| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 9.7.1987 (IV R 95/85) BStBl. 1988 II S. 245

1. Ein Unternehmen kann auch über längere Zeit in der Rechtsform der Erbengemeinschaft geführt werden. Die Fortführung als OHG setzt den Abschluß eines Gesellschaftsvertrags und die Überführung des Unternehmens voraus.

2. Bei der Eingehung einer stillen Gesellschaft durch die Erbengemeinschaft müssen alle Miterben mitwirken.

3. Zum Vertretungsverbot, wenn die stille Gesellschaft mit Abkömmlingen der Miterben begründet werden soll.

EStG § 12 Nr. 2; BGB § 181, § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 1909 Abs. 1, § 2032 Abs. 1, § 2038 Abs. 1, § 2040 Abs. 1; HGB n.F. § 230.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben des im Jahre 1960 verstorbenen B, der im Rahmen eines Einzelunternehmens ein Baugeschäft betrieb; die Klägerin zu 1 ist seine Witwe, der Kläger zu 2 sein Sohn. Die Kläger führten das Unternehmen des Verstorbenen unter der bisherigen Firma fort; sie waren im Handelsregister als Inhaber in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen. Seit dem 1. Januar 1977 wird das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. betrieben.

Am 3. Januar 1972 wurde zwischen der Firma B, den beiden minderjährigen Kindern C und D des Klägers zu 2, sowie der Klägerin zu 1 ein Vertrag des Inhalts abgeschlossen, daß die Kinder seit dem 1. Januar 1972 mit Einlagen von je 20.000 DM an der Firma beteiligt sein sollten. Die Beträge wurden durch Übertragung vom Kapitalkonto der Klägerin zu 1 auf die neu einzurichtenden Kapitalkonten der stillen Gesellschafter geleistet. Die stillen Gesellschafter sollten vom Gewinn der Firma 5 v.H., höchstens aber 20 v.H. ihrer Einlage erhalten und am Verlust nicht beteiligt sein. Ihre Gewinnanteile sollten verzinslichen Darlehenskonten gutgebracht werden; die stillen Gesellschafter durften über die Darlehen frei verfügen. Die Kinder sind bei Abschluß dieser Vereinbarung von ihren Eltern, dem Kläger zu 2 und seiner Ehefrau, vertreten worden. In Ausführung der Vereinbarung wurde der Gewinn des Unternehmens der Kläger in den Jahren 1972 bis 1977 um die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter und die ihnen gutgeschriebenen Darlehenszinsen gemindert.

Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1972 bis 1976 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Minderungen nicht an, da der Vertrag vom 3. Januar 1972 nicht rechtswirksam geworden sei. Im Hinblick auf die Schenkung an die Kinder hätte er notariell beurkundet werden müssen; das FA wolle hieraus im Hinblick auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 8. Dezember 1975 (BStBl I 1975, 1130 für die Kläger jedoch keine Folgerungen ziehen, weil die Finanzverwaltung in der Vergangenheit die Beurkundung nicht für erforderlich gehalten habe. Jedenfalls hätten für die Kinder aber Ergänzungspfleger mitwirken müssen. Die Klage zum Finanzgericht (FG) blieb in diesem Punkt erfolglos.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; das FG hat zu Recht entschieden, daß die ins Auge gefaßte stille Beteiligung zwischen den Klägern und ihren Abkömmlingen nicht rechtswirksam vereinbart worden ist.

1. Das FG hat offengelassen, ob die Kläger das ererbte Unternehmen in Gestalt der Erbengemeinschaft oder einer OHG fortgesetzt haben; die Kläger nehmen mit der Revision in Anspruch, dies sei in der Rechtsform der OHG geschehen. Tatsächlich muß jedoch angenommen werden, daß das Unternehmen auch noch bei Eingehung der stillen Beteiligung in der Form der Erbengemeinschaft geführt wurde.

a) Die Kläger sind die Erben des früheren Geschäftsinhabers, so daß das Unternehmen ihnen gemeinsam als gesamthänderisches Vermögen zustand (§ 2032 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Hieran hat sich in der Folge nichts geändert. Eine Erbengemeinschaft kann ohne zeitliche Begrenzung der Träger eines Unternehmens sein. Das ist vom Bundesgerichtshof (BGH) mehrfach entschieden worden (Urteile vom 21. Mai 1955 IV ZR 7/55, BGHZ 17, 299; vom 10. Februar 1960 V ZR 39/58, BGHZ 32, 60; vom 8. Oktober 1984 II ZR 233/83, BGHZ 92, 259, aus anderen Gründen aufgehoben durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 13. Mai 1986 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155). Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist von dieser Möglichkeit ausgegangen (vgl. Urteile vom 17. September 1970 IV R 178/67, BFHE 100, 360, BStBl II 1971, 87; vom 5. November 1974 VIII R 81/69, BFHE 114, 475, BStBl II 1975, 411; vom 10. Dezember 1975 I R 133/73, BFHE 118, 304, BStBl II 1976, 368).

b) Zwar können die Erben das Unternehmen auch auf eine zwischen ihnen begründete OHG überführen. Doch bedarf es dazu des Abschlusses eines gesonderten Gesellschaftsvertrages und insbesondere der Übertragung der Unternehmensgüter von der Erbengemeinschaft auf die Personengesellschaft; bei der Erbengemeinschaft und der Personengesellschaft würde es sich jeweils um ein gesondertes Gesamthandsvermögen und einen eigenständigen Unternehmensträger handeln (vgl. BGHZ 92, 259). Haben die Erben sich allerdings hinsichtlich des Privatvermögens auseinandergesetzt, können sie ihre Erbteile nach § 2033 BGB in die neugegründete Handelsgesellschaft einlegen, so daß die Erbengemeinschaft durch Konfusion aller Erbteile erlischt. Dagegen kann die Erbengemeinschaft nicht ohne eine derartige Vermögensübertragung im Wege der formwechselnden Umwandlung in eine Personenhandelsgesellschaft übergehen (vgl. Karsten Schmidt, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 2785, 2786 und derselbe in Gesellschaftsrecht, 1986, 292).

Für den Abschluß eines gesonderten Gesellschaftsvertrags zwischen den Klägern und insbesondere die Übertragung von Vermögen seitens der Erbengemeinschaft auf eine neugegründete OHG ergeben die Feststellungen des FG aber keine Anhaltspunkte. Damit erweist sich die Eintragung im Handelsregister als zutreffend, das nach Feststellungen des FG die Kläger als Inhaber des Unternehmens in ungeteilter Erbengemeinschaft ausweist.

c) Hinsichtlich ihres gemeinsamen Unternehmens konnten die Kläger mit einem Dritten eine stille Gesellschaft i.S. der §§ 230 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) n.F. eingehen. Beim Abschluß des Gesellschaftsvertrags mußten beide Kläger für das Unternehmen tätig werden. Nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zu; wie sich insbesondere aus § 2040 Abs. 1 BGB ergibt, gehört dazu auch der Abschluß von Rechtsgeschäften mit Wirkung für den Nachlaß. Danach sind die Erben lediglich zur Gesamtvertretung berechtigt (vgl. BGH-Urteil vom 29. März 1971 III ZR 255/68, BGHZ 56, 47; Strothmann, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZiP - 1985, 969, 974). Zwar können die Miterben eine abweichende Vereinbarung treffen und auch Einzelvertretungsmacht einräumen (vgl. BGH, a.a.O.); hierfür gibt es im Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte.

2. Entsprechend dieser Rechtslage sind bei Abschluß des Vertrags über die stille Gesellschaft beide Kläger für die Erbengemeinschaft tätig geworden. Der Kläger zu 2 ist darüber hinaus gemeinsam mit seiner Ehefrau als gesetzlicher Vertreter für seine Kinder aufgetreten, die die Partner der stillen Gesellschaft sein sollten. Um einen möglichen Interessenkonflikt zu verhindern, schließt § 181 BGB aber aus, daß ein Vertreter mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft eingeht. Wie sich aus § 1795 Abs. 2, § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt, gilt dies auch für Eltern, die als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder tätig werden. Für Eltern besteht darüber hinaus ein Vertretungshindernis auch dann, wenn für das Kind ein Rechtsgeschäft mit Verwandten in gerader Linie abgeschlossen werden soll (§§ 1795 Abs. 1 Nr. 1, 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nach beiden Regelungen konnte der Kläger im Streitfall nicht für seine Kinder tätig werden; der Vertrag über die stille Gesellschaft mußte sowohl mit dem Vater als auch der Großmutter der Kinder als den Mitgliedern der Erbengemeinschaft abgeschlossen werden. Hierzu hätten Ergänzungspfleger bestellt werden müssen (§ 1909 Abs. 1 BGB).

Allerdings greift das Vertretungsverbot nicht ein, wenn der Abschluß des Vertrags für die Kinder lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt; dies gilt auch für die Beschränkung des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB (BGH-Beschluß vom 16. April 1975 V ZB 15/74, NJW 1975, 1885).

Zu den rechtlich vorteilhaften Geschäften kann auch die schenkweise Begründung einer stillen Beteiligung zugunsten des Kindes gehören. Dabei ist bedeutsam, in welcher Weise die stille Beteiligung begründet wird. Werden die einzulegenden Mittel dem Kinde durch den Geschäftsinhaber oder durch einen Dritten unter der Auflage gewährt, sie für die Einlage in der stillen Gesellschaft zu verwenden, ist das Geschäft wegen der mit dieser Auflage verbundenen Handlungspflicht für das Kind nicht allein rechtlich vorteilhaft, so daß die Bestellung eines Pflegers erforderlich wird (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1973 I R 101/72, BFHE 111, 85, BStBl II 1974, 289; vom 19. Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLG - vom 22. Mai 1974 2 Z 20/84, Der Deutsche Rechtspfleger - Rpfleger - 1974, 309). Wird die Einlage des Kindes dagegen dadurch erbracht, daß der Geschäftsinhaber sie von seinem Kapitalkonto abbucht, läßt sich die Auffassung vertreten, daß mangels jeder Handlungspflicht dem Kind nur ein rechtlicher Vorteil gewährt wird, sofern es auch nur am Gewinn, nicht aber am Verlust des Unternehmens beteiligt sein soll (so Tiedtke, Der Betrieb - DB - 1977, 1064; abweichend Urteil in BFHE 111, 85, BStBl II 1974, 289).

Hierauf braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil im Streitfall die stille Beteiligung nicht in dieser Form begründet worden ist. Wie das FG zu Recht hervorgehoben hat, war Geschäftsinhaberin und Partnerin des Gesellschaftsvertrages nämlich die Erbengemeinschaft, während die Mittel für die Einlage von der Klägerin zu 1 zur Verfügung gestellt wurden. In der zu diesem Zweck vorgenommenen Abbuchung von ihrem Kapitalkonto liegt rechtlich die Begründung einer Auszahlungsverpflichtung der Erbengemeinschaft, die die Klägerin zu 1 an ihre Enkel abgetreten hat. Diese Schenkung war nach dem beabsichtigten Geschäftserfolg mit der Auflage verbunden, die Forderung als Einlage in der stillen Gesellschaft mit der Erbengemeinschaft zu verwenden. Dieser Verwendungsauflage kam eigene rechtliche Bedeutung zu, die zu einer Belastung der Kinder führte und die Vertretung durch Ergänzungspfleger erforderlich machte.

Der Vorgang unterscheidet sich auch von einer Zuwendung, bei der der Geschäftsinhaber selbst die Mittel zur Verfügung stellt, aus denen das Kind die Einlage erbringen soll. Der VIII. Senat des BFH hat bei einer derartigen Gewährung von Mitteln zum Zwecke der Rückzahlung als Darlehen die Auffassung vertreten, daß nicht der Geldbetrag, sondern die Darlehensforderung geschenkt sei (Urteil vom 10. April 1984 VIII R 134/81, BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705). Der III. Senat des BFH teilt diese Auffassung nicht (Urteil vom 20. März 1987 III R 197/83, BFHE 149, 464). Der Senat braucht weder auf diese Rechtsfrage einzugehen, noch zu entscheiden, ob die schenkweise Gewährung von Mitteln für die Einlage in einer stillen Gesellschaft nach gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Denn im Streitfall hat nicht die Erbengemeinschaft Mittel mit der Verpflichtung zur Rückgewähr zur Verfügung gestellt. Dies ist vielmehr seitens der Klägerin zu 1 geschehen; die Mittel sollten auch nicht ihr zurückgewährt, sondern der Erbengemeinschaft zur Verfügung gestellt werden.

Zu Recht ist das FG nicht der Frage nachgegangen, ob die Kinder den Gesellschaftsvertrag nach Erreichung der Volljährigkeit genehmigt haben. Sofern der bisher schwebend unwirksame Gesellschaftsvertrag deswegen nachträglich wirksam geworden ist, kann sich die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigung doch nicht auf die steuerlichen Verhältnisse in den Streitjahren auswirken. Der Senat hat hierzu in seiner Entscheidung vom 5. März 1981 IV R 150/76 (BFHE 132, 563, BStBl II 1981, 435) eingehend Stellung genommen; auf diese Ausführungen wird verwiesen.

Ob der Gesellschaftsvertrag auch der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, brauchte der Senat angesichts dieser Rechtslage nicht zu prüfen.

3. Wie andere vertragliche Vereinbarungen, kann auch die Eingehung einer stillen Gesellschaft zwischen Familienangehörigen steuerlich nur Berücksichtigung finden, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustandegekommen ist und sowohl nach ihrer Gestaltung als auch nach ihrer Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 62/74, BFHE 115, 232, BStBl II 1975, 569; vom 8. August 1974 IV R 101/73, BFHE 113, 361, BStBl II 1975, 34; vom 19. Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242). Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen tatsächlich im geschäftlichen und nicht im privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes) wurzeln. Nach dem Gesagten ist diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt, weil die Gesellschaftsverträge nicht wirksam zustandegekommen sind.