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BFH-Urteil vom 15.7.1987 (II R 249/83) BStBl. 1987 II S. 809

1. Technisches Spezialwissen (Know-how) kann nach denselben Grundsätzen wie der Geschäftswert durch Zahlung Dritter als geldwerte Realität in Erscheinung treten und damit zum immateriellen Wirtschaftsgut werden.

2. Zahlt der Vertragspartner eines "Liefer- und Lizenzvertrages" für die Lieferung unfertiger Erzeugnisse und für die Ausbildung seines Personals in der Verarbeitung dieser Erzeugnisse "Lizenzen", so wird durch das auf die Ausbildung entfallende Entgelt nicht technisches Spezialwissen als immaterielles Wirtschaftsgut konkretisiert.

BewG 1965/1974 § 95.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der gleichnamigen GmbH & Co. KG (KG). Das beklagte Finanzamt (FA) stellte den Einheitswert für das Betriebsvermögen der KG zum 1. Januar 1975 auf 4.652.000 DM fest.

In dem Einheitswert ist das von der KG in Lizenz vergebene Know-how mit 1.526.633 DM enthalten.

Die KG stellte optische Erzeugnisse her und vertrieb sie. Das Ausgangsmaterial hatte die KG selbst entwickelt und auch als unfertiges Erzeugnis an inländische und ausländische Abnehmer geliefert. Sie schloß hierfür mit den Abnehmern "Liefer- und Lizenzverträge". Durch diese Verträge gestattete sie den Abnehmern die Herstellung und den Vertrieb aus von ihr hergestellten unfertigen Erzeugnissen. Außerdem verpflichtete sie sich, die Vertragspartner in der Herstellung zu unterweisen und auszubilden. Die Vertragspartner verpflichteten sich, die fertigen Erzeugnisse nur in einem bestimmten Gebiet zu vertreiben und das von der Klägerin hergestellte Ausgangsmaterial zu verwenden. Die Vertragschließenden waren sich darüber einig, daß das Lizenzerzeugnis das Ergebnis einer beträchtlichen Entwicklungsarbeit der KG sei, dessen unerlaubte Herstellung und Veräußerung unzulässig sei.

Der Preis für das Material betrug X DM pro Stück zuzüglich weiterer X DM Lizenzgebühr. Der Mustervertrag, dessen Inhalt das Finanzgericht (FG) unangefochten festgestellt hat, wurde für die Dauer von 4 Jahren abgeschlossen.

Der Einspruch der KG gegen die Feststellung des Einheitswerts ihres Betriebsvermögens war erfolglos. Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, die in Lizenz gegebenen technischen Erfahrungen der KG seien wie eine nichtgeschützte "anonyme" Betriebserfindung zu behandeln.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, der Erfindungskomplex setze sich aus verschiedenen geistigen Leistungen zusammen, nämlich aus dem Material bestimmter Eigenschaften, der Produktionserfahrung bei der Behandlung dieses Materials, dem grundsätzlichen Produktionsverfahren und dem Namen für das Erzeugnis. Die Lizenzverträge umfaßten damit ein Wirtschaftsgut, das im Paket verkauft worden sei. Ohne die Unterweisung sei die Materiallieferung wirtschaftlich ausgeschlossen, und ohne Materiallieferung sei die Unterweisung wirtschaftlich sinnlos.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Auf die Revision ist die Vorentscheidung aufzuheben.

Entscheidungsgründe

Technisches Spezialwissen, im Geschäftsverkehr als Know-how bezeichnet, ist ein immaterieller Vermögenswert des Betriebsvermögens. Als betrieblicher Vorteil ist das Know-how eine Komponente des Geschäftswerts, ebenso wie z. B. der Ruf, der Kundenkreis oder die Absatzorganisation eines Unternehmens. Das Know-how kann deshalb aufgrund der Rechtsprechung nach denselben Grundsätzen wie der Geschäftswert durch Zahlungen Dritter als geldwerte Realität in Erscheinung treten und damit zum immateriellen Wirtschaftsgut werden (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1965 III 121/62, BFHE 81, 607, BStBl III 1965, 219, und vom 13. Februar 1970 III R 43/68, BFHE 98, 282, BStBl II 1970, 373). Die Rechtsprechung hat aber auch anerkannt, daß Zahlungen, die im Rahmen eines Know-how-Vertrages nicht für die Vermittlung technischen Spezialwissens, sondern für Dienstleistungen entrichtet werden, nicht zur Konkretisierung einer Komponente des Geschäftswerts als immaterielles Wirtschaftsgut führen können (vgl. BFHE 98, 282, 285, BStBl II 1970, 373, 375). In der Entscheidung in BFHE 98, 282, 285 wurde ausgeführt, daß von Lizenzzahlungen im Rahmen eines Know-how-Vertrages jedoch nur eindeutig auf Dienstleistungen entfallende Zahlungen für die Konkretisierung des Spezialwissens als immaterielles Wirtschaftsgut außer Betracht bleiben können; weiter wurde die Auffassung vertreten, es obliege dem Steuerpflichtigen, im Einzelfall die Gründe darzulegen, die dafür sprächen, daß ein Teil der Lizenzen in Wahrheit Entgelt für Dienstleistungen sei. Die letztere Aussage muß für den Streitfall weiter verdeutlicht werden.

Die Klägerin bezeichnet die von ihr abgeschlossenen Verträge als "Liefer- und Lizenzverträge". Gegenstand dieser Verträge ist nicht die Vermittlung technischen Spezialwissens in Form von Zeichnungen, Berechnungen oder Beschreibungen, in Verbindung mit Dienstleistungen gegenüber dem Vertragspartner, die allenfalls zusätzlich notwendig sind, um das offenbarte Spezialwissen für einen Dritten verwertbar zu machen. Vertragsgegenstand ist vielmehr, daß die Klägerin den Lizenznehmern die Herstellung von Fertigerzeugnissen aus dem von ihr entwickelten Rohmaterial gestattet und dieses Rohmaterial liefert. Die Vertragspartner sind sich darüber einig, daß die Herstellung des Rohmaterials das Ergebnis einer erheblichen Entwicklungsarbeit ist. Damit der Lizenznehmerbetrieb in die Lage versetzt wird, die unfertigen Erzeugnisse zu Fertigerzeugnissen verarbeiten zu können, verpflichtet sich die Klägerin, Vertreter des Lizenznehmerbetriebs in ihrem Werk im besonderen Gebrauch der unfertigen Erzeugnisse für die Herstellung von Fertigerzeugnissen zu unterweisen und auszubilden. Aus dieser Vertragsgestaltung, nämlich aus der Lieferung des Grundstoffes unter persönlicher Anleitung des Belieferten im Gebrauch dieses Grundstoffes für die weitere Fabrikation folgt, daß das Know-how der Klägerin in das Rohmaterial eingegangen ist und sich nicht zusätzlich als selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut konkretisiert hat. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich insoweit nicht vom Verkauf irgendwelcher anderer Erzeugnisse, in deren Herstellung regelmäßig das technische Spezialwissen des Herstellers als unselbständige Komponente des nicht konkretisierten Geschäftswerts eingeht. Die Klägerin fordert von ihren Lizenznehmern allerdings nicht nur den Preis für das von ihr hergestellte und gelieferte Rohmaterial, sondern darüber hinaus noch eine gleichhohe Zahlung für die Ausbildung von Arbeitnehmern der belieferten Betriebe in der Verarbeitung dieses Rohmaterials. Diese Ausbildung, die vertragsgemäß im Werk der Klägerin stattfindet, ist aber eine Dienstleistung der Klägerin, die im Zusammenhang mit ihren Belieferungsgeschäften steht. Durch diese Ausbildung werden zwar technische Fertigkeiten vermittelt; diese Vermittlung ist aber im Streitfall nicht Bestandteil der Offenbarung eines Knowhow, das einer körperlichen Darstellung durch Zahlen, Worte oder Zeichnungen zugänglich ist, sondern ein sog. kleines Know-how (vgl. Pfister, Das technische Geheimnis (Know-how) als Vermögensgegenstand, S. 31), das nur durch Erfahrung unter Anleitung erworben wird. Es steht im Zusammenhang mit der weiteren Verarbeitung eines gelieferten Erzeugnisses. Bei dieser Sachlage bedarf es nicht, wie in dem mit Urteil in BFHE 98, 282, BStBl II 1970, 373 entschiedenen Fall, einer besonderen Darlegung der Gründe, die dafür sprechen, daß ein Teil der sog. Lizenzzahlungen Entgelt für Dienstleistungen sei; denn aus der vertraglichen Regelung des Lebenssachverhalts ergibt sich ohne weiteres die Aufteilung der Entgelte auf Lieferung von Rohmaterial und auf Anleitung der Arbeitnehmer des belieferten Unternehmens.

Aufgrund der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung hat sich durch die Lizenzzahlung von X DM je geliefertem unfertigem Erzeugnis nicht die Komponente des Geschäftswerts "Know-how" als immaterielles Wirtschaftsgut konkretisiert. Die Erfassung des Know-how als geldwerte Realität im Rohvermögen des Betriebsvermögens der Klägerin ist deshalb nicht gerechtfertigt. Für diese Entscheidung ist ohne Bedeutung, ob die Aufteilung des Entgeltes von je X DM für die Lieferung des Rohmaterials und die Ausbildung der Vertreter des belieferten Unternehmens gerechtfertigt ist, denn keine der Zahlungen führt zum Ansatz eines Wirtschaftsguts.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Da der Ansatz für ein immaterielles Wirtschaftsgut Know-how im Rohvermögen der Klägerin nicht berechtigt ist, ist der Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1975 auf 3.125.000 DM festzustellen.