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BFH-Beschluß vom 29.7.1987 (II B 57/87) BStBl. 1987 II S. 722

Die Rechtsfrage, ob die Übertragung von 97 v. H. der Mitgliedschaftsrechte an einer Grundstücks-GbR einer Veräußerung des Gesellschaftsgrundstückes gleichstehen kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

AO 1977 § 42; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines bebauten und langfristig vermieteten Grundstückes. Sie hatte ursprünglich drei Gesellschafter, die zu je 33 1/3 v. H. beteiligt waren. Durch privatschriftlichen Vertrag vom 28. Dezember 1978 erwarb ein Außenstehender 97 v. H. der Mitgliedschaftsrechte an der Klägerin; die restlichen 3 v. H. verblieben bei einem der ursprünglichen Gesellschafter, während die beiden übrigen ursprünglichen Gesellschafter aus der Klägerin ausschieden.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht, der vorgenannte Mitgliedschaftswechsel komme einer Veräußerung des Grundstückes der Klägerin gleich. Es setzte gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes Niedersachsen (GrEStG) i. V. m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Der Rechtsträger des Grundstückes habe nicht gewechselt. Auch sei hier weder ein Scheingeschäft geschlossen noch eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit mißbraucht worden (§ 41 Abs. 2, § 42 AO 1977).

Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, welcher das FG nicht abgeholfen hat.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Sache hat entgegen der Ansicht des FA keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Frage, ob Fälle der vorliegenden Art mit Hilfe des § 42 AO 1977 wie ein Verpflichtungsgeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu besteuern sind, ist nicht klärungsbedürftig.

Der Senat hat mehrfach entschieden, daß die Übertragung sämtlicher Anteile an einer Grundbesitz haltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Verpflichtung zur Übertragung des Gesellschaftsgrundstücks gleichkommen kann (vgl. zuletzt das Urteil vom 4. März 1987 II R 150/83, BFHE 149, 75, BStBl II 1987, 394). Werden dagegen nicht sämtliche Anteile übertragen, so kommt das nicht einer Übertragung des (gesamten) Grundstückes gleich. Ebenso verbietet sich die Gleichstellung dieses Falles mit der Übertragung von Grundstücksbruchteilen, denn der teilweise Wechsel im Personenstand bei einer Personengesellschaft mit Grundbesitz verursacht grundsätzlich keine Grunderwerbsteuerpflicht.

Folgende mögliche Ausnahmen von diesem Grundsatz scheiden hier aus:

Wird das Gesellschaftsgrundstück in Wohnungseinheiten aufgeteilt und jedem Gesellschaftsanteil eine bestimmte Wohnungseinheit zugewiesen, so kann die Übertragung eines Gesellschaftsanteils der Übertragung einer Wohnungseinheit gleichkommen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das FA kann sich daher nicht darauf berufen, daß der Senat mit Beschluß vom 4. Juni 1986 in dem Verfahren II B 46/86 die Revision zugelassen hat.

Denkbar ist auch, daß der Restanteil steuerrechtlich ebenfalls dem Erwerber der Anteilsmehrheit zuzurechnen ist, weil dieser z. B. insoweit Treugeber des verbliebenen Gesellschafters oder die Beteiligung des verbliebenen Gesellschafters ein Scheingeschäft ist. Hierfür gibt aber der festgestellte Sachverhalt des vorliegenden Falles keinen Anhalt.