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BFH-Urteil vom 28.8.1987 (III R 273/83) BStBl. 1988 II S. 10

Bei der Vercharterung eines Motorboots ist wegen der Art des Wirtschaftsgutes jedenfalls dann kein Gewerbebetrieb, sondern Liebhaberei anzunehmen, wenn der Besitzer des Motorboots Inhaber des Motorbootführerscheins ist und nach der Art, wie die Vercharterung betrieben wird, auf Dauer gesehen nicht mit Überschüssen zu rechnen ist.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit dem 1. Januar 1966 persönlich haftender Gesellschafter des Unternehmens B. Im Jahre 1970 erwarb er den Motorbootführerschein. Im gleichen Jahr kaufte er ein kleineres Motorboot. In der Folgezeit veräußerte und erwarb er mehrmals Motorboote; die neu erworbenen Boote waren jeweils größer und besser ausgestattet als die veräußerten. Vom Jahre 1971 an vercharterte der Kläger seine Motorboote. Im Jahre 1972 meldete er diese Tätigkeit bei der zuständigen Gemeindebehörde als Gewerbebetrieb mit Betriebsbeginn im Jahre 1970 an.

Der Kläger vercharterte die Yacht im Jahre 1971 an 35 Tagen zu Tagessätzen zwischen 70 DM und 300 DM, im Jahre 1972 zu ähnlichen Tagessätzen (allerdings an 38 Tagen zu einem Sonderpreis von täglich 120 DM bzw. 140 DM), im Jahre 1973 an 58 Tagen zu Sätzen zwischen 50 DM und 900 DM (darunter an 20 Tagen ohne Fahrt zu 120 DM bzw. 140 DM täglich) und in den Folgejahren in einem nicht näher vorgetragenen Umfang. Aufgrund der Vercharterung und der Veräußerung von Motorbooten erzielte der Kläger in den Jahren 1970 bis 1974 sowie 1976 und 1977 ständig Verluste; die in den Jahren 1975 und 1978 entstandenen Gewinne sind allein auf die Veräußerung von Booten zurückzuführen. Insgesamt ergaben sich folgende Gewinne bzw. Verluste:

Kalenderjahr     Gewinn/Verlust

                                          DM

  

1970       ./.                         13.053

1971       ./.                       101.575

1972       ./.                         45.300

1973       ./.                         39.462

1974       ./.                         36.775

1975                                   45.544

1976       ./.                         22.710

1977       ./.                         84.958

1978                                   14.775

Der Kläger veräußerte am 15. Juni 1978 seine Yacht und stellte damit die Chartertätigkeit ein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah die Chartertätigkeit des Klägers für die Jahre 1970 bis 1972 als Gewerbebetrieb an. Für die Jahre 1973 bis 1977 erließ das FA vorläufige Einkommensteuerbescheide, in denen die vom Kläger erklärten Verluste oder Gewinne aus der Vercharterung und Bootsveräußerung erfaßt waren. Nach einer Betriebsprüfung wertete das FA die Vercharterung als Liebhaberei; es änderte dementsprechend die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, daß die Yachtvercharterung als Liebhaberei zu werten sei und die Verluste deshalb einkommensteuerrechtlich nicht zu beachten seien.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre in der Weise zu ändern, daß die Verluste aus der Bootsvercharterung einkommensmindernd berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur vor, wenn neben anderen Voraussetzungen die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird. Fehlt es an dem Gewinnstreben, ist das Tätigwerden als Liebhaberei anzusehen mit der Folge, daß die aus ihr entstandenen Verluste einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sind.

Ein Gewinnstreben in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn die Absicht besteht, mit der Betätigung auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767) ist die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten (BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205). Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können. Längere Verlustperioden allein reichen aber noch nicht aus, um die Liebhaberei zu begründen. Es müssen Beweisanzeichen hinzukommen, die den Schluß rechtfertigen, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der Lebensführung zuzuordnenden persönlichen Gründen ausübt.

2. Das FG hat im Streitfall zutreffend entschieden, daß der Kläger die Vercharterung nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Tatsächlich hat der Kläger aus dieser Tätigkeit über viele Jahre nur Verluste erwirtschaftet. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger die Vercharterung nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt hat und er nach der Art der Bewirtschaftung auf Dauer gesehen auch nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten konnte. Dazu hat das FG ausgeführt: Der Kläger selbst habe in seiner Äußerung vom 7. November 1972 erklärt, daß er durch verstärkte Werbung, Anschaffung weiterer Schiffe und Einstellung von pensionierten Schiffsführern die Einnahmen steigern wolle; diese Pläne habe er aber nicht verwirklicht. In der Klageschrift habe der Kläger vorgetragen, nach seiner Kalkulation sei bei der Schiffsvercharterung nebst Fahrt ein Tagespreis von 1.500 DM und ein Liegepreis von täglich 800 DM für die Rentabilität seines Unternehmens erforderlich gewesen. Aus diesem Grunde hätten vier oder fünf Fahrten pro Monat zur Deckung der Betriebskosten ausgereicht. Tatsächlich habe der Kläger jedoch in keinem einzigen Fall auch nur annähernd die von ihm als erforderlich angesehenen Tagespreise erzielt. Fast durchgehend hätten die tatsächlichen Kosten die von ihm veranschlagten monatlichen 5.000 DM Betriebskosten erheblich überschritten. Da der Kläger bereits aus den Erfahrungen der ersten beiden Jahre den Schluß hätte ziehen müssen, daß seine Kalkulationsgrundlage weder von der Erlös- noch von der Kostenseite her gerechtfertigt gewesen sei, hätte er ernsthafterweise eine derartige Kalkulation für die Streitjahre nicht mehr aufrechterhalten können. Der Kläger habe auch sonst - von den Veräußerungen abgesehen - keine Anstalten getroffen, die Kosten zu senken und die Einnahmen zu erhöhen.

An die vorstehenden Tatsachenfeststellungen und -würdigungen ist der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, daß der Kläger keine Verfahrensrügen erhoben hat und die Schlußfolgerungen auch nicht auf Verstößen gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze beruhen. Die Würdigung des FG, daß aufgrund dieser Tatsachen die Vercharterung nach Art der Bewirtschaftung auf Dauer keine Gewinne abwerfen konnte, ist rechtsfehlerfrei zustande gekommen.

Demgegenüber kann der Kläger angesichts der von ihm erzielten Tagespreise, die erheblich unter seiner Kalkulation liegen, nicht mit Erfolg einwenden, daß die Betriebsergebnisse durch die häufigen Bootsveräußerungen und den Schadensfall im Jahre 1977 negativ beeinflußt worden seien. Das FG hat dazu in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß auch ohne die Veräußerungen und die im Jahre 1977 eingetretene Havarie Verluste entstanden wären. Dies ist zumindest bei einer Gesamtschau aller Streitjahre der Fall. Insbesondere der Hinweis des Klägers in der Revisionsschrift, daß die Boote häufig verkauft worden seien, weil sie "die für ihren Zweck erforderlichen Eigenschaften" nicht gehabt hätten, spricht auch dafür, daß die Art der Betriebsführung des Klägers nicht geeignet war, auf Dauer aus der Vercharterung Gewinne zu erwirtschaften.

Der Kläger macht mit der Revision weiter geltend, das FG habe nicht beachtet, daß die von ihm betriebene Vercharterung nur vorbereitenden Charakter für die geplante Yachtabteilung der Firma B gehabt habe und daß er ferner die Vielzahl der Fahrten nicht habe nachweisen können, weil die Unterlagen hierüber von den Behörden zwischenzeitlich vernichtet worden seien. Dieser Sachvortrag kann die Annahme des FG nicht widerlegen, daß die Betätigung des Klägers ihrer Art nach nicht geeignet war, auf Dauer Verluste zu vermeiden. Trotz der Vernichtung der Unterlagen über einen Teil der Bootsfahrten stehen die aus ihnen erzielten Einnahmen fest, so daß die Verluste zutreffend ermittelt werden konnten.

Auch der Vortrag des Klägers, daß sich das Boot an einem günstigen Liegeplatz befunden und ein ihm bekannter Hafenmeister die Kontakte zu Interessenten hergestellt habe, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Diese Art der Werbung war nicht ausreichend, um auf Dauer die Vercharterung mit Gewinn betreiben zu können. Offenbar ist der Kläger von dieser Annahme ursprünglich auch selbst ausgegangen; denn er hat in seiner Äußerung vom 7. November 1972 an seine damalige Steuerbevollmächtigte erklärt, daß er verstärkt Werbung betreiben wolle.

3. Im Streitfall können auch die vom VIII. Senat des BFH im Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 59/82 (BFHE 143, 58, BStBl II 1985, 455) aufgestellten Grundsätze der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. In diesem Urteil hat der VIII. Senat unter Hinweis auf sein Urteil vom 21. Oktober 1980 VIII R 81/79 (BFHE 132, 518, BStBl II 1981, 452) entschieden: Die Vermietung eines Gästehauses, die lange Zeit nur zu Verlusten geführt habe, sei nicht schon dann als Liebhaberei zu beurteilen, wenn eine objektive betriebswirtschaftliche Beurteilung ergebe, daß das Unternehmen auf absehbare Zeit nicht zur Einkünfteerzielung geeignet sei. Es müsse vielmehr geprüft werden, ob diese objektive Feststellung den Rückschluß auf ein Handeln des Steuerpflichtigen aus persönlichen Motiven zulasse. Diese Grundsätze können auf den Fall der Vercharterung eines Motorboots jedenfalls dann nicht übertragen werden, wenn der Besitzer des Motorboots oder einer seiner Angehörigen selbst Inhaber des Motorbootführerscheins ist. Denn nach der Lebenserfahrung spielen unter diesen Umständen die persönlichen Interessen und Neigungen eine wesentlich größere Rolle als bei der Vermietung eines Gebäudes. Anders als bei der Gebäudevermietung dient das Benutzen eines Motorboots in aller Regel in erster Linie der Freizeitgestaltung. Aus diesem Grunde ist bei der Vercharterung eines Motorboots Liebhaberei schon dann anzunehmen, wenn die Vercharterung nach der Art, wie sie betrieben wird, auf Dauer gesehen nicht geeignet ist, Gewinne abzuwerfen. Es bedarf dann zur Bejahung der Liebhaberei keiner zusätzlichen Feststellung, daß das Handeln des Steuerpflichtigen auf persönlichen Motiven beruht. Vielmehr hat der Steuerpflichtige im Einzelfall nachzuweisen, daß dies nicht der Fall ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, 379, BStBl II 1986, 289).

4. Die Entscheidung des FG kann schließlich auch nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, daß es sich im Streitfall um Verluste der Anlaufzeit eines im Aufbau befindlichen Betriebs gehandelt habe. Zwar hat der BFH in dem Urteil in BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205 entschieden, daß der Grundsatz, daß der Beweis für fehlendes Gewinnstreben dann erbracht sei, wenn feststehe, daß der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werde und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten könne, in der Regel nicht für die Anlaufzeit eines erworbenen Betriebs gelte, vor allem dann nicht, wenn der Betrieb neu aufgebaut werde. Der IV. Senat hat aber weiter ausgesprochen, daß Verluste der Anlaufzeit dann steuerlich nicht anerkannt werden könnten, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststehe, daß er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben worden sei, von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, nachhaltige Gewinne abzuwerfen. So ist die Sachlage im Streitfall; nach den Feststellungen des FG war von vornherein ausgeschlossen, daß der Kläger aus der Bootsvercharterung in der Art, wie er sie betrieben hatte, auf Dauer nachhaltig Gewinne erzielen konnte.