| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 22.3.1988 (VII R 8/84) BStBl. 1988 II S. 517

Ein Verbrauchsteuerbescheid kann grundsätzlich auch nach einer für den Steuerpflichtigen günstigen Einspruchsentscheidung zu dessen Nachteil geändert werden.

AO 1977 § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) nahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch Steuerbescheid vom 15. Oktober 1973 auf Zahlung von Mineralölsteuer in der Gesamthöhe von 108.802,70 DM mit der Begründung in Anspruch, sie habe in der Zeit vom 1. Januar 1970 bis zum 14. Juni 1972 als Verteiler Heizöl bestimmungswidrig verwendet, so daß die bedingte Steuerschuld für das Heizöl nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) a.F. in ihrer Person unbedingt geworden sei. Der Einspruch führte zur Herabsetzung der Mineralölsteuer in der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 1978 auf 55.753,50 DM.

Nachdem die Klägerin gegen den Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung Klage erhoben hatte, setzte das HZA die Mineralölsteuer durch Änderungsbescheid vom 19. Januar 1983 auf 89.113,10 DM fest mit der Begründung, bei der Berechnung der Steuer sei davon ausgegangen worden, daß ein Teil der durch den Prokuristen der Klägerin hinterzogenen Mineralölsteuer wegen Verjährung nicht geltend gemacht werden dürfe. Diese Auffassung sei nach dem Urteil des Senats vom 4. März 1980 VII R 88/77 (BFHE 130, 131) nicht haltbar. Durch Änderungsbescheid vom 26. April 1983 wurde die Mineralölsteuer auf 80.682,90 DM herabgesetzt. Die Klägerin hat den Änderungsbescheid zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen:

Aus dem Heizölverteilerverkehr der Klägerin seien 256.852 Liter steuerbegünstigtes Heizöl bestimmungswidrig verwendet worden. Der Ehemann der Inhaberin der Klägerin habe das Heizöl als Prokurist der Klägerin aus dem Verteilerverkehr entnommen und als Dieselkraftstoff verkauft. Er sei dafür wegen Steuerhinterziehung bestraft worden. Die Steueransprüche seien auch nicht teilweise verjährt, da die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Steuern 10 Jahre betrage. Dabei sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ohne Bedeutung, daß der Ehemann die Steuern hinterzogen habe.

§ 130 der Abgabenordnung (AO 1977) stehe der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids vom 26. April 1983 nicht entgegen. Diese Vorschrift gelte nicht für Steuerbescheide, und zwar auch dann nicht, wenn der zu ändernde Bescheid bereits durch eine Einspruchsentscheidung geändert worden sei (§ 172 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Ermessenswidrig sei der Änderungsbescheid deshalb nicht, weil das HZA seine Rechtsauffassung - zur Verjährung - nicht von sich aus geändert habe, sondern aufgrund des Urteils des BFH vom 4. März 1980.

Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Revision aus:

Streitig sei - soweit es um die Anwendung des § 172 AO 1977 gehe - die Zulässigkeit der Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids, mit der während des Klageverfahrens eine die Steuer herabsetzende und damit begünstigende Einspruchsentscheidung vom HZA wieder rückgängig gemacht worden sei. Die Klägerin wende sich nicht dagegen, daß für die Änderung von Steuerbescheiden die §§ 172 ff. AO 1977 und nicht die §§ 130 ff. AO 1977 maßgebend seien. Sie sei aber der Auffassung, daß die Einspruchsentscheidung ein gesonderter, vom Steuerbescheid oder Steueränderungsbescheid zu trennender Verwaltungsakt sei und, soweit durch sie eine angefochtene Steuerfestsetzung herabgesetzt werde, eine begünstigende Gestaltungswirkung in sich trage, deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO 1977 zurückgenommen werden könne. Eine begünstigende Einspruchsentscheidung genieße in dem Umfang der Begünstigung punktuell in der durch die Einspruchsentscheidung entschiedenen Streitfrage gegenüber einer sonst grundsätzlich weiterhin möglichen Änderung des Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 verstärkt Bestandsschutz. Das ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, wohl aber aus deren Sinn und Zweck sowie aus dem Normzusammenhang.

Sie - die Klägerin - berufe sich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Senats in dessen Urteil vom 22. Januar 1985 VII R 112/81 (BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562), nach denen es ständiger Rechtsprechung des BFH entspreche, daß Einspruchsentscheidungen und Abhilfebescheide, die nach erneuter Prüfung der Sache im Einspruchsverfahren ergangen seien, wegen des durch sie begründeten Vertrauens des Steuerpflichtigen einer erhöhten Bestandsgarantie unterlägen und bei unverändertem Sachverhalt in der Regel nicht lediglich aufgrund geänderter Rechtsauffassung der Verwaltung abgeändert werden könnten. Dabei dürfe kein Unterschied zwischen abhelfenden Einspruchsentscheidungen gemacht werden, die einen Haftungsbescheid, und solchen, die einen Steuerbescheid beträfen. Es handele sich um Grundsätze über den verstärkten Bestandsschutz von begünstigenden Einspruchsentscheidungen schlechthin. Diese seien auch in Fällen einer Teilabhilfe anzuwenden.

Die Annahme eines eigenständigen Verwaltungsakts für eine Teilrücknahme eines Steuer- oder Haftungsbescheids finde auch in der Entscheidung des BFH (Urteil vom 28. Januar 1982 V R 100/80, BFHE 135, 27, BStBl II 1982, 292) eine Bestätigung, in der die Herabsetzung der Haftungssumme während des Klageverfahrens als Teilrücknahme angesehen worden sei. Auch daraus müsse gefolgert werden, daß bei einer Teilrücknahme im Einspruchsverfahren zwischen dieser als verstärkten Bestandsschutz genießenden besonderen Verwaltungsregelung und dem unberührt bleibenden restlichen Regelungsinhalt des ursprünglichen Verwaltungsakts zu unterscheiden sei. Die Gründe für die Abänderbarkeit von Zoll- und Verbrauchsteuerbescheiden träfen für Einspruchsentscheidungen nicht zu. Das müsse zumindest im Rahmen der Ermessenserwägungen berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige dürfe auch nicht nur deshalb mit einer höheren Steuer "bestraft" werden, weil er zur Wahrung seiner Rechte den Rechtsweg beschritten habe (Verböserungsverbot). Außerdem verdiene die Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit. Schließlich würden ursprünglicher Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung bei der Beurteilung der Frage nach der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung in der Rechtsprechung des BFH als zwei Verwaltungsakte angesehen. Zu berücksichtigen sei auch, daß das HZA aufgrund eines erstmalig zu einer Rechtsfrage ergangenen höchstrichterlichen Urteils die Steuerfestsetzung nicht sofort nach Bekanntgabe des Urteils vom 4. März 1980, sondern erst knapp 3 Jahre später geändert habe.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Steuerforderung könnten sich auch daraus ergeben, daß eine zweckwidrige Verwendung dann nicht in Betracht komme, wenn das Mineralöl nur unter einer anderen Bezeichnung weitergegeben worden sei.

Die Klägerin beantragte zunächst, den Steuerbescheid vom 15. Oktober 1973 in der Fassung der Einspruchsentscheidung und der Änderungsbescheide in der Weise abzuändern, daß die Steuer auf 37.526,83 DM festgesetzt werde.

Später - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - stellte sie den Antrag, den Steuerbescheid aufzuheben, hilfsweise, die Steuer entsprechend dem vorgenannten Antrag herabzusetzen.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Änderung des Revisionsantrags nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zulässig ist. Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der für den Rechtsstreit maßgebende Änderungsbescheid vom 26. April 1983 (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, 5, BStBl II 1973, 231) rechtmäßig, insbesondere nicht deshalb rechtswidrig ist, weil die Steuer durch die Einspruchsentscheidung herabgesetzt worden war.

I.

Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß das der Steuerforderung zugrunde liegende Mineralöl bestimmungswidrig verwendet worden ist (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 MinöStDV i.d.F. bis zur Änderung durch die 15. VO zu Änderung der MinöStDV vom 16. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3521). Aufgrund der Feststellungen des FG ist die bestimmungswidrige Verwendung darin zu erblicken, daß das Mineralöl durch die Weitergabe zur Verdieselung zu einem Zweck verwendet worden ist, der mit der Bestimmung des Verwendungszwecks in der Erlaubnis für den Verteilerverkehr nicht vereinbar war (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer und Mineralölzoll, 4. Aufl., § 8, § 23 DV Bem. 11, S. 262). Die spätere Verdieselung selbst ist nach der für den Streitfall maßgebenden Sach- und Rechtslage ohne Bedeutung.

II.

Die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides ist nicht deshalb nach § 130 Abs. 2 AO 1977 zu beurteilen, weil die Steuer zuvor durch die Einspruchsentscheidung herabgesetzt worden war.

1. Auch die Klägerin wendet sich nicht dagegen, daß die Vorschriften der §§ 172 ff. AO 1977, wie es allgemeiner Auffassung entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396, 399; Förster in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 130 Rz. 2; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., vor §§ 172 mit 177 AO 1977 Anm. 3; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., vor § 172 AO 1977 Tz. 2; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., vor § 130 AO 1977 Anm. 6; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., vor §§ 130, 131 Anm. 1), Sonderregelungen für die Änderung von Steuerbescheiden enthalten und daß bei der Änderung von Steuerbescheiden § 130 AO 1977 nicht anwendbar ist.

Aus § 172 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ist allerdings auch zu entnehmen, daß in den Fällen, in denen gegen einen Steuerbescheid Einspruch eingelegt und über den Einspruch unter Änderung des Steuerbescheids - zugunsten des Steuerpflichtigen - entschieden worden ist, eine - weitere - Änderung der Steuerfestsetzung sich ausschließlich nach den §§ 172 ff. AO 1977 richtet. Das entspricht sowohl dem Wortlaut dieser Vorschrift als auch dem Normzusammenhang, in den sie gehört, sowie ihrem erkennbaren Sinn und Zweck.

Der Wortlaut des Satzes 2 des § 172 Abs. 1 AO 1977 knüpft an die Regelung in Satz 1 dieser Vorschrift an und nimmt deren Inhalt in sich auf. Das folgt aus der Ausdrucksweise in Satz 2 "das gilt auch dann ..." im Anschluß an die Regelung in Satz 1. Sie kann nur dahin verstanden werden, daß Satz 1 - uneingeschränkt - auch in Fällen gelten soll, in denen - wie im Streitfall - ein Steuerbescheid zunächst durch eine Einspruchsentscheidung geändert worden ist und sodann - erneut - eine Änderung vorgenommen wird. Diese Bedeutung wird der genannten Regelung auch allgemein beigemessen, wobei zum Ausdruck gebracht wird, daß dadurch der Verbindung von Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung als einer Einheit durch § 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Rechnung getragen werde und die Wirkung der Einspruchsentscheidung darin liege, dem Steuerbescheid einen anderen Inhalt zu geben (vgl. Förster in Koch, a.a.O., § 172 Rz. 27; Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 4; Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Tz. 19; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 36). Der Senat hält diese Betrachtungsweise für zutreffend. Sie entspricht auch dem Ziel, das mit der genannten Regelung von Anfang an angestrebt worden ist (vgl. Begründung zu § 153 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs einer Abgabenordnung 1974, BTDrucks VI/1982 S. 153).

Der Zweck der Regelung ist danach darin zu erblicken, eine Änderung des Steuerbescheides nach Entscheidung über den Einspruch in gleicher Weise zu ermöglichen, wie vor Erlaß der Einspruchsentscheidung (vgl. Förster, a.a.O.) und Einspruchsentscheidungen nicht die Kraft von Gerichtsurteilen oder anderen Entscheidungen über Rechtsbehelfe zu verleihen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O.; Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O.).

2. Mit dieser Auslegung der Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ist es nicht vereinbar, die Einspruchsentscheidung, wie die Klägerin meint, bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides wegen der darin enthaltenen Herabsetzung der Steuer ganz oder teilweise (hinsichtlich der Herabsetzung der Steuer) als eigenständigen Verwaltungsakt gegenüber dem - geänderten - Steuerbescheid zu behandeln und die Rechtmäßigkeit der Änderung gegenüber der Herabsetzung in der Einspruchsentscheidung nach § 130 Abs. 2 AO 1977 und nicht nach § 172 AO 1977 zu beurteilen.

a) Die Klägerin verkennt die Bedeutung der Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, die - wie dargelegt - darin besteht, Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung bei Änderung als Einheit zu behandeln. Danach sind Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung auch dann, wenn der Steuerbescheid durch die Einspruchsentscheidung geändert worden ist, im Rahmen der Anwendung des § 172 AO 1977 so zu behandeln, als sei nur ein Steuerbescheid mit dem - ggf. - durch die Einspruchsentscheidung geänderten Inhalt ergangen.

Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, daß Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung - tatsächlich - gesonderte und eigenständige Verwaltungsakte seien. Auch wenn der Senat in Anlehnung an die Entscheidung des BFH vom 18. Oktober 1972 II R 110/69 (BFHE 107, 409, 410, BStBl II 1973, 187) davon ausgeht, daß das zutrifft, so kann daraus nicht hergeleitet werden, daß das auch bei der Anwendung des § 172 AO 1977 zu beachten sei. Nach dieser Vorschrift ist allein auf die Wirkung der Einspruchsentscheidung für den Steuerbescheid abzustellen.

b) Für dieses Ergebnis kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Frage Bedeutung erlangen, ob im Falle der Änderung des Steuerbescheids durch die Einspruchsentscheidung diese für den Steuerpflichtigen günstig ist. Aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO 1977 muß entnommen werden, daß bei deren Anwendung Änderungen des Steuerbescheids durch die Einspruchsentscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht anders behandelt werden sollen als Änderungen, die sich zu seinen Ungunsten auswirken. Dafür sprechen auch die Vorschriften, die ausdrücklich besondere Regelungen über Entscheidungen im Rahmen der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden zugunsten oder zuungunsten eines Steuerpflichtigen enthalten (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Halbsatz 2, § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, daß auch in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 eine Beschränkung auf Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen ausdrücklich bestimmt worden wäre, wenn diese Beschränkung gewollt gewesen wäre.

Das schließt allerdings nicht aus, daß andere Normen wie etwa die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit dazu zwingen können, wegen der Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen durch die Einspruchsentscheidung von einer - weiteren oder erneuten - Änderung des Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 abzusehen. Derartige Normen können bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids durch das Gericht aber nur bei der gerichtlichen Nachprüfung des Ermessens nach § 102 FGO berücksichtigt werden, indem geprüft wird, ob die Ermessensgrenzen gewahrt worden sind. Für die - vorrangige - Frage, ob auch eine Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt werden kann, sind diese Rechtsgrundsätze aber ohne Bedeutung.

c) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung, Normzweck und Normzusammenhang stünden einer Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 bei vorangegangener Änderung zu seinen Gunsten entgegen, auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 22. Januar 1985 VII R 112/81 (BFHE 143, 203, 206, BStBl II 1985, 562), es entspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß Einspruchsentscheidungen und Abhilfebescheide, die nach erneuter Prüfung der Sache im Einspruchsverfahren ergangen seien, wegen des durch sie begründeten Vertrauens des Steuerpflichtigen einer erhöhten Bestandsgarantie unterlägen. Diese Ausführungen betreffen die Frage des Vertrauensschutzes aufgrund von Einspruchsentscheidungen und Abhilfebescheiden, setzen also voraus, daß die Rechtslage ohne Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes das von dem Betroffenen angestrebte Ergebnis nicht zu rechtfertigen vermag. Schon daraus folgt, daß aus den genannten Ausführungen des Senats für die Auslegung der Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 nach Normzusammenhang und Normzweck nichts entnommen werden kann.

d) Aus der Hinweis- und Aufklärungspflicht nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ergibt sich - ebenfalls - nicht, daß der Einspruchsentscheidung gegenüber dem geänderten Steuerbescheid hinsichtlich der Änderung Eigenständigkeit zukäme. Der Senat teilt die vom FG unter Hinweis auf das Schrifttum (Tipke/Kruse, a.a.O., § 367 AO 1977 Tz. 6; vgl. auch Buchstab in Koch, a.a.O., § 367 Rz. 12; Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 367 AO 1977 Anm. 4 b) vertretene Auffassung, daß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nur die vom FG dargelegte verfahrensrechtliche Bedeutung hat. Diese Bedeutung ist nicht davon abhängig, daß der Einspruchsentscheidung oder einer darin enthaltenen Änderung gegenüber dem betroffenen Steuerbescheid Eigenständigkeit zukommt.

e) § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 ist nicht anwendbar, da die Regelung voraussetzt, daß bei der Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes angewandt worden ist. Das trifft aber, wie sich aus den Ausführungen des FG ergibt, für die Steuerfestsetzung in dem "ursprünglichen" Steuerbescheid nicht zu. Auch die Klägerin macht das nicht geltend.

III.

Im Streitfall war das HZA nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 befugt, den Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erneut zu ändern, und zwar auch zuungunsten der Klägerin.

Die Befugnis zur Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 unterliegt zwar - wie dargelegt - grundsätzlich keiner Beschränkung. Da die Änderung aber in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt ist, muß bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides durch ein Gericht auch geprüft werden, ob die Finanzbehörde bei der Änderung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. Urteil des Senats vom 31. März 1981 VII R 1/79, BFHE 133, 13, BStBl II 1981, 507). Derartige Ermessensverstöße liegen nach den Feststellungen des FG aber nicht vor.

a) Eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens kommt deshalb nicht in Betracht, weil, wie dargelegt, die Befugnis des HZA zur Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 keiner Beschränkung unterliegt und auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Bestandsgarantie - unter Beachtung der Ausführungen der Klägerin - im Streitfall zu einer Beschränkung keinen Anlaß geben.

aa) Der Auffassung der Klägerin, der angefochtene Änderungsbescheid sei mit der - von ihr aufgezeigten - Rechtsprechung des BFH zur Frage des Vertrauensschutzes aufgrund einer Herabsetzung von Steuern im Einspruchsverfahren oder in der Einspruchsentscheidung nicht vereinbar, kann nicht gefolgt werden.

Die von der Klägerin wiedergegebenen Ausführungen des Senats in dem Urteil in BFHE 143, 203, 206 f., BStBl II 1985, 562 betreffen - abgesehen davon, daß das Urteil in einem Haftungsstreit ergangen ist, in dem § 172 AO 1977 nicht angewandt werden kann, - einen Fall, in dem erneut ein Haftungsbescheid ergangen war, nachdem zuvor ein solcher Bescheid auf den Einspruch des Haftungsschuldners zurückgenommen und der Streit um die Haftung dadurch beendet worden war. Gerade der Rücknahme dieses ursprünglichen Haftungsbescheids (in vollem Umfang) hat der Senat die Begründung eines Vertrauenstatbestandes zugunsten des Haftungsschuldners entnommen und dazu weiter ausgeführt, daß die Begründung des Vertrauenstatbestandes den Haftungsschuldner dazu berechtigt habe, davon auszugehen, nicht - mehr - als Haftungsschuldner in Anspruch genommen zu werden. Der Senat hat dabei ausdrücklich die Frage offengelassen, ob jede Korrektur eines von der Verwaltung als rechtswidrig angesehenen Haftungsbescheids, die - etwa lediglich - zu einer Erhöhung des zuvor festgesetzten Haftungsbetrags führt, einen derartigen Vertrauensschutz rechtfertigt.

Auch in der früheren Rechtsprechung des BFH ist eine - erneute - Inanspruchnahme eines Steuerschuldners aus Gründen des Vertrauensschutzes - lediglich - in Fällen abgelehnt worden, in denen der Streit um einen Bescheid durch dessen Aufhebung zum Abschluß gelangt war (eine "Erledigung" gefunden hatte) und ein erneuter Bescheid zur "Wiederaufrollung" des Falles geführt hatte (vgl. Urteile vom 19. Juli 1961 II 260/58 U, BFHE 73, 471, BStBl III 1961, 438; vom 16. März 1965 I 54/64 S, BFHE 82, 387, BStBl III 1965, 388; vom 21. Mai 1963 VII 175/61 U, BFHE 77, 201, BStBl III 1963, 390, und vom 30. März 1971 VII R 38/68, BFHE 102, 27, BStBl II 1971, 450).

In jüngeren Entscheidungen (vgl. Urteile vom 27. November 1984 VIII R 376/83, BFH/NV 1985, 13, und vom 11. Juli 1986 VI R 105/83, BFHE 147, 113, BStBl II 1986, 775) hat der BFH wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß ein Vertrauensschutz, der dem Erlaß eines neuen Bescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen entgegensteht, nur entstehen kann, wenn Umstände vorhanden sind, aus denen der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der Aufhebung des ursprünglichen Bescheids hätte schließen können, das Finanzamt (FA) werde keine Steuer mehr festsetzen.

Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, daß allein die Herabsetzung eines Steuerbetrags auf einen Einspruch hin einen Vertrauensschutz, wie ihn die Klägerin anstrebt, nicht zu rechtfertigen vermag.

bb) Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, daß die Änderung aufgrund einer erstmaligen Entscheidung des BFH vor allem deshalb gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße, weil die Änderung erst nahezu drei Jahre nach der Bekanntgabe der Entscheidung des BFH erfolgt sei. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob darin bereits ein besonderer Umstand (nachhaltiges Verhalten) liegt, der geeignet ist, einen Vertrauensschutz zu begründen. Selbst wenn das angenommen wird, kann daraus im Streitfall eine Ermessensüberschreitung i.S. des § 102 FGO deshalb nicht hergeleitet werden, weil ein Vertrauensschutz nur in Betracht kommen kann, wenn das Verhalten des HZA nach der Entscheidung des BFH vom 4. März 1980 die Klägerin dazu veranlaßt hat, darauf zu vertrauen, daß das HZA aus der genannten Entscheidung für die Änderung der Steuerfestsetzung keine Folgerungen - mehr - ziehen werde. Fehlte es an einem derartigen Vertrauen, kann die Klägerin schon deshalb nicht erwarten, geschützt zu werden. Die Frage, ob ein derartiges Vertrauen vorliegt, ist nicht gleichbedeutend mit der Frage, ob aufgrund des Vertrauens Dispositionen getroffen worden sind (vgl. dazu Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz. 59, 63). Sie berührt vielmehr den eigentlichen Grund des Vertrauensschutzes, der darin besteht, daß überhaupt ein Vertrauen vorliegt, das geschützt werden kann.

Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Klägerin dem Verhalten des HZA nach der genannten Entscheidung des BFH entnommen hat, dieses werde die Entscheidung des BFH nicht zum Anlaß nehmen, seine Steuerfestsetzung zu ändern und sodann darauf vertraut hat. Insbesondere ergeben sich Anhaltspunkte dafür nicht aus den Feststellungen des FG. Auch die Klägerin hat nicht dargelegt, daß das FG derartige Anhaltspunkte hätte feststellen können. Bei dieser Sachlage besteht auch bei Annahme, daß das Verhalten des HZA geeignet war, ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, kein Grund, der es rechtfertigen könnte, das FG zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zu der Frage zu veranlassen, ob die Klägerin darauf vertraut hat, das HZA werde seine Steuerfestsetzung aufgrund der Entscheidung des BFH nicht ändern.

cc) Auch die Ausführungen der Klägerin zur Frage der Rechtssicherheit und der Bestandsgarantie rechtfertigen es nicht, die Änderung der Steuerfestsetzung im Streitfall - wegen Überschreitung der Ermessensgrenzen - als ermessenswidrig anzusehen.

Das Prinzip der Rechtssicherheit stünde der Ermessensausübung im Streitfall allenfalls dann entgegen, wenn der geänderte - ursprüngliche - Bescheid nach Änderung durch die Einspruchsentscheidung Bestandskraft erlangt hätte und der Streit um die Steuererhebung durch die Herabsetzung der Steuer dadurch beendet worden wäre. Denn das Erfordernis der Rechtssicherheit gebietet es, daß überall dort, wo Akte mit dem Anspruch rechtlicher Verbindlichkeit gesetzt werden, die Betroffenen möglichst schnell Gewißheit über das für sie Verbindliche erlangen; bei Verwaltungsakten wird das im allgemeinen dadurch erreicht, daß sie Bestandskraft erlangen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 270). Danach fehlt es im Streitfall unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Bestandsgarantie schon deshalb an einer Grundlage für einen Vertrauensschutz, weil der ursprüngliche Bescheid in der Gestalt der Änderung durch die Einspruchsentscheidung zugunsten der Klägerin keine Bestandskraft erlangt hat.

Außerdem ist zu beachten, daß Inhalt, Ausmaß und Dauer der Bestandskraft von Steuerbescheiden - wie die von Verwaltungsakten nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG - §§ 43 ff. -) - gesetzlich besonders geregelt sind (vgl. dazu Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., 15. Aufl., vor §§ 172 mit 197 AO 1977, Erläuterungen 2). Zu diesen Regelungen gehört § 172 AO 1977. Das Bestreben der Klägerin, eine Änderung des angefochtenen Steuerbescheids in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung erhalten hat, zu ihren Ungunsten zu unterbinden, wäre demgemäß - wie bereits dargelegt - mit den Regelungen in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO 1977 nicht vereinbar. Danach darf allein die Tatsache, daß ein Steuerbescheid in der Einspruchsentscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist, nicht dazu führen, daß eine weitere Änderung - auch zuungunsten des Steuerpflichtigen - unterbleibt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann das allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Streit zwischen der Verwaltung und dem Steuerpflichtigen über eine Steuerfestsetzung dadurch seinen Abschluß gefunden hat, daß die Verwaltung dem - durch Einspruch oder Klage geltend gemachten - Begehren des Steuerpflichtigen entsprochen hat (vgl. BFHE 82, 387). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

dd) Auch ein Verböserungsverbot, wie es die Klägerin darstellt, besteht für Steuerbescheide nicht, wie sich ebenfalls aus § 172 AO 1977 ergibt.

b) Die Änderung der Steuerfestsetzung aufgrund der Entscheidung des BFH läßt schließlich keinen Ermessensfehlgebrauch des HZA in dem Sinne erkennen, daß das HZA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe (§ 102 FGO).

Im Schrifttum (Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Tz. 19) wird allerdings die Auffassung vertreten, es könne ermessensfehlerhaft sein, wenn ein Sachverhalt, der in der Einspruchsentscheidung eingehend gewürdigt worden sei, nochmals zum Gegenstand einer Berichtigung gemacht werde. Zur Begründung wird geltend gemacht, die Motivation für die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, die darin gesehen wird, im öffentlichen Interesse an einer fehlerfreien Abgabenerhebung die Überprüfung und Berichtigung solcher Bescheide zu ermöglichen, die wegen der nur summarischen Prüfung unter Zeitdruck fehlerhaft erlassen worden sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Tz. 4), treffe auf Einspruchsentscheidungen im allgemeinen nicht zu. Bei dieser Betrachtungsweise wird nicht - zumindest nicht hinreichend - berücksichtigt, daß, wie dargelegt, nach der AO 1977 (§ 172 Abs. 1 Satz 2) die Änderung von Bescheiden, die Zölle oder Verbrauchsteuern betreffen und die bereits durch eine Einspruchsentscheidung geändert worden sind, in gleicher Weise zulässig ist wie die Änderung derartiger Steuerbescheide vor Änderung durch eine Einspruchsentscheidung, daß die Änderung damit nach dem Gesetz keiner besonderen Einschränkung unterworfen ist und eine Änderung des durch eine Einspruchsentscheidung geänderten Steuerbescheids danach dem aus dem Gesetz ersichtlichen Zweck der Ermächtigung entspricht.

Es erscheint demnach nicht gerechtfertigt, den Zweck der Ermächtigung zur Änderung von Steuerbescheiden nach deren Änderung durch eine Einspruchsentscheidung grundsätzlich anders zu beurteilen und insbesondere enger zu begrenzen als den Zweck der Ermächtigung zur Änderung von Steuerbescheiden vor deren Änderung durch eine Einspruchsentscheidung. Die aufgezeigte Motivation der Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 hat sich durch die Gesetzgebung erkennbar nicht dahin ausgewirkt, daß die Änderung von Steuerbescheiden, die Zölle und Verbrauchsteuern betreffen, nach Änderung durch eine Einspruchsentscheidung von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht worden wäre als die Änderung derartiger Steuerbescheide vor Änderung durch eine Einspruchsentscheidung.

Ein Grund dafür mag darin bestehen, daß auch nach Überprüfung eines Steuerbescheids im Einspruchsverfahren die materielle Steuergerechtigkeit grundsätzlich Vorrang vor der Bestandskraft (Rechtssicherheit) haben soll. Das erscheint bei Bescheiden über Zölle und Verbrauchsteuern mit Rücksicht auf deren Abwälzbarkeit deshalb gerechtfertigt, weil etwa die Nichterhebung derartiger Abgaben leicht zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen führen kann.

Nach alledem kann es grundsätzlich nicht als ermessenswidrig angesehen werden, wenn die Finanzbehörde einen noch nicht bestandskräftigen Bescheid über Mineralölsteuer nach Änderung durch Einspruchsentscheidung erneut ändert.