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BFH-Urteil vom 29.1.1988 (X R 7/81) BStBl. 1988 II S. 506

1. Eine Publikumskommanditgesellschaft bewirkt steuerbare, aber gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1973 steuerfreie Umsätze auch dadurch, daß ihr Treuhänderkommanditist zahlreiche Anleger (Treugeberkommanditisten) an seinem Kommanditanteil beteiligt; Umsatzsteuerbeträge, die ein Vermittler der Beteiligungen der Gesellschaft in Rechnung stellt, sind gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1973 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Dezember 1975 V R 131/73, BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265).

2. Gewähren die Anleger der Gesellschaft auch Darlehen, können die für die Darlehensvermittlung in Rechnung gestellten Steuern ganz oder teilweise der steuerfreien Anteilsvermittlung zuzurechnen sein.

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8, § 15 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt ein zahntechnisches Labor. Persönlich haftende Gesellschafterin ist eine GmbH. Einzige Kommanditistin ist die ... Anlageberatung GmbH (A) mit einer Kommanditeinlage von 100.000 DM. Die A ist Treuhand-Kommanditistin. Sie hält die Einlage für 39 Treugeber-Kommanditisten.

Die persönlich haftende Gesellschafterin konnte mit Zustimmung der A bestimmen, daß jeder beitretende Treugeber-Kommanditist verpflichtet wurde, der Klägerin im Verhältnis zur Kommanditeinlage ein Darlehen zu gewähren (§ 4 Ziff. 3.1 des Gesellschaftsvertrags). Nach einer Darlehensvereinbarung vom 2. Juli 1976 sollte die A der Klägerin ein Darlehen von 900.000 DM für die Dauer ihrer Kommanditbeteiligung gewähren; das Darlehen wurde mit den in den Beitrittserklärungen der Treugeber-Kommanditisten angegebenen Terminen zur Auszahlung fällig; es war mit 12 % zu verzinsen. Die beitretenden Treugeber-Kommanditisten zeichneten gegenüber der A einen bestimmten Betrag der Beteiligung, die die A an der Klägerin innehatte; sie hatten außerdem 5 % Bearbeitungsgebühr zu zahlen; der Zeichnungsbetrag sollte "zu 10 % als Kommanditeinlage und zu 90 % als Gesellschafterdarlehen in der Weise verwendet werden, daß diese Beteiligung von der A im Verhältnis zur Gesellschaft (= Klägerin) und den Gesellschaftern ... treuhänderisch gehalten" wird. Treuhandverträge regelten Einzelheiten des Treuhandverhältnisses. Mit Vertrag vom 21. Dezember 1976 wandelten die Klägerin und die A das Darlehensverhältnis über 900.000 DM in eine "typische stille Beteiligung" um; eine Verlustbeteiligung war ausgeschlossen, eine Gewinnbeteiligung beschränkt auf "12 % (bezogen auf die Höhe der stillen Beteiligung)". Die Treugeber- Kommanditisten stimmten dieser Regelung anläßlich der ersten Gesellschafterversammlung im Jahre 1977 zu.

Die Klägerin und die A hatten am 27. Mai 1976 eine Vertriebsvereinbarung geschlossen, in der es hieß, die A übernehme "die Plazierung der Kommanditanteile ... sowie die Vermittlung des Gesellschafter-Darlehens"; die A erhalte eine Vergütung von jeweils 12 % der vermittelten Kommanditeinlagen und Gesellschafterdarlehen zuzüglich 11 % Mehrwertsteuer. Die A stellte der Klägerin am 29. Dezember 1976 aufgrund der Vertriebsvereinbarung in Rechnung: " DM 108.000,- für die Vermittlung von Gesellschafter-Darlehen, DM 11.880,- 11 % MwSt ... sowie DM 12.000,- für die Vermittlung von Kommandit-Kapital, DM 1.320,- 11 % MwSt".

Die Klägerin machte die Steuerbeträge von 13.200 DM als Vorsteuern geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Vorsteuerabzug.

Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte den Vorsteuerabzug bezüglich der Darlehensvermittlung mit 11.880 DM und versagte ihn bezüglich der Vermittlung des Kommanditkapitals (1.320 DM). Es führte aus: Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Dezember 1975 V R 131/73 (BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265) könnten nicht auf die Darlehensvermittlung übertragen werden. Die Vertragsgestaltung lasse auch "nicht die Annahme einer festen Verbindung zwischen den beiden Beteiligungsarten zu".

Das FA hat Revision eingelegt. Es rügt Verletzung der §§ 4 Nr. 8, 15 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG) und macht geltend: Die Darlehensgewährung der Gesellschafter sei als Gegenleistung für die Überlassung der Gesellschaftsanteile anzusehen, wenn, wie hier, die Anteile ohne Darlehensgewährung nicht erworben werden könnten (BFH-Urteil vom 21. Juli 1976 II R 66/74, BFHE 120, 73, BStBl II 1977, 6). Unerheblich sei, ob die Darlehen verzinslich seien oder ob sie für die gesamte Zeit des Bestehens der Gesellschaft gewährt worden seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin erwidert: Zweifelhaft sei schon, ob sie hinsichtlich der Anteilsvermittlung steuerbare Umsätze ausgeführt habe und ob ihr die Anteilsweitergabe durch die Treuhänderin zugerechnet werden könne. Jedenfalls sei die Darlehensgewährung keine Gegenleistung der Treugeber-Kommanditisten für die erhaltenen Gesellschaftsanteile.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß eine Publikums-KG mit der Ausgabe von Kommanditanteilen steuerbare Umsätze von Anteilen an Gesellschaften bewirkt, die gemäß § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei sind. Soweit eine Publikums-KG für die Vermittlung des Absatzes von Kommanditanteilen Vergütungen (Provisionen) zahlt, sind die vom Vermittler in Rechnung gestellten Umsatzsteuern gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Der erkennende Senat schließt sich der einschlägigen Rechtsprechung des V. Senats an (Urteile in BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265; vom 20. Mai 1976 V R 122/73, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1976, 187; bestätigt durch Urteil vom 16. Juli 1987 V R 147/79, BFH/NV 1988, 196).

Diese Rechtsprechung ist auf den Fall übertragbar, daß die Publikums-KG wie hier in der Weise gestaltet wird, daß an die Stelle einer Vielzahl von Kommanditisten ein Treuhand-Kommanditist tritt, der den Treugebern die Kommanditistenstellung vermittelt (zu dieser Form der Publikums-KG vgl. auch BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C II 3 d, aa). Entgegen der Auffassung der Klägerin war die A nicht als zusätzlich Leistende in die Ausgabe der Kommanditanteile eingeschaltet. Die A handelte ausdrücklich und für alle Beteiligten erkennbar als Vermittler. Die hinzutretenden Treugeber-Kommanditisten erhielten zwar nicht die formalrechtliche Stellung von Kommanditisten i.S. der §§ 161 ff. des Handelsgesetzbuches - HGB - ; die Kommanditistenrechte konnte nur die A als Treuhänder wahrnehmen. Im Innenverhältnis war die A jedoch weisungsgebunden (Treuhandvertrag § 3 Ziff. 4.2.b). Die Beteiligungen waren nach dem Treuhandvertrag (§ 2 Ziff. 1) allein den Treugebern zuzurechnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zivilrechtlich Treugeber-Kommanditisten weitgehend einem vollwertigen Kommanditisten gleichgestellt (Urteil vom 28. Januar 1980 II ZR 250/78, BGHZ 76, 127). Er hat darüber hinaus für den Fall einer "Verzahnung einer Gesellschaft und Treuhand" ausgesprochen, daß die Anleger im Innenverhältnis wie Kommanditisten zu behandeln sind (BGH-Urteil vom 30. März 1987 II ZR 163/86, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1987, 811). Eine solche Verzahnung ist im Streitfall dadurch begründet worden, daß der Gesellschaftsvertrag der Klägerin den Treugeber-Kommanditisten weitgehende Mitwirkungsrechte einräumt. Sie bilden u.a. die Mehrheit im Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung "nach aktienrechtlichen Grundsätzen" überwacht (§ 6 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags).

Die Annahme des FG, daß die Klägerin eine Publikums-KG ist, wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG getragen. Die Klägerin hat sich in der Vertriebsvereinbarung selbst als Publikums-Gesellschaft bezeichnet. Ihre Tätigkeit im Streitjahr war noch dadurch gekennzeichnet, daß sie um Kapitalgeber warb. Erst nachdem das Kapital beisammen war, konnte sie - im wesentlichen erst 1977 - die nötigen Betriebsmittel anschaffen und ihre werbende Tätigkeit als Zahnlabor aufnehmen. Sie ist zwar überschaubar konzipiert und von relativ kleinem Zuschnitt. Da indessen die Kapitalgeber, deren Interesse an einer Beteiligung geweckt werden konnte, auch nur zur Zeichnung relativ kleiner Beträge bereit waren, mußte eine Vielzahl von ihnen angesprochen werden. Es war die Einschaltung eines Vermittlers erforderlich. Die Anleger mußten ein vorformuliertes Vertragswerk unterschreiben.

2. Das FG ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, daß die Tätigkeit der A, soweit sie auf Kreditbeschaffung von den Treugeber-Kommanditisten gerichtet war, nicht für steuerfreie Umsätze in Anspruch genommen wurde. Die Kreditbeschaffung ist im Gegensatz zur Kreditgewährung kein Umsatz und nicht wie diese steuerfrei nach § 4 Nr. 8 UStG. Die Kreditbeschaffung dient vielmehr dazu, die Klägerin instand zu setzen, die sächlichen und persönlichen Mittel für die Durchführung ihres eigentlichen Geschäftszwecks - der Ausführung von (steuerpflichtigen) Zahnlaborumsätzen - zu gewinnen. Dahingestellt bleiben kann, ob in der Einräumung typischer stiller Beteiligungen steuerbar-steuerfreie Umsätze der Klägerin gemäß § 4 Nr. 8 UStG (Umsätze von Anteilen an Gesellschaften) zu sehen sind. Die Treugeber hatten ursprünglich Darlehen - nicht stille Beteiligungen - gewährt (s. Beitrittserklärungen, Treuhandvertrag, Gesellschaftsvertrag). Die spätere Umwandlung der Darlehen in stille Beteiligungen wirkte nicht auf die Beitrittszeitpunkte der Treugeber-Kommanditisten zurück. Sie wurde erst wirksam, als die Treugeber-Kommanditisten im Jahre 1977 der sie belastenden Umwandlung zustimmten.

Fehl geht in diesem Zusammenhang der Angriff der Revision, das FG habe übersehen, daß die Darlehensgewährung (zusätzliche) Gegenleistung für die steuerfreie Übertragung der Kommanditanteile sei. Die Verwirklichung einer Befreiungsvorschrift richtet sich, wie der V. Senat im Urteil in BFH/NV 1988, 196 ausgesprochen hat, nach dem Gegenstand der vom Unternehmer bewirkten Leistung, nicht nach dem der Gegenleistung. Die gesellschaftsteuerrechtliche Beurteilung, auf die das FA hinweist, ist demgegenüber nicht einschlägig, weil sie auf die Gegenleistung abstellt.

3. Das FG hat, der Aufteilung in der Vertriebsvereinbarung und in der Rechnung folgend, die Vermittlungstätigkeit der A zu 10 % dem Absatz der Kommanditanteile und zu 90 % der Darlehensbeschaffung zugerechnet. Es hat ungeprüft gelassen, ob eine andere Verteilung insbesondere im Hinblick darauf in Betracht kommt, daß die Tätigkeit der A wesentlich stärker auf die Gewinnung von Kommanditisten gerichtet sein könnte. Der V. Senat hat in dem Urteil in BFH/NV 1988, 196 bei vergleichbarer Fallgestaltung sogar eine tatrichterliche Würdigung für möglich gehalten, daß die Tätigkeit des Vermittlers "in erster Linie auf die Anwerbung von Kommanditisten" gerichtet war, und den Vorsteuerabzug gänzlich versagt. Auch im Streitfall sprechen Umstände dafür, daß der Absatz der Kommanditanteile im Vordergrund stand. Aus der Sicht der Kapitalgeber war eine Verlustzurechnung nur über die durch die Kommanditeinlage begründete Mitunternehmerstellung zu erreichen. Der Klägerin war vor allem an haftendem Kapital gelegen. Die Kapitalgeber konnten die Darlehen nicht vorzeitig kündigen. In einigen Beziehungen lassen sich jedoch auch Unterschiede zu dem Fall des V. Senats erkennen, so bei der Verzinsung der Darlehen und im Verhältnis der Darlehen zu den Kommanditanteilen.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang die genannten Umstände tatrichterlich würdigen und danach zu entscheiden haben, ob die Tätigkeit der A in erster Linie oder doch zu einem höheren Anteil als 10 % auf die Kommanditistenwerbung gerichtet war.