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BFH-Beschluß vom 26.6.1987 (III B 32/85) BStBl. 1987 II S. 713

1. Das Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen bei Anspruch auf Kindergeld (§ 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1979) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

2. Gegen die Höhe der Ausbildungsfreibeträge des § 33 a Abs. 2 EStG 1979 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

EStG 1979 § 33a Abs. 1 und 2; FGO § 115 Abs. 3 Satz 3; GG Art. 3 und 6.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 1979 zusammenveranlagt. Ihre vier Kinder sind 1960 (A), 1961 (B), 1965 (C) und 1967 (D) geboren und lebten 1979 im Haushalt der Kläger. Der Streit geht darum, ob und ggf. mit welchem Betrag den Klägern wegen des Unterhalts und der Ausbildung ihrer vier Kinder die Steuerermäßigung des § 33 a Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1979 (EStG) zu gewähren ist.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrten die Kläger, ihre Aufwendungen für den Unterhalt ihrer beiden älteren Kinder mit je 5.656 DM, insgesamt also mit 11.312 DM gemäß § 33 a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Später änderten sie ihr Begehren dahin, daß sie den Abzug ihrer Aufwendungen für den Unterhalt ihrer vier Kinder gemäß § 33 a Abs. 1 EStG in Höhe von 3.000 DM für jedes Kind, insgesamt also mit 12.000 DM verlangten. Zur Begründung führten sie aus, es sei grundgesetzwidrig, die Steuerermäßigung des § 33 a Abs. 1 EStG generell allen Steuerpflichtigen vorzuenthalten, denen ein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zustehe. Die Höhe der von ihnen mit unterschiedlichen Beträgen begehrten Unterhaltshöchstbeträge berechneten die Kläger in der Weise, daß sie von ihren Unterhaltsaufwendungen im Betrag von jeweils 5.656 DM pro Kind das Kindergeld nach dem BKGG und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sowie die gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnenden eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes abzogen.

Daneben begehrten die Kläger für die beiden älteren Kinder die Gewährung von Ausbildungsfreibeträgen gemäß § 33 a Abs. 2 EStG.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte es bei der Veranlagung der Kläger ab, eine Steuerermäßigung gemäß § 33 a Abs. 1 EStG zu gewähren. Ausbildungsfreibeträge gemäß § 33 a Abs. 2 EStG berücksichtigte er in Höhe von 1.377 DM für A und in Höhe von 1.400 DM für B, insgesamt also mit 2.777 DM.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, machen die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie tragen vor, die Vorentscheidung verletze den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und sei insoweit mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluß 1 BvL 10/80 vom 22. Februar 1984, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357) unvereinbar. Es verstoße gegen Art. 6 und 3 des Grundgesetzes (GG), daß die Steuerermäßigung des § 33 a Abs. 1 EStG für Unterhaltsleistungen an Personen, für die ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, schlechthin versagt werde. Das Kindergeld - insbesondere für das erste Kind - reiche nicht aus, den Aufwand für Kinder auch nur annähernd zu decken. Familien mit Kindern würden schlechtergestellt als andere Familien, die Unterhalt an Angehörige leisteten, die keinen Anspruch auf Kindergeld besäßen. Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip liege darin, daß die Freibeträge des § 33 a Abs. 2 EStG - jedenfalls soweit die Kinder im Haushalt des Steuerpflichtigen leben - niedriger seien als die Unterhaltshöchstbeträge des § 33 a Abs. 1 EStG. Die Verfassungswidrigkeit der Regelungen in § 33 a Abs. 1 und Abs. 2 EStG folge auch aus einem Vergleich der dort normierten Höchst- und Freibeträge mit den Sozialhilfesätzen. Ein solcher Vergleich mache deutlich, daß die Unterhaltsaufwendungen der Kläger durch die Normen des § 33 a Abs. 1 und Abs. 2 EStG in realitätsfremder Höhe abgegolten würden.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Die Kläger haben in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde eingehend begründet, daß die Vorentscheidung ihrer Auffassung nach auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Mit diesem Inhalt würde die Nichtzulassungsbeschwerde zwar den Anforderungen einer Revisionsbegründung genügen. Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die erst den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen soll, hat jedoch eine andere Zielsetzung. Mit ihr muß - soweit hier von Bedeutung - dargetan werden, daß die Zulassung der Revision im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Rechtseinheit geboten ist, weil der Streit eine (klärungsfähige und klärungsbedürftige) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. z. B. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, RNr. 152). Der Senat kann indes die Frage, ob die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt haben, offenlassen, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des II. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluß vom 11. Februar 1987 II B 140/86 (BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).

2. Der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage, ob § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit gegen die Art. 6 und 3 GG verstoße, als die Steuerermäßigung für zwangsläufige Aufwendungen zum Unterhalt und zu einer etwaigen Berufsausbildung von Personen ausgeschlossen ist, für die im Veranlagungszeitraum der Steuerpflichtige oder eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs. 1 BKGG) hat, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der BFH hat die Verfassungsmäßigkeit des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG in ständiger Rechtsprechung incidenter bejaht (vgl. z. B. die Urteile des Senats vom 7. März 1986 III R 177/80, BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554; vom 6. Juni 1986 III R 212/81, BFHE 147, 60, BStBl II 1986, 805; vom 29. August 1986 III R 209/82, BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167). Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. z. B. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 33 a S. 17; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 18; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Rz. 11; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33 a EStG Anm. 4, 25 und 29; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 33 a Anm. 2 a; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 33 EStG, Anm. 79).

Die gegenteilige Auffassung der Kläger (so aber z. B. auch Paus, Finanz-Rundschau - FR - 1985, 429, 431) verkennt, daß mit dem Abzugsverbot von Unterhaltsleistungen bei Anspruch auf Kindergeld der Grundgedanke der seinerzeitigen Reform des Kinderlastenausgleichs verwirklicht werden sollte, die üblichen Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung eines Kindes durch das Kindergeld abzugelten (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drucks. 7/1470, S. 212 f. sowie 282), und daß das BVerfG dies unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet hat (vgl. die Beschlüsse des BVerfG vom 23. November 1976 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108, 120, 125, BStBl II 1977, 135, 138, 139; vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, BStBl II 1977, 526, 532). In der Entscheidung vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u. a. (BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 729, Abschn. C II Nr. 1 der Entscheidungsgründe) hat das BVerfG ausgeführt, der Gesetzgeber habe grundsätzlich die Wahl, Umstände, welche die Leistungsfähigkeit mindern, ausnahmsweise im Steuerrecht nicht oder nur am Rande zu berücksichtigen und sie statt dessen als förderungswürdigen Tatbestand im Sinne des Sozialrechts zu definieren. Die Berücksichtigung der verminderten Leistungsfähigkeit sei dann insoweit aus dem Steuerrecht ausgegliedert und als Förderungsaufgabe dem Sozialrecht zugewiesen. Daß dies bei der Ersetzung der bis 1974 geltenden Kinderfreibeträge im Rahmen der Reform des Kinderlastenausgleichs im Jahre 1975 geschehen ist, hat das BVerfG in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 729 unter Bezugnahme auf BVerfGE 43, 108, BStBl II 1977, 135 wiederholt bestätigt. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG allerdings auch verlangt, daß der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Sozialleistungen und bei deren Änderung die im Steuerrecht vernachlässigte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beachten habe (BVerfGE 61, 319, 353, BStBl II 1982, 717 f., 729). Ob der Gesetzgeber diesem Gebot - insbesondere mit der Festsetzung des Kindergeldes für das erste Kind auf 50 DM monatlich - in ausreichendem Maße nachgekommen ist, unterliegt nicht der Beurteilung durch die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit.

Im übrigen berücksichtigen die Kläger bei dem Vergleich der steuerlichen Abgeltung der kindbedingten Lasten mit der Steuerermäßigung des § 33 a Abs. 1 EStG für Unterhaltsleistungen an andere Personen nicht ausreichend, daß nach der Reform des Kinderlastenausgleichs im Jahre 1975 (a. a. O.) kindbedingte Belastungen weiterhin auch im steuerlichen Bereich in einer vielfältigen Weise anderweitig abgegolten werden (im Streitjahr 1979 z. B. durch Ausbildungsfreibeträge bis in Höhe von 4.200 DM gemäß § 33 a Abs. 2 EStG, durch den besonderen Freibetrag - Halbfamilien-Freibetrag - gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 EStG, durch die Berücksichtigung der Kinderzahl bei der Bemessung der Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG und bei der Vorsorgepauschale nach § 10 Abs. 3 und Abs. 4 EStG, durch die familiengerechte Staffelung der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG, durch die Zulässigkeit der Geltendmachung von Aufwendungen für eine Hausgehilfin oder Haushaltshilfe gemäß § 33 a Abs. 3 EStG, durch die Übertragungsmöglichkeit des Körperbehinderten-Pauschbetrags gemäß § 33 b Abs. 5 EStG, durch die familiengerechte Staffelung der Kirchensteuer, der Arbeitnehmer-Sparzulage nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz - 3. VermBG -, der Prämien nach dem Sparprämien- und Wohnungsbauprämiengesetz sowie der Arbeitnehmerzulage nach dem Berlinförderungsgesetz - BerlinFG -). Im Hinblick auf die Komplexität dieser steuerrechtlichen Einzelmaßnahmen zum Ausgleich kindbedingter Belastungen können sich die Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BVerfG berufen, wonach der Gesetzgeber für die Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen im Einkommensteuerrecht keine realitätsfremden Grenzen ziehen dürfe (vgl. z. B. BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717; BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357; die Beschlüsse vom 17. Oktober 1984 1 BvR 527/80 u. a. , BVerfGE 68, 143, und vom 4. Oktober 1984 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290, BStBl II 1985, 22). Aus der gleichen Erwägung scheitert auch der von den Klägern gezogene Vergleich mit den Sozialhilfesätzen.

3. Den Rechtsfragen, die die Kläger zur Regelung des § 33 a Abs. 2 EStG aufgeworfen haben, kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu.

a) Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, daß eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes eines Steuerpflichtigen die Ausbildungsfreibeträge des § 33 a Abs. 2 EStG unabhängig davon mindern, zu welchem Zeitpunkt im Kalenderjahr der Berufsausbildung sie dem Kinde zugeflossen sind (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 23. September 1980 VI R 53/79, BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92, sowie in BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554). Abgesehen davon gilt für Veranlagungszeiträume ab 1986 infolge der Anfügung des § 33 a Abs. 4 Satz 2 EStG eine gegenüber dem Streitjahr abweichende gesetzliche Regelung, so daß die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage insoweit nur auslaufendes Recht betrifft.

b) Die Höhe der für das Streitjahr geltenden Ausbildungsfreibeträge des § 33 a Abs. 2 EStG hat der BFH in ständiger Rechtsprechung incidenter als verfassungsgemäß angesehen. Die Einwendungen der Kläger hiergegen verkennen, daß die Ausbildungsfreibeträge nur einen Teil der kindbedingten Unterhalts- und Ausbildungskosten abgelten sollen. Wird berücksichtigt, daß der Grundfreibetrag des § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG, der das gesamte Existenzminimum eines Steuerpflichtigen abdecken soll, im Streitjahr lediglich 3.690 DM betrug, wird deutlich, daß die gegen die Höhe der Ausbildungsfreibeträge geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger offensichtlich unbegründet sind und auch in diesem Punkt von einer Entscheidung des Streitfalls durch den Senat eine Fortentwicklung des Rechts nicht zu erwarten ist.