswegen ein Darlehen aufnehmen muß. Dies ist in Entscheidungen des IX. Senats und des erkennenden Senats zum Ausdruck gekommen (Urteile vom 20. März 1984 IX R 10/83, BFHE 140, 568, BStBl II 1984, 487; vom 24. Mai 1984 IV R 221/83, BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706). Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang auch eine Entnahme zur Tilgung von Einkommensteuerschulden der Gesellschafter, die im wesentlichen auf ihre Beteiligung an der Personengesellschaft zurückgingen, noch dem üblichen Lebensbedarf zugerechnet.

3. Der Streitfall unterscheidet sich von diesen Gestaltungen dadurch, daß es nicht zu einer Barentnahme durch die Beigeladene zu 1 als Kommanditistin der Klägerin gekommen ist. In der Vereinbarung vom 21. Juli 1976 war zwar vorgesehen, daß ein Betrag von 2 Mio. DM an die Beigeladene zu Lasten ihres Privatkontos und ihres Kapitalsonderkontos ausgezahlt werde und daß die Empfängerin diesen dem Unternehmen entzogenen Betrag der Klägerin als Darlehen gewährt. Wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG erkennen läßt, ist es aber zu einer Auszahlung an die Beigeladene und eine Rückzahlung durch die Mutter nicht gekommen. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß der Beigeladenen ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zustand, daß sie diesen Anspruch an ihre Mutter abgetreten hat und daß die Klägerin den Betrag anschließend als Darlehen schuldete.

Diese Darlehensschuld stellt für die Klägerin eine betriebliche Verbindlichkeit dar.

a) Hierbei kann offenbleiben, ob schon die Beigeladene gegenüber der Klägerin einen Darlehensanspruch hatte, den sie ihrer Mutter abgetreten hat.

Wie sich aus der angeführten Vereinbarung ergibt, wurden für die Beigeladene bei der Klägerin ein festes Kapitalkonto, ein variables Kapitalsonderkonto und ein Privatkonto geführt, das ein Guthaben für die Klägerin auswies. In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß zumindest das Guthaben auf dem Privatkonto, möglicherweise auch das Guthaben auf dem variablen Kapitalkonto, eine Darlehensforderung der Beigeladenen wiedergab (vgl. BFH-Urteile vom 3. Dezember 1980 II R 66/77, BFHE 132, 329, BStBl II 1981, 280; vom 27. Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211, m. w. N.). Insoweit bestand für die Klägerin bereits von vornherein eine Betriebsschuld und deshalb waren dafür gezahlte Zinsen Betriebsausgaben, mochten die entsprechende Forderung bei der Beigeladenen auch Sonderbetriebsvermögen und die Zinsen Sonderbetriebseinnahmen darstellen (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 15 Anm. 84a, mit Rechtsprechungsnachweisen). Mit ihrer Abtretung verlor die Darlehensforderung diese steuerliche Besonderheit und stellte für die Klägerin eine Verbindlichkeit wie andere Betriebsschulden dar (BFH-Urteil vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84, BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243). Daß auf die Aufrechterhaltung des Darlehens seitens der Mutter der Beigeladenen möglicherweise die Grundsätze für Verträge zwischen Familienangehörigen anzuwenden sind, weil die Beigeladene beherrschenden Einfluß auf die Klägerin hatte, kann dabei außer Betracht bleiben, weil die Darlehensbedingungen einer Vereinbarung zwischen Dritten entsprechen und das Darlehen insbesondere durch Grundschulden gesichert worden ist.

Ob der gesamte Darlehensbetrag vom Privatkonto der Beigeladenen abgebucht worden ist, steht allerdings nicht fest. Selbst wenn dies teilweise zu Lasten des Kapitalsonderkontos geschehen sein sollte und es sich dabei um gebundenes Eigenkapital handelte, wäre durch die Vereinbarung vom 21. Juli 1976 und die Verringerung dieses Einlagekontos doch ein Auszahlungsanspruch zugunsten der Beigeladenen geschaffen worden. Dieser Anspruch konnte nach dem Gesetz (§ 717 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und nach dem Zweck der Vereinbarung von der Beigeladenen abgetreten werden; die Klägerin würde den Auszahlungsbetrag nach der Abtretung als Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 BGB) schulden.

b) Da der Zahlungsanspruch bereits in der Hand der Beigeladenen bestand und schon zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin eine betriebliche Verbindlichkeit darstellte, ist unerheblich, aus welchem Anlaß die Beigeladene ihre Forderung an ihre Mutter abgetreten hat (vgl. BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243). Der Senat kann danach offenlassen, wie zu entscheiden wäre, wenn die Klägerin einen Bankkredit aufgenommen hätte, um ihrer Gesellschafterin eine Barentnahme zur Ablösung des Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen. Die Besonderheiten des Streitfalls würden eine abweichende Entscheidung auch dann rechtfertigen, wenn an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und die Verwendung der Mittel nicht dem üblichen Lebensbedarf zuzurechnen wäre.

4. Die an die Darlehensgeberin gezahlten Zinsen sind daher bei der Klägerin als Betriebsausgaben abzusetzen. Die Klägerin hat sich allerdings zu Zinszahlungen bereits seit dem 1. Januar 1976, also vor Abschluß des Darlehensvertrags vom 21. Juli 1976 verpflichtet. Hierfür ist kein betrieblicher Anlaß erkennbar; insoweit muß vielmehr eine verdeckte Entnahme seitens der Beigeladenen angenommen werden.

Die Beurteilung des Senats hat auch zur Folge, daß die Darlehensschuld den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1977 mindert (§ 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes).