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BFH-Urteil vom 17.9.1987 (IV R 31/87) BStBl. 1988 II S. 20

Der Umfang der von der Finanzbehörde zu bewilligenden Erleichterungen bei der Erfüllung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungspflichten richtet sich danach, welche Maßnahme im Einzelfall zur Vermeidung von Härten erforderlich ist. Dazu kann auch die vorübergehende Befreiung von der Buchführungspflicht gehören.

EStG § 4 Abs. 1, § 13a; AO 1977 §§ 130, 141, 148, 227; FGO § 102; AO § 161 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Landwirt und bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit etwa 31 ha. Der Gewinn wurde nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Mit Schreiben vom 27. März 1981 teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Kläger mit, der geschätzte Wirtschaftswert betrage 42.523 DM. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach § 13a EStG entfallen und der Kläger habe deshalb gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ab 1. Mai 1981 Bücher zu führen. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids wurde, so das Urteil des Finanzgerichts (FG), durch Urteil des Niedersächsischen FG vom 12. Dezember 1984 X 187/84 bestätigt.

Am 13. April 1984 beantragte der Kläger, ihn aus Billigkeitsgründen nach § 148 AO 1977 rückwirkend aus der Buchführungspflicht zu entlassen. Zur Begründung trug er - wie schon zur Begründung seines Antrags vom 1. Dezember 1983 - vor, die Schätzung des Wirtschaftswerts auf 42.523 DM in der Verfügung vom 27. März 1981 sei weit überhöht. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Mai 1984 ab. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde dagegen mit der Begründung zurück, nach § 148 AO 1977 könne das FA Erleichterungen bewilligen, aber nicht allgemein von der Buchführungspflicht befreien. Hinzu komme, daß es nicht statthaft sei, einen bestandskräftigen, die Buchführungspflicht begründenden Verwaltungsakt über § 148 AO 1977 letztlich im Ergebnis rückgängig zu machen.

Auf die Klage hob das FG den Ablehnungsbescheid des FA vom 28. Mai 1984 und die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 21. März 1985 auf und verpflichtete das FA, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG erneut zu bescheiden. Das FG war der Auffassung, das FA habe über den Antrag des Klägers nicht ermessensfehlerfrei befunden. Aus dem Zweck des § 148 AO 1977, Härten zu vermeiden, sei zu entnehmen, daß die Vorschrift auch eine Befreiung von der Buchführungspflicht gestatte.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung des § 148 AO 1977 gerügt wird.

Das FA ist der Auffassung, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 148 AO 1977, der nur Erleichterungen gestatte, sei eine Befreiung von der Buchführungspflicht ausgeschlossen. Zur Stützung der gegenteiligen Auffassung könne, wie das Niedersächsische FG mit Urteil vom 20. Mai 1980 VI 354/79 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 475) entschieden habe, auch nicht auf § 161 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) und das dazu ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Juli 1954 II 63/53 U (BFHE 59, 115, BStBl III 1954, 253) verwiesen werden. Der Entstehungsgeschichte des § 148 AO 1977 lasse sich zwar nicht entnehmen, daß mit der Regelung der Härteklausel in einer selbständigen Vorschrift der Umfang der möglichen Milderungsmaßnahmen gegenüber § 161 Abs. 2 AO habe vermindert werden sollen. Etwaige in diese Richtung gehende großzügigere gesetzgeberische Absichten seien aus dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht erkennbar; das FA verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 12. Mai 1981 III 35/78 (EFG 1981, 484). Das FA verweist ferner darauf, das Niedersächsische FG habe in seinen Urteilen vom 9. Januar 1986 III (VII) 558/83 und vom 23. September 1986 VIII 283/85 entschieden, § 148 AO 1977 biete keine Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der Buchführungspflicht. Auch im Streitfall gehe es nicht in erster Linie um eine Buchführungsfrage, sondern vielmehr um die Gewinnermittlung. Diese sei aber, wie auch das Schleswig-Holsteinische FG im Urteil vom 12. Mai 1981 (a.a.O.) entschieden habe, dem Regelungsbereich des § 148 AO 1977 entzogen. Das angefochtene Urteil sei auch insoweit fehlerhaft, als es infolge Hinzuschätzung von Pachtflächen eine Härte i.S. des § 148 AO 1977 für möglich halte. (Wird näher ausgeführt)

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Ablehnungsbescheid vom 28. Mai 1984 sei aufzuheben, weil das FA bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen sei, daß § 148 AO 1977 keine Befreiung von der Buchführungspflicht ermögliche. Der Kläger schließt sich der Auffassung des FG, daß § 148 AO 1977 auch eine Befreiung von der Buchführungspflicht gestatte, an. Der Kläger weist auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) hin, wonach das FA einem Unternehmer auf Antrag gestatten könne, die Umsatzsteuer nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen, wenn er von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO 1977 befreit sei. Auch daraus ergebe sich eindeutig, daß § 148 AO 1977 eine Befreiung von der Buchführungspflicht gestatte.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 148 Satz 1 AO 1977 können die Finanzbehörden widerruflich für einzelne Fälle oder für bestimmte Gruppen von Fällen Erleichterungen bewilligen, wenn die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt wird. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 148 AO 1977 ist eine Ermessensentscheidung, die, wovon auch das FG im angefochtenen Urteil ausgegangen ist, nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Nach § 102 FGO bezieht sich die gerichtliche Prüfung des die beantragte Erleichterung ablehnenden Verwaltungsakts darauf, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Ermessensfehler in diesem Sinne (Ermessensmangel) liegt auch vor, wenn die Behörde in Verkennung der Reichweite ihrer Ermessensbefugnis angenommen hat, ihr stehe eine Ermessensbefugnis nicht zu, und infolgedessen einen Antrag mit der unzutreffenden Begründung ablehnt, sie habe nach der anzuwendenden Rechtsnorm bei der Bescheidung des ihr vorliegenden Antrags keine Ermessensbefugnis, sondern müsse den Antrag aus Rechtsgründen ablehnen (vgl. z.B. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 13. Dezember 1962 III C 75.59, BVerwGE 15, 196, 201, und vom 18. Oktober 1983 1 C 131.80, BVerwGE 68, 101, 102, sowie Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 1986, § 40 Rz. 15, m.w.N.). Die Behörde hat dann fehlerhaft gehandelt und hat die Entscheidung noch einmal unter Berücksichtigung ihrer Ermessensfreiheit vorzunehmen (BVerwG-Urteil vom 13. Dezember 1962, a.a.O.).

2. Im Streitfall haben das FA die Ablehnung des Antrags des Steuerpflichtigen und die OFD die Zurückweisung der dagegen eingelegten Beschwerde damit begründet, § 148 AO 1977 gestatte es der Finanzbehörde nur, Erleichterungen im Rahmen der Verpflichtung zur Buchführung zu gewähren, nicht hingegen, von der Buchführungspflicht mit der Folge zu befreien, daß der Gewinn nicht auf Grund einer Buchführung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, sondern nach einer anderen Gewinnermittlungsart, im Streitfall nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG ermittelt wird. Die Rechtsauffassung der Finanzbehörden ist auch vom Niedersächsischen FG u.a. im Urteil vom 20. Mai 1980 VI 354/79 (a.a.O.) und vom Schleswig-Holsteinischen FG im Urteil vom 12. Mai 1981 III 35/78 (a.a.O.) sowie im Schrifttum u.a. von Tipke/Kruse (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 148 AO 1977 Tz. 1) vertreten worden. Demgegenüber vertritt das Niedersächsische FG im Urteil vom 24. August 1978 VII 279/78 (EFG 1979, 62) und vertreten im Schrifttum Leingärtner/Zaisch (Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Tz. 469), Felsmann (Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Abschn. B, Buchführungspflicht, Tz. 110), Schmidt/Seeger (Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 13 Anm. 40) und Paulick (Finanz-Rundschau - FR - 1978, 329) insbesondere unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 148 AO 1977 die Auffassung, die Vorschrift erlaube es der Finanzbehörde auch, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens ganz von der Buchführungspflicht zu befreien. Der Senat schließt sich der letzteren Auffassung an.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß es Fälle gibt, in denen Härten nur vermieden werden können, wenn Befreiung von der Buchführungspflicht insgesamt gewährt wird. Solche Härten können sich insbesondere ergeben, wenn die Überschreitung der Gewinngrenze oder Umsatzgrenze, die die Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 AO 1977 auslöst, durch einen außergewöhnlichen und einmaligen Geschäftsvorfall, beispielsweise die Veräußerung von Grund und Boden als Bauland oder die Zahlung einer einmaligen Entschädigungsleistung ausgelöst wird. Die Überschreitung der in § 141 AO 1977 festgelegten Grenzen von Umsatz und Gewinn zeigt im allgemeinen an, daß der Betrieb auf Dauer oder doch für längere Zeit eine Größe und damit eine Ertragskraft hat, die es nicht mehr gerechtfertigt erscheinen läßt, auch weiterhin den Gewinn nach einer vereinfachten Methode, insbesondere nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG zu ermitteln. Diese Aussagekraft hat indes die einmalige Überschreitung der Umsatz- und/oder der Gewinngrenze nicht, wenn sie durch einen außergewöhnlichen und einmaligen Geschäftsvorfall ausgelöst wird. In Fällen dieser Art kann die Zielsetzung des § 148 AO 1977, Härten zu vermeiden, nur verwirklicht werden, wenn Befreiung von der Buchführungspflicht insgesamt gewährt wird. Davon geht auch die Finanzverwaltung selbst aus, wenn sie in Tz. 2.4 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. Dezember 1981 (BStBl I 1981, 878, 880) und der entsprechenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in Fällen dieser Art die (gänzliche) Befreiung von der Buchführungspflicht vorsieht.

b) Der Wortlaut des § 148 AO 1977 steht der seinem Sinn und Zweck entsprechenden Auslegung, daß auch die gänzliche Befreiung von der Buchführungspflicht gewährt werden kann, jedenfalls nicht zwingend entgegen. Das Gesetz beschränkt die Ermessensbefugnis der Finanzbehörden nicht auf bestimmte Erleichterungsmaßnahmen. Es geht vielmehr erkennbar davon aus, daß der Inhalt der zu gewährenden Erleichterungen davon abhängt, wie im Einzelfall unbillige Härten vermieden werden können. Wie bereits dargelegt, können unbillige Härten in Einzelfällen aber nur dadurch vermieden werden, daß von der Buchführungspflicht in vollem Umfang befreit wird.

c) Der Senat sieht sich in dieser Rechtsauslegung dadurch bestärkt, daß auch schon die Vorgängervorschrift zu § 148 AO 1977, nämlich § 161 Abs. 2 AO, in dem Sinne ausgelegt worden ist, daß im Einzelfall auch ganz von der Heranziehung zur Buchführung abgesehen werden kann. So hatte bereits der Reichsminister der Finanzen im Runderlaß vom 5. Juli 1935 (RStBl 1935, 953, 954) die Finanzämter angewiesen, von der Heranziehung zur Buchführung u.a. dann abzusehen, wenn kleinere Betriebe in einem günstigen Jahr die Grenze des § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO überschreiten oder wenn die Einkünfte in einem Wirtschaftsjahr die (damals geltende) Grenze von 6.000 RM nur deswegen überstiegen, weil in den Einkünften Veräußerungsgewinne i.S. des § 14 EStG 1934 oder Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen i.S. des § 34 Abs. 3 EStG 1934 enthalten waren. Daß diese Verwaltungspraxis rechtens war, ergibt sich auch aus dem Urteil in BFHE 59, 115, BStBl III 1954, 253. In diesem Urteil ist der BFH offensichtlich von der Möglichkeit einer Befreiung von der Buchführungspflicht ausgegangen, denn er hatte über einen entsprechenden Antrag zu entscheiden und in den Urteilsgründen mit keinem Wort erwähnt, daß eine Befreiung von der Buchführungspflicht grundsätzlich nicht möglich sei.

d) Die langjährige Praxis der Finanzbehörden bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 AO war auch dem Gesetzgeber der AO 1977 bekannt. In der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf zur AO 1977 wurde nämlich darauf hingewiesen, daß, wenn die Buchführungsgrenze nur einmalig überschritten werde, die Möglichkeit bestehe, auf Grund des § 93 des Entwurfs der AO ( = § 148 AO 1977) von der Buchführungspflicht Befreiung zu bewilligen. Der Senat folgert hieraus, daß die Auslegung des § 148 AO 1977 in dem Sinne, daß im Einzelfall auch Befreiung von der Buchführungspflicht insgesamt gewährt werden kann, dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

e) Der Senat verkennt nicht, daß die Befreiung von der Buchführungspflicht insgesamt anders als die Gewährung von Erleichterungen bei einzelnen Buchführungspflichten zur Folge hat, daß der zu versteuernde Gewinn in einer anderen Gewinnermittlungsart ermittelt wird. In Fällen der hier zu beurteilenden Art würde es aber gerade eine unbillige Härte darstellen, den Gewinn auf Grund einer Buchführung durch Bestandsvergleich zu ermitteln. Der Auffassung der Revision, Entscheidungen, die zur Anwendung einer anderen Gewinnermittlungsart führen, seien vom Anwendungsbereich des § 148 AO 1977 gänzlich ausgeschlossen, kann somit nicht gefolgt werden.

3. Nach Auffassung des Senats kann jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß ein Fall unbilliger Härte, der die Möglichkeit zur völligen widerruflichen Befreiung von der Buchführung eröffnet, auch vorliegen kann, wenn, wie vom Kläger vorgetragen ist, das FA, von objektiv unzutreffenden Voraussetzungen ausgehend, einen überhöhten Wirtschaftswert ermittelt und darauf seine Aufforderung stützt, den Gewinn künftig durch Buchführung zu ermitteln. Allerdings kann in einem solchen Fall der Steuerpflichtige gegen die Verfügung der Behörde geltend machen, der Wirtschaftswert sei niedriger als vom FA angenommen. Wird jedoch, wie im Streitfall, die Verfügung der Finanzbehörde, der Gewinn sei auf Grund Buchführung zu ermitteln, bestandskräftig, so ist es dem Steuerpflichtigen trotz formeller Bestandskraft der Verfügung vom Grundsatz her nicht verwehrt, Befreiung von der so rechtens zustandegekommenen Verpflichtung zur Buchführung im Antragsverfahren nach § 148 AO 1977 zu begehren.

Zur Begründung eines solchen Begehrens genügt allerdings nicht der Vortrag, der Wirtschaftswert sei objektiv falsch, nämlich zu hoch festgestellt worden. Der nach ständiger Rechtsprechung für § 227 AO 1977 geltende Grundsatz, daß eine bestandskräftig festgesetzte Steuer nicht schon dann im Billigkeitsverfahren überprüft werden kann, wenn die Steuerfestsetzung lediglich offensichtlich und eindeutig falsch ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611), ist auch bei Anträgen, mit denen aus Billigkeitsgründen die Rückgängigmachung belastender Wirkungen anderer Verwaltungsakte begehrt wird, zu beachten. Es wird jedoch im Streitfall zu prüfen sein, ob eine Billigkeitsregelung deshalb in Betracht kommt, weil das FA nach Erkennen der Unrichtigkeit der ursprünglichen Berechnung den Wirtschaftswert neu und richtig hätte feststellen können und es unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles alsdann nicht der Billigkeit entsprochen hätte, den Kläger entsprechend der Regelung in § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem das FA die Beendigung der Buchführungspflicht mitteilt, an der Buchführungspflicht festzuhalten. Bei der erneuten Prüfung durch das FA wird auch von Bedeutung sein, daß es Sinn und Zweck des § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ist, ein zu häufiges Wechseln zwischen der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich und der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen (§ 13a EStG) zu verhindern (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1982 IV R 8/82, BFHE 137, 215, BStBl II 1983, 254). Dieser Zielsetzung der gesetzlichen Regelung könnte auch dadurch Rechnung getragen werden, daß das FA nach seiner Feststellung über den Beginn der Buchführungspflicht bis zur formellen Erklärung über deren Beendigung, also für einen kurzen und überschaubaren Zeitraum, den Steuerpflichtigen vorübergehend aus Billigkeitsgründen von der Buchführungspflicht freistellt, wenn es erkennt, daß seine Feststellung unrichtig war.

4. Der Auffassung der Revision, einem solchen Antrag stehe die Rechtskraft des die Buchführungspflicht begründenden Verwaltungsakts entgegen, kann nicht gefolgt werden. Die Rechtskraft des Bescheids des FA vom 27. März 1981 erschöpft sich in der Feststellung, daß wegen Überschreitens der Wirtschaftswertgrenze des § 141 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 der Gewinn künftig auf Grund Buchführung zu ermitteln ist mit der Folge des § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, daß die Verpflichtung erst mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs endet, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde feststellt, daß die Voraussetzungen für die Buchführungspflicht nicht mehr bestehen (vgl. Urteil in BFHE 137, 215, BStBl II 1983, 254). Demgegenüber ist Streitgegenstand des vom Steuerpflichtigen eingeleiteten Antragsverfahrens nach § 148 AO 1977 die Frage, ob von der so begründeten Buchführungspflicht zur Vermeidung von Härten Erleichterung in Form der Befreiung von der Buchführungspflicht zu gewähren ist. Gleiches gilt von der Entscheidung in dem Verfahren über den Antrag des Steuerpflichtigen vom 1. Dezember 1983; auch in diesem Verfahren ist nicht über einen Antrag des Steuerpflichtigen, Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 148 AO 1977 zu gewähren, entschieden worden. Der Gegenstand dieses Verfahrens war, wie sich aus dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 12. Dezember 1984 X 187/84 ergibt, die Frage, ob der Verwaltungsakt, durch den die Buchführungspflicht begründet wurde, wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 130 Abs. 1 AO 1977 zurückgenommen werden konnte.

5. Wenn das FA zur Stützung der Revision im übrigen geltend macht, im Streitfall liege eine unbillige Härte nicht vor, da der Kläger seinen Erklärungspflichten nicht nachgekommen sei und das FA deshalb die Besteuerungsgrundlagen einschließlich des Wirtschaftswerts habe schätzen müssen, so kann es damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Es handelt sich dabei um Erwägungen, die allenfalls im Rahmen der Ausübung des Ermessens berücksichtigt werden können.