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BFH-Urteil vom 5.11.1987 (IV R 153/84) BStBl. 1988 II S. 191

Die Vorschrift des § 23 Nr. 2 Satz 3 BerlinFG, nach der die für die gewerbesteuerrechtliche Zerlegung geltende Regelung des § 31 GewStG auch für die Aufteilung von gewerblichen Einkünften auf Berliner und Nicht-Berliner Betriebstätten maßgebend ist, verstößt nicht gegen das GG.

BerlinFG §§ 21, 23; GewStG § 31.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Streitig ist die Berechnung der Steuerermäßigung für Einkünfte aus Berlin (West) gemäß §§ 21 und 23 des Berlinhilfegesetzes bzw. gemäß §§ 21 und 23 des Berlinförderungsgesetzes i.d.F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I, 1482, BStBl I, 1017); im folgenden werden nur die Vorschriften des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) zitiert.

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die den An- und Verkauf von Grund und Boden, die Errichtung und den Verkauf von Eigentumswohnungen und Wohn- und Geschäftshäusern sowie die Grundstücksvermittlung und -verwaltung betreibt. In den Streitjahren 1970 bis 1972 hatte sie ihren Sitz in Berlin (West); in X unterhielt sie eine weitere Betriebstätte. Persönlich haftender Gesellschafter mit einer Einlage von 55.000 DM ist A, einzige Kommanditistin mit einer Einlage von 5.000 DM seine Ehefrau. Gewinn und Verlust werden nach dem Verhältnis der Festeinlagen auf die beiden Gesellschafter aufgeteilt.

Für die Streitjahre 1970 bis 1972 wurde bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei berechnete der Prüfer die nach §§ 21, 23 BerlinFG zu gewährende Einkommensteuerermäßigung für die in der Berliner Betriebstätte der Klägerin erzielten Einkünfte, indem er den von der Klägerin insgesamt erzielten Gewinn nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne aufteilte, die an die in Berlin und in X beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden waren.

Die Höhe der dieser Berechnung zugrunde gelegten Fremdlöhne ist dabei unstreitig.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ im Anschluß an die Betriebsprüfung Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre gegen A und B; in diese Bescheide wurden die Berechnungen des Prüfers zur Ermittlung der Steuerermäßigung nach den §§ 21, 23 BerlinFG unmittelbar übernommen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Revision hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache an das FG zurück (Urteil vom 14. Januar 1982 IV R 32/81, BFHE 135, 232, BStBl II 1982, 531). Zur Begründung führte der BFH aus, über die Frage, in welchem Umfang eine Personengesellschaft aus einer Berliner Betriebstätte Einkünfte bezogen hat, könne nur einheitlich im Gewinnfeststellungsverfahren entschieden werden. An einem entsprechenden Bescheid habe es bisher gefehlt.

Das FA erließ darauf für die Streitjahre 1970 bis 1972 Ergänzungsbescheide, in denen es die nach § 21 BerlinFG begünstigten Einkünfte für 1970 auf 143.006 DM, für 1971 auf 223.770 DM und für 1972 auf 579.373 DM feststellte und sie nach dem Gewinnverteilungsschlüssel (11/12 zu 1/12) auf die Gesellschafter A und B verteilte. Dabei ging das FA davon aus, daß der Aufteilung in begünstigte und nichtbegünstigte Einkünfte (§§ 21, 23 BerlinFG) außer den an die Arbeitnehmer gezahlten Löhnen ein Unternehmerlohn in der gemäß § 31 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1968 vorgesehenen Höhe von insgesamt 10.000 DM zugrunde zu legen ist.

Der Einspruch, der sich gegen die Begrenzung des Unternehmerlohns auf die gesetzliche Höhe von 10.000 DM sowie gegen dessen Verteilung auf die Betriebstätte in Berlin und die Betriebstätte in X richtete, hatte nur insofern Erfolg, als der bisher auf die Betriebstätte in X entfallende Anteil am Unternehmerlohn statt bisher auf 2.000 DM nunmehr auf 1.000 DM geschätzt wurde und sich hierdurch die auf Berlin entfallenden begünstigten Einkünfte entsprechend erhöhten.

Die Klage, mit der sich die Klägerin nur noch gegen den nach § 23 Nr. 2 BerlinFG i.V.m. § 31 GewStG vorgeschriebenen Ansatz des Unternehmerlohns in Höhe von 10.000 DM wendete, hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, Wortlaut und Systematik des Gesetzes ließen den Ansatz eines höheren Unternehmerlohns nicht zu. Die Vorschrift des § 23 Nr. 2 BerlinFG regle die Aufteilung in begünstigte und nichtbegünstigte Einkünfte abschließend, ohne eine andere Aufteilungsmöglichkeit offen zu lassen. Daß die Aufteilungsregelung in § 23 Nr. 2 BerlinFG i.V.m. § 31 GewStG gegen die Verfassung verstoße, sei nicht erkennbar.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, bei der Berechnung des Aufteilungsmaßstabs die Unternehmerlohnvergütungen vergleichbar angestellter Geschäftsführer mit gleichen Tätigkeitsmerkmalen zu berücksichtigen, hilfsweise, in Anlehnung an § 33 GewStG einen anderen Aufteilungsmaßstab als die Lohnsumme zugrunde zu legen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß für die Aufteilung von Einkünften, die Gewerbebetriebe mit Betriebstätten in Berlin (West) und anderen Orten erzielen, gemäß § 23 Nr. 2 BerlinFG das Verhältnis der in den einzelnen Betriebstätten gezahlten Arbeitslöhne maßgebend ist und hierbei für die Streitjahre ein Unternehmerlohn von jeweils nur 10.000 DM anzusetzen ist.

1. Bei natürlichen Personen, die ihren Wohnsitz in Berlin (West) haben, ermäßigt sich die veranlagte Einkommensteuer, soweit sie auf Einkünfte aus Berlin (West) i.S. des § 23 BerlinFG entfällt, um 30 v.H. (§ 21 Abs. 1 BerlinFG).

Einkünfte aus Berlin (West) i.S. des § 21 BerlinFG sind u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die in einer Betriebstätte in Berlin (West) erzielt worden sind (§ 23 Nr. 2 Satz 1 BerlinFG). Hat ein Gewerbebetrieb Betriebstätten in Berlin (West) und in anderen Orten unterhalten, so gilt als Gewinn der Betriebstätten in Berlin (West) der Teil des Gesamtgewinns, der sich aus dem Verhältnis ergibt, in dem die Arbeitslöhne, die an die bei den Betriebstätten in Berlin (West) beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu der Summe der Arbeitslöhne stehen, die an die bei allen Betriebstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind (§ 23 Nr. 2 Satz 2 BerlinFG).

Für den der Aufteilung des Gesamtgewinns zugrunde zu legenden Begriff der Arbeitslöhne sind die für die gewerbesteuerrechtliche Zerlegung geltenden Vorschriften des § 31 GewStG maßgebend (§ 23 Nr. 2 Satz 3 BerlinFG). Hiernach sind unter Arbeitslöhnen - vorbehaltlich einiger hier nicht in Betracht kommender Sonderregelungen - die Vergütungen nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (also Löhne, Gehälter usw.) zu verstehen (§ 31 i.V.m. § 24 Abs. 2 bis 5 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung vom 20. Oktober 1969, BGBl I, 2021, BStBl I, 654); außerdem ist bei Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben werden, für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) ein Betrag von insgesamt 10.000 DM jährlich als Arbeitslohn anzusetzen (§ 31 Nr. 2 GewStG 1968). Diese Regelung ist abschließend; andere Aufteilungsmaßstäbe hat der Gesetzgeber nicht zugelassen.

2. Die Regelung, daß beim Ansatz der Arbeitslöhne auch für den Unternehmer ein Lohnbetrag - und zwar in Höhe von 10.000 DM - anzusetzen ist, kann nicht beanstandet werden.

a) Die in einem gewerblichen Unternehmen tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) können zwar in keinem Arbeitsverhältnis zu ihrem Unternehmen stehen; infolgedessen kann auch kein Arbeitslohn für sie gezahlt werden. Wenn das Gesetz gleichwohl im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Zerlegungsvorschriften den Ansatz eines Arbeitslohns für den Unternehmer fingiert, so dient das dem Ausgleich gewisser Nachteile, die sich bei einer nur an den Fremdarbeitslöhnen orientierten Zerlegung ergeben würden. In Fällen, in denen der Unternehmer in einer Betriebstätte allein tätig ist, während in einer anderen Betriebstätte ausschließlich Arbeitnehmer tätig sind, würde sich für die Betriebstätten- Gemeinde, in der ausschließlich der Unternehmer tätig ist, kein Zerlegungsanteil ergeben; das würde für diese Gemeinde eine Benachteiligung bei der gewerbesteuerrechtlichen Zerlegung bedeuten (vgl. hierzu Beschluß des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 22. März 1939 VI B 1/39, RStBl 1939, 730; BFH-Beschluß vom 17. Januar 1956 I B 136/55, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 31, Rechtsspruch 1; Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 31 Anm. 19, S. 19 ff.).

Den Ansatz des Unternehmerlohns mit einem pauschalen (und nicht mit einem auf die individuellen Verhältnisse abgestellten) Betrag hat der Gesetzgeber vorgeschrieben, um die Zerlegungsberechnungen möglichst einfach zu gestalten.

b) Die für die gewerbesteuerrechtliche Zerlegung geltende Regelung des § 31 GewStG ist kraft gesetzlicher Verweisung (§ 23 Nr. 2 Satz 3 BerlinFG) auch für die Aufteilung der Einkünfte auf Berliner und Nicht-Berliner Betriebstätten maßgebend. Damit ist auch bei der nach dem BerlinFG durchzuführenden Aufteilung, die anhand der in den einzelnen Betriebstätten gezahlten Arbeitslöhne vorgenommen wird, ein Arbeitslohn für die im Betrieb tätigen Unternehmer (bzw. Mitunternehmer) in Höhe von 10.000 DM jährlich zu berücksichtigen. Eine andere Bewertung des Unternehmerlohns läßt das Gesetz nicht zu. Hätte der Gesetzgeber für die Ermittlung der Einkünfte aus Berlin (West) anstelle des einheitlich auf 10.000 DM bemessenen (fiktiven) Unternehmerlohns einen anderen Ansatz - wie z.B. eine vergleichbare Tätigkeitsvergütung - berücksichtigt wissen wollen, so hätte er dies anstelle der Verweisung auf § 31 GewStG zum Ausdruck gebracht. Der Gesetzgeber hat indessen die Unebenheiten, die in der von ihm getroffenen Regelung liegen, im Interesse der Gewinnung eines einfachen Aufteilungsmaßstabs bewußt in Kauf genommen (BFH-Urteil vom 29. April 1970 I R 105/68, BFHE 99, 175, BStBl II 1970, 607).

c) Die Regelung, nach der bei der gewerbesteuerrechtlichen Zerlegung sowie bei der Aufteilung der Einkünfte gemäß § 23 Nr. 2 BerlinFG der pauschale Ansatz eines (Mit-)Unternehmerlohns in Höhe von 10.000 DM vorzunehmen ist, verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor.

Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß und nicht willkürlich verfahren wird (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - und des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1978 IV R 98/74, BFHE 127, 45, BStBl II 1979, 284, m.w.N.). Unter "Willkür" ist dabei nicht die subjektive "Motivation", sondern die objektive Unangemessenheit der in Frage stehenden Maßnahmen zu verstehen (Rinck in Jahrbuch des öffentlichen Rechts n.F., Band 10, S. 274, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Eine gesetzliche Regelung verstößt hiernach nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie unter keinem sachlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (BVerfG-Beschluß vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE, 27, 58, BStBl II 1970, 140).

Pauschalregelungen sind hiernach - trotz ihrer oft zu Ungleichheiten führenden Auswirkungen - nicht von vornherein unzulässig. Der Steuergesetzgeber wird durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, anstelle eines individuellen Maßstabs für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen, es sei denn, daß die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfG-Beschluß vom 18. Mai 1971 1 BvL 7,8/69, BVerfGE 31, 119, 130 ff.).

Hiernach verstößt auch die für die Ermittlung der Berliner Einkünfte maßgebende gewerbesteuerrechtliche Zerlegungsregelung nicht gegen den Gleichheitssatz. Der Ansatz eines Unternehmerlohns nach § 31 Nr. 2 GewStG 1968 soll bewirken, daß bei der Zerlegung des einheitlichen Steuermeßbetrags auf der Grundlage der in den einzelnen Betriebstätten gezahlten Arbeitslöhne auch diejenigen Gemeinden einen Zerlegungsanteil erhalten, in denen Betriebstätten zwar unter Mitwirkung des Unternehmers, jedoch ohne Einsatz fremder Arbeitskräfte unterhalten wurden; ferner soll für die Fälle, in denen der Unternehmer in mehreren Betriebstätten geschäftsleitend tätig war, der für ihn anzusetzende fiktive Arbeitslohn nach dem Verhältnis seiner Mitwirkung aufgeteilt werden (BFH-Beschluß vom 16. September 1964 IV B 164/64 U, BFHE 81, 195, BStBl III 1965, 69). Die Berücksichtigung eines fiktiven Arbeitslohns für den Unternehmer soll also eine auch die Mitarbeit des Unternehmers in Rechnung stellende Gewichtung der Zerlegungsanteile ermöglichen. Da die geschäftsleitende Mitarbeit eines Unternehmers in seinem Betrieb kaum jemals genau bewertet werden kann, lassen sich gegen die pauschale Berücksichtigung eines fiktiven Arbeitslohns als ein für diesen Zweck geeignetes Mittel keine Einwendungen erheben. Gemessen an dem gesetzgeberischen Ziel, das mit dem pauschalen Ansatz eines Unternehmerlohns verfolgt wird, kann auch der für Betriebe sehr unterschiedlicher Größenordnung geltende Ansatz eines Betrags von 10.000 DM in den Streitjahren 1970 bis 1972 hingenommen werden. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, daß der Gesetzgeber die Höhe des fiktiven Unternehmerlohns den veränderten Verhältnissen mehrmals angepaßt hat (Erhöhung des Betrags ab 1974 auf 24.000 DM durch Gesetz vom 17. April 1974, BGBl I, 949, BStBl I, 233, 249, und ab 1986 auf 50.000 DM durch Gesetz vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735, 751).

Ebenso wie die Zerlegungsregeln nach § 31 GewStG kann auch deren Übernahme in das Berlinförderungsrecht zur Bemessung des auf Berlin entfallenden Teils der Einkünfte in § 23 Nr. 2 BerlinFG nicht als sachfremd angesehen werden. In beiden Fällen geht es um die örtliche Zuordnung von Betriebsergebnissen nach einem zur Erreichung dieses Ziels angemessenen Maßstab. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist auch insoweit nicht erkennbar.