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BFH-Beschluß vom 13.5.1987 (I B 179/86) BStBl. 1987 II S. 777

Es bestehen ernstliche Zweifel daran, daß mit der Zahlung der Transfer-Entschädigung bei dem Wechsel eines Spielers von einem Verein der Fußball-Bundesliga zu einem anderen Verein ein immaterielles Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wird.

KStG 1977 § 8 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 2.

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist ein rechtsfähiger Fußballverein, der dem Deutschen Fußballbund e. V. (DFB) angehört und der eine Lizenzspielermannschaft in der Bundesliga unterhält. Der Antragsteller ist mit den Einkünften aus dem Einsatz der Mannschaft im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs steuerpflichtig. Er hat anläßlich der Anstellung von Lizenzfußballspielern, die zuvor für einen anderen Verein gespielt haben, Ablösungen an diese Vereine gezahlt. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hat in Übereinstimmung mit dem Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 1974 S 2170 - 50 - V B I (Der Betrieb - DB - 1974, 2085) die Ablösezahlungen als Anschaffungskosten für entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter angesehen und einen dementsprechenden Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid erlassen. Gegen den Körperschaftsteuerbescheid hat der Antragsteller nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Das FA hat die von ihm zunächst angeordnete Aussetzung der Vollziehung widerrufen. Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weitgehend entsprochen und gegen seine Entscheidung die Beschwerde zugelassen.

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, durch die Transfer-Entschädigungen werde ein als Wirtschaftsgut zu beurteilender Vorteil erlangt. Auch nach (der Neufassung des) § 29 des Lizenzspielerstatuts (LSpSt) sei ein Verein, der einen Spieler eines anderen Vereins unter Vertrag nehme, zur Zahlung einer Transfer-Entschädigung an diesen Verein verpflichtet. Ein Verstoß gegen die weiterhin bestehende Verpflichtung, eine solche Entschädigung an den abgebenden Verein zu zahlen, werde vom DFB als unsportliches Verhalten geahndet (§ 29 Nr. 3 LSpSt). Die Zahlungen dienten auch nicht als Regulativ zur wirtschaftlichen Gleichstellung der Vereine untereinander. Wie die Praxis zeige, würden die Ablöseentschädigungen vielmehr entrichtet, um einen Spieler "zu kaufen" und um sich dessen spielerisches Können zunutze zu machen. Die Ablösezahlungen würden folglich für den Erwerb immaterieller Wirtschaftsgüter aufgewandt.

Das FA beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken, und wenn demgemäß ein nicht nur geringer Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben kann (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).

2. a) Zu den in die Gewinnermittlung für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eines rechtsfähigen Vereins einzubeziehenden Aufwendungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG 1977 -, §§ 14, 51, 52 Abs. 2 Nr. 2, 64 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 8 Abs. 1 KStG 1977) gehören auch die Ablösezahlungen für Lizenzfußballspieler. Ist mit den Zahlungen ein immaterielles Wirtschaftsgut erworben worden, sind sie nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sofort abzugsfähig, sondern als Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsguts zu aktivieren (vgl. § 5 Abs. 2 EStG).

b) Wirtschaftsgüter können auch bloße Vermögenswerte Vorteile einschließlich tatsächlicher Zustände und konkreter Möglichkeiten sein, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird und sie - allein oder mit dem Betrieb - verkehrsfähig sind (s. z. B. BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, 37, BStBl II 1969, 291; Urteile vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, 522, BStBl II 1978, 370; vom 26. Mai 1982 I R 180/80, BFHE 136, 222, BStBl II 1982, 695; vom 9. Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14).

3. Bei summarischer Prüfung ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zahlung einer Transfer-Entschädigung zum entgeltlichen Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts führt oder sich vielmehr in der Abwehr von Nachteilen erschöpft, die bei Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung eintreten würden. Diese Bedenken ergeben sich aus den vom DFB für den Vereinswechsel von Lizenzfußballspielern aufgestellten Regeln.

a) Die 1. Fußball-Bundesliga ist eine Vereinseinrichtung des DFB (§ 1 LSpSt). Vereine und Spieler erhalten für die Teilnahme an der Fußball-Bundesliga durch Verträge mit dem DFB Lizenzen (§§ 4 ff., §§ 11 ff. LSpSt). Die Lizenzspieler sind Arbeitnehmer des Vereins, in dessen Mannschaft sie spielen sollen (§ 10 LSpSt). Für den Einsatz eines Lizenzspielers durch den Verein ist - neben den Lizenzen - eine Spielerlaubnis des DFB erforderlich (§ 26 a LSpSt). Ein Lizenzspieler kann von einem Verein zu einem anderen wechseln. Dies setzt voraus, daß der Spieler in eine Transferliste aufgenommen, das Vertragsverhältnis zu dem bisherigen Verein (abgebender Verein) beendet und ein Vertrag zwischen Spieler und dem neuen Verein (aufnehmender Verein) abgeschlossen wird (vgl. §§ 20 ff., 26 a, 27 LSpSt). Für die Aufnahme in die Transferliste sind der Spieler und der abgebende Verein antragsberechtigt (§ 27 Nr. 4 Buchst. a und c LSpSt). Sofern der abgebende Verein Einspruch gegen die Aufnahme des Spielers in die Transferliste erhebt (vgl. § 27 Nr. 6 LSpSt), entscheidet der Liga-Ausschuß (§ 27 Nr. 7, § 14 LSpSt). Der aufnehmende Verein hat dem abgebenden Verein eine sog. Transfer-Entschädigung zu zahlen (§ 29 LSpSt), deren Höhe durch ein Schiedsgutachten verbindlich festgelegt wird, falls sich die beteiligten Vereine nicht einigen können (§ 30 LSpSt). Nach der früheren Fassung des LSpSt (§ 26 a LSpSt) war die Erteilung der Spielerlaubnis an den aufnehmenden Verein von der Freigabe des Spielers durch den abgebenden Verein abhängig. Die am 6. Juni 1980 beschlossene Änderung des LSpSt (vgl. "Amtliche Mitteilungen" des DFB Nr. 6 vom 30. Juni 1980) haben diese Voraussetzung für die Erteilung der Spielerlaubnis beseitigt. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Transfer-Entschädigung ist aber vom DFB als unsportliches Verhalten zu ahnden (§ 29 Nr. 3, § 19 Nr. 1 LSpSt; § 1 Nr. 2, § 3 Nr. 1 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB; § 43 der Satzung des DFB).

b) Nach den den sog. Spieler-Transfer regelnden Bestimmungen des DFB erwirbt der aufnehmende Verein durch die Zahlung der Transfer-Entschädigung nicht entgeltlich ein immaterielles Wirtschaftsgut; vielmehr beruht die Verpflichtung zur Zahlung der Transfer-Entschädigung auf der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 LSpSt. Nach § 29 LSpSt entsteht die Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung mit dem Abschluß des Anstellungsvertrages zwischen dem aufnehmenden Verein und dem Lizenzspieler. Die Zahlungspflicht ist solchermaßen nicht Gegenleistungspflicht für eine von dem abgebenden Verein geschuldete oder erbrachte Leistung.

Für den aufnehmenden Verein ergibt sich zwar aufgrund des Vertrages mit dem Lizenzspieler die Aussicht, seinerseits im Falle eines erneuten Vereinswechsels des Spielers eine Transfer-Entschädigung zu erhalten. Die Aussicht erlangt der aufnehmende Verein aber ebenfalls nicht durch abgeleiteten Erwerb von dem abgebenden Verein, da sie durch den Vertrag des aufnehmenden Vereins mit dem Lizenzspieler begründet wird. Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, daß die Aussicht auf eine Transfer-Entschädigung auch dann gegeben ist, wenn der Verein mit einem Spieler einen Vertrag geschlossen hat, der zuvor nicht für einen anderen Verein gespielt hat.

Die nach der ursprünglichen Fassung des LSpSt (§ 26 a LSpSt a. F.) mögliche Verweigerung der Freigabe des Spielers war allein als Druckmittel zur Erzwingung der Zahlung der Transfer-Entschädigung geeignet. Der Anspruch auf die Transfer-Entschädigung entstand nach § 29 LSpSt, seine Höhe wurde in dem Verfahren gemäß § 30 LSpSt festgelegt. Mit der Verweigerung der Freigabe konnte der abgebende Verein die Erteilung der Spielerlaubnis verhindern. Ihm stand, solange der aufnehmende Verein seine Zahlungspflicht nicht erfüllt hatte, also eine rechtliche Möglichkeit offen, den Einsatz des Spielers durch den aufnehmenden Verein zu verhindern. Entstehung und Höhe des Anspruchs auf die Transfer-Entschädigung konnte er damit aber nicht beeinflussen. Mit der Zahlung beseitigte der aufnehmende Verein das der Erteilung der Spielerlaubnis entgegenstehende Hindernis. Die Zahlung der Transfer-Entschädigung zur Abwendung der mit der Verweigerung der Freigabe verbundenen Nachteile kann deshalb nicht als entgeltlicher Erwerb der Spielerlaubnis aufgefaßt werden. Durch die Änderung von § 26 a und § 29 LSpSt im Jahre 1980 hat sich die Rechtsgrundlage für die Entstehung des Anspruchs auf die Transfer-Entschädigung nicht geändert. Verändert worden sind vielmehr die rechtlichen Mittel, den zahlungspflichtigen Verein zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzuhalten.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, daß der abgebende Verein mit der Aufnahme des Spielers in die Transferliste einverstanden sein muß (§ 27 Nr. 6 Buchst. a und b LSpSt), da über den Einspruch des abgebenden Vereins gegen die Aufnahme des Spielers in die Transferliste der Liga-Ausschuß und auf die Beschwerde gegen dessen Entscheidung abschließend der Vorstand des DFB mit der Möglichkeit entscheidet, daß die fehlende Zustimmung des abgebenden Vereins ersetzt wird (vgl. § 14 Nr. 3 LSpSt).

Angesichts dieser Beurteilungsmöglichkeit bestehen ernstliche Zweifel daran, ob der im Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 1974 (DB 1974, 2085) zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung gefolgt werden kann. Dies gilt bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung unbeschadet der Möglichkeit, daß die tatsächliche Handhabung des Lizenzspielerstatus es im Hauptsacheverfahren auch gebieten könnte, an der bisherigen Beurteilung festzuhalten. Da zu der tatsächlichen Durchführung des Lizenzspielerstatus, insbesondere darüber, ob es einem Spieler mit vertretbarem Aufwand möglich ist, einen Vereinswechsel gegen den Willen des "abgebenden Vereins" durchzuführen, noch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen sind, muß es in diesem Verfahren bei der Beurteilung anhand des Regelwerks des DFB bewenden.

Nach alledem bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, so daß die Entscheidung des FG zu bestätigen war.