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BFH-Urteil vom 9.12.1987 (I R 35/86) BStBl. 1988 II S. 466

1. Im vEK-Bescheid werden die Bestände des verwendbaren Eigenkapitals zu dem im Bescheid genannten Stichtag festgestellt. Soweit zur Berechnung dieser Bestände Eigenkapital Zu- und -abgänge ermittelt werden, handelt es sich um unselbständige Besteuerungsgrundlagen i. S. des § 157 Abs. 2 AO 1977.

2. Aufgrund des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 i.V. m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 muß der Körperschaftsteuerbescheid in seinem feststellenden Teil das Einkommen und die Tarifbelastung den Beträgen nach bezeichnen.

3. Das Einkommen i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977 ist in einem Körperschaftsteuerbescheid dann nicht festgestellt, wenn für den Adressaten des Bescheids kein feststellender Verfügungssatz erkennbar ist, der Aufschluß darüber gibt, in welcher Höhe das Einkommen als festgestellt gilt.

4. Ist das Einkommen in einem Körperschaftsteuerbescheid nicht gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 festgestellt worden, so ist die fehlende Feststellung durch Erlaß eines Ergänzungsbescheids gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 nachzuholen.

5. In dem Ergänzungsbescheid kann keine verbindliche Aussage über die Abzugsfähigkeit eines Verlustes gemacht werden, der für das Verlustentstehungsjahr als (negatives) Einkommen gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 festgestellt gilt.

KStG 1977 § 47; AO 1977 § 157, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10, 124 Abs. 1, § 182 Abs. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Streitjahr 1980 einen Gewerbebetrieb. Wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung 1980 schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewinn der Klägerin für 1980 auf 2.500 DM. Gleichzeitig ließ er einen Verlust aus dem Jahre 1979 in Höhe von 2.500 DM gemäß § 8 Abs. 1 und 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 i.V. m. § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Abzug zu und setzte die Körperschaftsteuer 1980 ohne Vorbehalt mit 0 DM fest. Der entsprechende Bescheid ging am 3. Januar 1983 zur Post und wurde innerhalb der Einspruchsfrist durch keinen Rechtsbehelf angefochten.

Am 3. Januar 1983 erließ das FA ferner einen Feststellungsbescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1977 betreffend das zum 31. Dezember 1980 zu gliedernde verwendbare Eigenkapital. Der Bescheid war unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt. Er wurde später gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert, nachdem die Klägerin am 18. Februar 1983 sowohl die Körperschaftsteuererklärung 1980 als auch eine Feststellungserklärung über das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1980 eingereicht hatte. In dem geänderten Feststellungsbescheid ging das FA von einem in 1980 erzielten Verlust der Klägerin in Höhe von 7.166 DM aus. Die Änderung auch des Körperschaftsteuerbescheids 1980 wegen einer anderweitigen Verlustfeststellung lehnte das FA unter Berufung auf dessen Bestandskraft ab.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 und des § 47 KStG 1977.

Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheids vom 11. März 1983 das FA zu verpflichten, den Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 3. Januar 1983 in der Weise zu ändern, daß ein vortragsfähiger Verlust in Höhe von 7.166 DM festgestellt werde.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zutreffend die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1980 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 abgelehnt. Eine nach dieser Vorschrift mögliche Änderung setzt voraus, daß ein Grundlagenbescheid mit Wirkung für den Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 3. Januar 1983 geändert worden ist. Daran fehlt es im Streitfall, weil der Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) im Bescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1977 (vEK-Bescheid) weder bezüglich des in ihm angesetzten Verlustes 1980 noch bezüglich eines Verlustvortrages Grundlagenfunktion i. S. des § 182 Abs. 1 AO 1977 für den Körperschaftsteuerbescheid zukommt. Im vEK-Bescheid werden nur die Bestände des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1980 festgestellt. Soweit zur Berechnung dieser Bestände Eigenkapital Zu- und -abgänge ermittelt wurden, handelt es sich um unselbständige Besteuerungsgrundlagen i. S. des § 157 Abs. 2 AO 1977, die nicht zum anfechtbaren Teil des vEK-Bescheids gehören und deshalb auch nicht die Folgeänderung i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 auszulösen geeignet sind.

2. Das FG hat ferner zutreffend eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1980 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 abgelehnt, weil die Klägerin infolge der verspäteten Abgabe der Steuererklärung ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der für sie günstigen Tatsachen trifft.

3. Das FG hat jedoch nicht geprüft, ob das FA nicht im Streitfall eine notwendige Feststellung unterlassen hat und deshalb ein Ergänzungsbescheid gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 zu erlassen ist. Dazu geht der erkennende Senat von folgenden aus:

a) Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 gilt der Körperschaftsteuerbescheid gegenüber dem Feststellungsbescheid i. S. des § 47 Abs. 1 KStG 1977 (vEK-Bescheid) als Grundlagenbescheid, soweit im Körperschaftsteuerbescheid das Einkommen und die Tarifbelastung angesetzt sind. Folglich ist zwischen dem die Steuer festsetzenden und dem das Einkommen bzw. die Tarifbelastung fingiert feststellenden Teil des Körperschaftsteuerbescheids zu unterscheiden. Beide Teile sind bzw. gelten für sich genommen als Regelungen i. S. des § 118 AO 1977. § 47 Abs. 2 KStG 1977 schreibt allerdings vor, daß beide Teile in einem Bescheid zusammenzufassen sind. Die Vorschrift stellt insoweit auf den Ansatz des Einkommens bzw. der Tarifbelastung im Körperschaftsteuerbescheid ab und mißt diesen Ansätzen die Funktion eines Grundlagenbescheids zu. § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 erweitert damit die in § 171 Abs. 10 AO 1977 aufgezählten Grundlagenbescheide im Wege der Fiktion um den feststellenden Teil des Körperschaftsteuerbescheids. Auf diesen Teil des Körperschaftsteuerbescheids findet wegen § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auch § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 Anwendung. Deshalb muß der Körperschaftsteuerbescheid in seinem fingiert feststellenden Teil das Einkommen und die Tarifbelastung den Beträgen nach bezeichnen. Außerdem muß aus ihm hervorgehen, welcher Person gegenüber das Einkommen und die Tarifbelastung fingiert festgestellt werden und für welchen Zeitraum die Feststellungen wirken. Diese Anforderungen müssen nicht zuletzt deshalb an den fingiert feststellenden Teil des Körperschaftsteuerbescheids gestellt werden, weil er nur mit dem Inhalt wirksam wird, mit dem er bekanntgegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Ist aber für das Wirksamwerden eines Bescheids auf den bekanntgegebenen Inhalt abzustellen, so besteht ein fingiert feststellender Teil des Körperschaftsteuerbescheids nur, wenn und soweit in ihm das Einkommen bzw. die Tarifbelastung für den Adressaten erkennbar als festgestellt gilt.

b) Im Streitfall gilt das Einkommen 1980 nicht i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 als festgestellt. Der Körperschaftsteuerbescheid ist auf dem Vordruck "KSt 2 A Jan 81 (3)" gefertigt. In dem Vordruck wird das "Einkommen" an keiner Stelle ausgewiesen. In verschiedenen Zeilen ist eine Zwischensumme oder ein Übertrag angesetzt. Die Zeile 100a enthält das zu versteuernde Einkommen vor Abrundung mit 0 DM und die Zeile 101 das zu versteuernde Einkommen nach Abrundung ebenfalls mit 0 DM. An keiner Stelle findet sich ein feststellender Verfügungssatz, der Aufschluß darüber geben könnte, welcher Betrag als Einkommen i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 festgestellt gilt.

Zwar hat das FG in der Vorentscheidung die dem Körperschaftsteuerbescheid 1980 entnommenen Besteuerungsgrundlagen in tatsächlicher Hinsicht nicht ausdrücklich festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Senat kann sie dennoch bei seiner Entscheidung berücksichtigen, weil das FG sich auf den Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 3. Januar 1983 bezogen hat. Damit gelten die in ihm angesetzten und zwischen den Beteiligten unstreitigen Besteuerungsgrundlagen als i. S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellt (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285).

c) Ist das Einkommen 1980 i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 nicht fingiert festgestellt worden, so ist die fehlende Feststellung nachzuholen. Da die Vorschrift die Zusammenfassung des festsetzenden und des fingiert feststellenden Teils des Körperschaftsteuerbescheids in demselben zwingend vorschreibt, ist der Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 3. Januar 1983 um den bisher fehlenden feststellenden Teil zu ergänzen. Die Rechtsgrundlage für die Ergänzung findet sich in der entsprechenden Anwendung des § 179 Abs. 3 AO 1977.

d) Zwar ist es rechtlich möglich, in dem noch zu erlassenden Ergänzungsbescheid zum Körperschaftsteuerbescheid 1980 ein negatives Einkommen fingiert festzustellen. Dies bewirkt jedoch nicht zugleich die fingierte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes 1980. Dazu kann dahinstehen, was unter dem Einkommen i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977 zu verstehen ist. Die fingierte Feststellung des Einkommens in einem Verlustentstehungsjahr legt den Verlustabzug für das Verlustabzugsjahr nicht bindend fest. Dies folgt aus dem in § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 verwendeten Wort "insoweit". Mit diesem Wort nimmt der Satz 2 auf den Satz 1 des § 47 Abs. 2 KStG 1977 Bezug. Für den Bereich der Tatbestandsvoraussetzungen bedeutet dies eine Bezugnahme auf die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids, wenn und soweit sie auf einem anderweitigen Ansatz des Einkommens und/oder der Tarifbelastung beruht. Für den Rechtsfolgenbereich bezieht sich dagegen das Wort "insoweit" auf die in § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977 allein vorgesehene Folgeänderung des vEK-Bescheids. Die von dem fingiert feststellenden Teil des Körperschaftsteuerbescheids ausgehende Bindungswirkung besteht deshalb nur gegenüber dem vEK-Bescheid. Nur ihm gegenüber greift die Rechtsfolge des § 182 Abs. 1 AO 1977 ein. Einer weitergehenden Bindungswirkung - z.B. auf die Feststellung des Wertes der in § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) bezeichneten Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften (§§ 112, 113a, BewG) - steht der Wortlaut der in § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 enthaltenen Fiktion entgegen. Deshalb ist der Verlustabzug nicht an das gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 fingiert festgestellte Einkommen gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554).

4. Da das FG die Rechtslage bisher nicht vollständig geprüft hat, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird in tatsächlicher Hinsicht feststellen müssen, welcher Betrag als Einkommen gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 in einem Ergänzungsbescheid für 1980 anzusetzen ist. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.