| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 18.12.1987 (VI R 147/84) BStBl. 1988 II S. 504

Die Gewährung des sog. Zukunftssicherungsfreibetrages (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV) hängt nicht davon ab, ob die Ausgaben für Zukunftssicherung beim Arbeitnehmer dem Grunde nach Sonderausgaben darstellen (entgegen Abschn. 11 Abs. 1 LStR 1975; jetzt Abschn. 11 Abs. 5 LStR).

LStDV 1975 § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3; LStR 1975 Abschn. 11 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg (EFG 1984, 85)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte zur Zukunftssicherung einer bestimmten Gruppe ihrer Arbeitnehmer beginnend mit dem 1. November 1969 einen Gruppenlebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Versicherungsvertrag, für den die Voraussetzungen des § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unstreitig nicht gegeben sind, sieht die Zahlung einer jährlichen Altersrente vor, die sich aus einem Einmalbeitrag in Höhe von 200 DM ergibt. Die Altersrente soll sich um den Betrag erhöhen, der sich aus den alljährlichen weiteren Einmalbeitragszahlungen errechnet. Seit 1969 sind sämtliche Versicherungen mit einer jährlichen Beitragszahlung von je 200 DM abgeschlossen worden. Die Versicherungsbeiträge ließ die Klägerin als Zukunftssicherungsleistungen steuerfrei.

Nach einer die Jahre 1976 und 1977 umfassenden Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) unter Hinweis auf Abschn. 11 Abs. 1 der Lohnsteuer- Richtlinien 1975 (LStR 1975) die Auffassung, die Klägerin habe die Versicherungsbeiträge zu Unrecht als Zukunftssicherungsleistungen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) steuerfrei belassen. Der Ansatz des Zukunftssicherungsfreibetrages (312 DM) auf die Direktversicherungen sei nicht möglich, weil die Leistungen der Klägerin - Direktversicherung gegen Einmalbeitrag - bei den Arbeitnehmern keine Sonderausgaben sein könnten.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Im einzelnen führte das Finanzgericht (FG) aus: Die in Abschn. 11 Abs. 1 LStR 1975 von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, den Ansatz des Zukunftssicherungsfreibetrages davon abhängig zu machen, daß es sich bei den Prämienzahlungen für eine Direktversicherung um Leistungen handele, die bei dem Arbeitnehmer als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten, sei aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV nicht abzuleiten. Die Finanzverwaltung beziehe sich für ihre Auffassung zu Unrecht auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. März 1958 VI 92/55 U (BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266), und vom 13. August 1971 VI R 171/68 (BFHE 103, 350, BStBl II 1972, 57). Der BFH habe mit dieser Rechtsprechung lediglich sicherstellen wollen, daß eine doppelte steuerliche Berücksichtigung der Leistungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung durch Gewährung eines Freibetrages und zugleich durch die Abziehbarkeit als Sonderausgaben ausgeschlossen werde. Die umgekehrte Schlußfolgerung, daß ein Freibetrag nicht gewährt werden könne, soweit die Zukunftssicherungsleistungen keinen Sonderausgabencharakter hätten, sei aus dem BFH-Urteil hingegen nicht ableitbar. Der vom BFH verfolgte Zweck des Ausschlusses einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung falle auch mit dem Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) 1975 insoweit weg, als nunmehr Rentenversicherungen mit einem Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen werden könnten. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV ab 1975 lasse sich entnehmen, daß mit der Änderung des § 10 EStG auch eine entsprechende Änderung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV 1975 habe verbunden sein sollen.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt die unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV. Zur Begründung führt es u.a. aus: Die Vorentscheidung verstoße gegen das Urteil in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266, indem sie den Zukunftssicherungsfreibetrag auch für Leistungen des Arbeitgebers zulasse, die begrifflich keine Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG seien. Der Zukunftssicherungsfreibetrag sei seinem Wesen nach ein pauschalierter Sonderausgabenbetrag (BFH-Urteil vom 2. August 1963 VI 93/61 S, BFHE 77, 452, BStBl III 1963, 485), der nur unter der Voraussetzung steuerfrei belassen werden könne, daß es sich um eine Leistung handele, die bei dem Arbeitnehmer - würde er sie selbst erbringen - begrifflich Sonderausgaben darstellen würden (Abschn. 11 Abs. 1 LStR 1975).

Die Klägerin tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Die Gewährung des sog. Zukunftssicherungsfreibetrages hängt nicht davon ab, daß die Ausgaben für Zukunftssicherung beim Arbeitnehmer dem Grunde nach Sonderausgaben darstellen.

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 EStG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes sicherzustellen (Zukunftssicherung). Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV gehören diese Zukunftssicherungsausgaben aber nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM übersteigen.

Die Zahlungen der Klägerin auf die Gruppenlebensversicherung dienten der Sicherstellung ihrer Arbeitnehmer oder der diesen nahestehenden Personen für den Fall des Alters oder des Todes. Diese Zweckbestimmung der Ausgaben wird nicht dadurch beeinflußt, daß sie auf eine Gruppenlebensversicherung gegen laufende Beiträge oder gegen Einmalbeiträge geleistet werden. In beiden Fällen handelt es sich um Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV.

Entgegen der Auffassung des FA, das sich auf die entsprechende Verwaltungsanweisung in Abschn. 11 Abs. 1 Satz 1 LStR 1975 (Abschn. 11 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 LStR ab 1978) beruft, setzt die Gewährung des Zukunftssicherungsfreibetrages nicht voraus, daß es sich bei den Ausgaben des Arbeitgebers um Zukunftssicherungsausgaben handelt, die bei dem Arbeitnehmer dem Grunde nach Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellen können. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist nicht etwa geboten, um die Rechtsgültigkeit des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV zu rechtfertigen. Der Senat hat die Rechtsgültigkeit der Vorschrift bereits im Urteil vom 31. Oktober 1957 VI 1/54 U (BFHE 66, 8, BStBl III 1958, 4) bejaht. Er hält an dieser Auffassung fest. Dabei sieht er sich durch § 40b Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz EStG bestätigt, mit dem auch der Zukunftssicherungsfreibetrag angesprochen ist. Aus ihm ergibt sich, daß der Gesetzgeber ebenfalls von der Rechtmäßigkeit des Zukunftssicherungsfreibetrages ausgeht.

Die Finanzverwaltung stellt für ihre Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BFH in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266 ab. Der BFH hatte dort nur zu entscheiden, ob Ausgaben des Arbeitgebers, die gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV bis zur Höhe von 312 DM zum nicht steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, in Höhe des Freibetrages vom Arbeitnehmer zusätzlich noch als Sonderausgaben geltend gemacht werden konnten. Er hat dies mit dem Argument verneint, es wäre nicht gerechtfertigt, einen Betrag, der nach den allgemeinen Bestimmungen an sich als Arbeitslohn angesetzt werden müßte, steuerfrei zu belassen und den gleichen Betrag nochmals als Sonderausgaben einkommensmindernd abzusetzen. Diese Auffassung hat ab 1975 in § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG ihren gesetzlichen Niederschlag dadurch gefunden, daß vom Sonderausgabenabzug solche Vorsorgeaufwendungen ausgeschlossen sind, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Auch wenn sich in dem Urteil in BFHE 77, 452, BStBl III 1963, 485 unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 66, 693, BStBl III 1958, 266 die Formulierung findet, der Freibetrag von 312 DM sei eine Sonderausgabenpauschale, nicht hingegen ein besonderer Freibetrag für den Arbeitnehmer oder für den Arbeitgeber, so ändert diese zu weit geratene Formulierung nichts daran, daß es dem BFH nur darum ging, eine mehrfache Begünstigung durch die Steuerfreiheit vom Arbeitslohn einerseits und den anschließenden Sonderausgabenabzug dieses steuerfreien Betrages andererseits zu verhindern. Nur insoweit mußte der Freibetrag von 312 DM mit dem Sonderausgabenabzug in Verbindung gebracht werden. Aus dieser Rechtsprechung und dem später in § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG niedergelegten Sonderausgabenabzugsverbot kann aber nicht gefolgert werden, daß Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV nur solche sind, die dem Grund nach auch als Sonderausgaben geltend gemacht werden könnten (gleicher Ansicht Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 19 EStG Anm. 238; Giloy in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 19 Rdnr. B 856). Hierfür läßt sich weder aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV etwas ableiten noch erfordert der Gedanke der Doppelbegünstigung eine entsprechende Auslegung dieser Vorschrift. Erfüllen Zukunftssicherungsausgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV zugleich die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug, so ist dieser gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Höhe des Zukunftssicherungsfreibetrages zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Sind die Zukunftssicherungsausgaben hingegen dem Grunde nach keine Sonderausgaben, so kann es schon deshalb nicht zu einer Doppelbegünstigung kommen. Es ist kein Grund erkennbar, für diesen Fall unter Hinweis auf den nicht möglichen Sonderausgabenabzug auch den Ansatz des Zukunftssicherungsfreibetrages zu versagen.