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BFH-Urteil vom 12.8.1987 (II R 202/84) BStBl. 1988 II S. 318

Soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Feststellungsbescheid, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindung dieses Grundlagenbescheids gehemmt und wird diese Hemmung durch § 171 Abs. 10 AO 1977 auf die Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids ausgedehnt.

AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 10, §§ 181, 182 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1985, 7)

Sachverhalt

Im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens erließ das Finanzamt (FA) am 25. Januar 1980 einen Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1978. Dabei setzte es die dem gewerblichen Betrieb dienenden Grundstücke entsprechend der von der Klägerin am 23. November 1979 eingereichten Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1978 einschließlich eines Zuschlags von 40 v.H. mit 655.480 DM an. Der Einheitswert des Betriebsvermögens betrug danach 936.000 DM. Die Wertfortschreibung führte zu einer Neuveranlagung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1978. Unter Zugrundelegung der Angaben der von der Klägerin ebenfalls am 23. November 1978 eingereichten Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1978 bei einem Ansatz des Betriebsvermögens von 936.000 DM betrug die im Bescheid vom 1. Februar 1980 festgesetzte Jahressteuerschuld 6.552 DM.

Am 17. Dezember 1982 ging beim FA eine Einheitswertmitteilung des FA Bad Segeberg über ein der Klägerin gehörendes Geschäftsgrundstück ein, das bisher nicht bewertet worden war. Danach war der Einheitswert für dieses Betriebsgrundstück durch Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1978 auf 102.000 DM festgestellt worden. Da dieses Grundstück in der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1978 nicht erklärt und bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht erfaßt worden war, änderte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens unter Einbeziehung dieses Betriebsgrundstücks mit 140 v.H. des festgestellten Einheitswerts durch Bescheid vom 9. Mai 1983 auf 1.079.000 DM fest. Aufgrund dieses geänderten Bescheides erließ das beklagte FA am 3. August 1983 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1978 und setzte die Jahressteuerschuld auf 7.553 DM fest.

Die nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage, mit der die Aufhebung des geänderten Vermögensteuerbescheids vom 3. August 1983 begehrt wird, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung von § 169 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 10 AO 1977. Zur Begründung führt sie aus, begrifflich könne eine Hemmung der Festsetzungsfrist nur eintreten, wenn die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen wäre.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist u.a. die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1978, weil die Vermögensteuererklärung noch im Jahr 1978 abgegeben worden war, am 31. Dezember 1982 abgelaufen wäre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977). Sie ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß die Festsetzungsfrist in bezug auf die vorgenommene Änderung in ihrem Ablauf nach § 171 Abs. 10 AO 1977 gehemmt und die Feststellungsfrist für die Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs beim Erlaß des Änderungsbescheids vom 9. Mai 1983 (wie unter den Beteiligten unstreitig) noch nicht abgelaufen war.

Gemäß § 171 Abs. 10 AO 1977 endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Zweck dieser Regelung ist es, den Finanzbehörden ausreichend Zeit für die Auswertung eines Grundlagenbescheids einzuräumen. § 171 Abs. 10 AO 1977 ist somit die verjährungsrechtliche Ergänzung zu § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, wonach ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

§ 171 Abs. 10 AO 1977 bewirkt, daß - unbeschadet des Ablaufs der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im übrigen - der Ablauf der Festsetzungsfrist insoweit gehemmt ist, als die Folgesteuer auf einem Grundlagenbescheid beruht oder beruhen kann. Daraus folgt, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer insoweit verknüpft ist mit der Feststellungsfrist (vgl. § 181 Abs. 1 bis 3 AO 1977), die ihrerseits für die Zulässigkeit des Erlasses des Grundlagenbescheids (§ 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 AO 1977) maßgeblich ist. § 171 Abs. 10 AO 1977 bewirkt folglich nicht, wie das FG meint, daß eine zunächst abgelaufene Festsetzungsfrist durch den Erlaß eines Grundlagenbescheids im Umfang der von diesem ausgehenden Bindungswirkung wieder erneut in Lauf gesetzt wird. Soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Feststellungsbescheid, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindung dieses Grundlagenbescheids gehemmt und wird diese Hemmung durch § 171 Abs. 10 AO 1977 auf die Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids ausgedehnt.

Die Ablaufhemmung bezieht sich dabei nur auf diejenige Steuer (denjenigen Steuerbetrag oder -teilbetrag), für die die Besteuerungsgrundlagen abweichend von § 157 Abs. 2 AO 1977 im Feststellungsbescheid verbindlich (§ 182 Abs. 1 AO 1977) gesondert festgestellt sind. Die Begrenzung der Ablaufhemmung folgt aus der in § 171 Abs. 10 AO 1977 durch das Wort "soweit" enthaltenen Einschränkung. § 181 Abs. 5 AO 1977 hat dabei außer Betracht zu bleiben (vgl. § 181 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz AO 1977).