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BFH-Urteil vom 11.9.1987 (VI R 189/84) BStBl. 1988 II S. 12

Benutzt ein Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen geleasten PKW, dessen laufende Kosten, Wertverzehr und Sachrisiko er trägt, so können nur die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten angesetzt werden.

EStG 1981 § 9 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung für 1982 machte er 8.844,42 DM Werbungskosten für Fahrten mit einem auf ihn zugelassenen PKW zwischen seiner in K gelegenen Wohnung und der 23 km entfernten Arbeitsstätte in F geltend. Dem geltend gemachten Betrag lag folgende Berechnung zugrunde:

"Leasingraten

 DM

7.804,50

 

Benzin, Öl

 DM

2.000,48

 

Steuer, Versicherung

 DM

1.454,00

 

Reparaturen

 DM

736,43

 

sonstige Kosten

 DM

149,29

 

 

 

 - - - - - - -

 

Kosten insgesamt

 DM

12.144,70

 

Bei einer Fahrleistung von 13.962 km ergeben sich pro Kilometer Kosten in Höhe von DM 0,87.

221 Tage x 46 km x 0,87 =                         DM 8.844,42."

                                                        = = = = = = = = = =

Über die Nutzung des Fahrzeugs, eines Audi 80 C GT, hatte der Kläger mit einer Frau H aus K unter dem 15. Dezember 1981 folgenden "Mietvertrag" abgeschlossen:

"§ 1 Mietbeginn, Mietzeit

Die Mietzeit beginnt mit dem Tage der Lieferung und Zulassung und dauert anschließend 42 Monate.

Die Vertragspartner gehen hierbei davon aus, daß das Mietobjekt eine vom Mieter genannte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (AfA-Zeit) von 4 Jahren hat.

§ 2 Gesamterwerbskosten, Verkehrswert

Die vom Vermieter im Zusammenhang mit der Beschaffung des Mietobjektes aufzuwendenden Anschaffungskosten (Gesamterwerbskosten, GEW) betragen inkl. ges. MWSt DM 21.500, - . Sie stellen die Bemessungsbasis für die Zahlungen des Mieters gemäß § 3 Abs. 1 dar.

Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß das Mietobjekt nach Ablauf der Mietzeit noch einen Verkehrswert in Höhe des Restbuchwertes von 12,5 % der GEW = DM 2.687,50 hat.

§ 3 Mieten

Während der Mietzeit gemäß § 1 zahlt der Mieter an den Vermieter eine Monatsmiete in Höhe von DM 632,80 inkl. ges. MWSt...

Kann der Vermieter die von ihm bereitgestellten Finanzierungsmittel in Höhe der GEW aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, ganz oder teilweise erst später als einen Monat nach dem vorgesehenen Mietbeginn ... auszahlen und haben sich bis dahin die allgemeinen Kapitalmarktkonditionen verteuert, so ist der Vermieter berechtigt, die Mieten an die verteuerten Kapitalmarktkonditionen anzupassen.

Dem Mieter ist bekannt, daß dem Vermieter Finanzierungsmittel nur in Höhe der GEW gemäß § 2 Abs. 1 zur Verfügung stehen. Stellt sich heraus, daß die vom Vermieter bereitgestellten Finanzierungsmittel die genannten GEW nicht decken, so wird der Mieter dem Vermieter die fehlenden Beträge umgehend als verlorene Zuschüsse erstatten. Anstelle der Erstattung der fehlenden Beträge ist der Vermieter berechtigt, die Monatsmiete gemäß § 3 Abs. 1 entsprechend anzupassen.

§ 4 Lieferung des Mietobjektes

Dem Mieter ist bekannt, daß das Mietobjekt vom Vermieter erst erworben werden muß. Die Lieferung des Mietobjektes erfolgt auf Kosten und Gefahr des Mieters, wobei der Liefertermin freibleibend ist...

§ 5 Abnahme, Gewährleistung

Der Mieter ist verpflichtet, das vom Lieferanten vertragsgemäß gelieferte Mietobjekt abzunehmen... Der Vermieter tritt seine Gewährleistungsansprüche ... an den Mieter ab... der Mieter ist verpflichtet, die abgetretenen Ansprüche auf seine Kosten zu verfolgen... Die Bestimmungen der §§ 537, 542 BGB finden keine Anwendung.

§ 6 Unterhaltung

... Die Betriebs- und Unterhaltungskosten für das Mietobjekt trägt der Mieter.

 § 8 Verlust, Untergang

Im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Zerstörung des Mietobjektes hat der Mieter dieses unverzüglich auf seine Kosten durch ein anderes funktionsfähiges Gerät bzw. durch andere funktionsfähige Geräte gleicher Art und gleichen oder neueren Modells zu ersetzen...

§ 10 Versicherungen

Der Mieter ist verpflichtet, für das Mietobjekt die gesetzliche Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens DM 1 Mio. und eine Vollkaskoversicherung abzuschließen...

 § 13 Ablauf der Mietzeit

Bei Ablauf der Mietzeit hat der Mieter das Mietobjekt auf seine Kosten unverzüglich an eine vom Vermieter zu bestimmende Anschrift ... zu übergeben.

Hat der Mieter seine Verpflichtungen aus dem Mietvertrag bis dahin erfüllt, so kann er vom Vermieter die Verlängerung des Mietvertrages oder den Verkauf des Mietobjektes verlangen. Die Verlängerung der Miete ist auf der Grundlage des in § 2 Abs. 2 genannten Verkehrswertes des Mietobjektes zu vereinbaren. Der Kaufpreis entspricht dem in § 2 Abs. 2 genannten Verkehrswert oder einem von dem Mieter nachzuweisenden Zeitwert des Mietobjektes..."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur in Höhe der Pauschbeträge gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 1.830 DM (221 Tage x 23 km x 0,36 DM) zum Abzug zu.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, daß die Leasingvereinbarung mit der im selben Haus wie der Kläger wohnhaften Vermieterin ernsthaft getroffen und durchgeführt worden sei, sei das Begehren des Klägers nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 1974 VI R 189/72 (BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354), denen sich der Senat anschließe, nicht begründet.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er führt aus:

Bei dem Abschluß des Leasingvertrages sei der Leasingerlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 19. April 1971 IV B/2 - S 2170 - 31/71 (BStBl I 1971, 264) genau beachtet worden. Dem Leasingvertrag lägen Vertragsmuster und Konditionen, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses marktüblich gewesen seien, zugrunde. Das von ihm, dem Kläger, genutzte Fahrzeug sei demnach nicht dem Leasingnehmer, sondern dem Leasinggeber als Eigentümer zuzurechnen. Denn er, der Leasingnehmer, habe weder bürgerlich-rechtliches noch wirtschaftliches Eigentum daran gehabt.

§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasse geleaste Fahrzeuge nicht; das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus einer an allgemeinen steuerrechtlichen Regeln ausgerichteten Auslegung. Die Finanzverwaltung habe zwar versucht, die Gesetzeslücke zu bereinigen, indem sie geleaste Fahrzeuge als "eigene" im Sinne der vorstehenden Vorschrift behandele (Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen - BMWF - vom 13. November 1972 F IV B 6 - S 2353 - 144/72, Betriebs-Berater - BB - 1972, 1443). Diese Rechtsauffassung sei jedoch vom Gesetz nicht gedeckt. Ein steuerlich ungebildeter Bürger könne nicht erkennen, daß ein geleastes Fahrzeug unter die Vorschrift falle. Nichts anderes gelte aber auch für einen steuerlich gebildeten Bürger, der den Leasingerlaß kenne. Nur wer auch über die Verwaltungspraxis unterrichtet sei, wisse, wie die Steuerverwaltung geleaste Fahrzeuge einordne.

Das BFH-Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221) stehe der erstrebten Entscheidung nicht entgegen. Denn der IV. Senat des BFH könne nicht beabsichtigt haben, im Wege der steuerverschärfenden Analogie eine "doppelte" wirtschaftliche Betrachtungsweise einzuführen, nämlich einerseits die Zurechnung beim Leasinggeber gemäß Leasingerlaß, und andererseits die Stornierung dieses Grundsatzes für § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, weil der gewählte Gesetzeswortlaut nicht passe.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und unter Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides die Einkommensteuer 1982 auf 5.690 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach den grundlegenden Ausführungen des Senats im Urteil in BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354 ist bei der Auslegung des Begriffs des "eigenen Kraftfahrzeugs" i.S. des jetzigen Satzes 2 des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG der vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dieser ist zunächst nach der vorerwähnten Entscheidung in der wegen der sehr großen Zahl der in Betracht kommenden Fälle notwendigen Vereinfachung zu sehen; seit der Herabsetzung der Pauschbeträge durch das Steueränderungsgesetz 1966 ist aber auch das in allgemeinen verkehrspolitischen Erwägungen begründete Bestreben des Gesetzgebers zu beachten, die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einzuschränken.

Hiervon ausgehend ist der Senat im Urteil in BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354 zu der Auffassung gelangt, daß bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte alle wirtschaftlich vergleichbaren Fälle gleichbehandelt werden müssen, da sonst dem im Gesetzeswortlaut erkennbar gewordenen Bestreben des Gesetzgebers, die Kraftfahrzeugkosten der Arbeitnehmer bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gleichmäßig zu berücksichtigen, nicht Rechnung getragen werde. Der Senat hat deshalb in der vorgenannten Entscheidung einem Arbeitnehmer, der die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Kraftfahrzeug seines Vaters unternommen und die laufenden Kosten getragen hatte, die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zugebilligt.

An diesen Grundsätzen, die sich in der vorerwähnten Entscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, hält der Senat fest. Sie führen im Streitfall dazu, daß auch dem Kläger - hier zu dessen Nachteil - nur die Pauschbeträge gewährt werden können. Denn mehr noch als im Urteilsfall in BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354 läßt sich im Streitfall das geleaste Fahrzeug wirtschaftlich als "eigenes Kraftfahrzeug" des Klägers i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ansehen, da der Kläger nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch den Wertverzehr und - wie sich aus § 8 des Mietvertrages ergibt - das volle Sachrisiko (Verlust, Zerstörung) trug.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen hält der Senat die gefundene Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auch deshalb für geboten, weil anderenfalls damit gerechnet werden müßte, daß die gesetzliche Regelung, deren Verfassungsmäßigkeit im Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9. September 1986 1 BvR 205/86 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1975, § 9 Abs. 1 Nr. 4, Rechtsspruch 22) erneut bestätigt worden ist, weitgehend unterlaufen werden könnte. Denn es bestünde die Gefahr, daß zur Erhaltung des vollen Werbungskostenabzugs Leasingverträge über Kraftfahrzeuge, die für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werden, auch dort abgeschlossen würden, wo dies wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, z.B. unter nahen Verwandten. Eine Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) würde dann häufig auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stoßen, was dem Vereinfachungszweck des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zuwiderlaufen würde.