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BFH-Urteil vom 18.12.1987 (VI R 245/80) BStBl. 1988 II S. 554

Kann ein Beitrag zu einer Direktversicherung (wegen der Besonderheiten eines Beteiligungsmodells) erst zu einem Zeitpunkt erbracht werden, in dem der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden ist und bereits bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt ist, so steht dies der Pauschalierung nach § 40b EStG grundsätzlich nicht entgegen.

EStG § 40b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1981, 48)

Sachverhalt

Der während des Revisionsverfahrens verstorbene Kläger und Rechtsvorgänger der Revisionsbeklagten (Kläger) betrieb einen Fachgroßhandel und eine Werksvertretung im Sanitärbereich. Er beschäftigte rund 250 Arbeitnehmer. Erstmals ab 1974 legte er die seinen anspruchsberechtigten Mitarbeitern zustehenden Gewinnbeteiligungen in Form von Lebensversicherungsverträgen gegen Einmal-Prämie an. Die Gewinnbeteiligung war jeweils am 1. Dezember des Folgejahres fällig. Der Durchschnittsbetrag überstieg den Betrag von 2.400 DM nicht, der für den einzelnen Arbeitnehmer aufgewendete Betrag lag unter 3.600 DM. Im Zeitpunkt der Zahlung erhob der Kläger die Lohnsteuer nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 10 v.H.

Bei einer Ende 1977/Anfang 1978 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger die Erfolgsbeteiligungen für die Jahre 1974 bis 1976 auch solcher Arbeitnehmer nach § 40b EStG pauschal versteuert hatte, die im Zeitpunkt der Überweisung der Einmal-Prämie an das Versicherungsunternehmen bereits aus seinem Betrieb ausgeschieden waren. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah für diejenigen ausgeschiedenen Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Zahlung bereits in einem anderen Arbeitsverhältnis standen (1975: 6 Arbeitnehmer; 1976: 5 Arbeitnehmer; 1977: 8 Arbeitnehmer), die Voraussetzungen des § 40b EStG nicht als erfüllt an, da diese Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Überweisung der Einmal-Prämie nicht mehr in einem ersten Dienstverhältnis zum Kläger gestanden und dem Kläger keine Lohnsteuerkarte mit den Lohnsteuerklassen I bis V vorgelegen hätten. Er führte eine Nachversteuerung der Einmal-Prämien nach der Steuerklasse VI durch und nahm den Kläger in Höhe des sich unter Berücksichtigung der bereits entrichteten pauschalen Lohnsteuer ergebenden Betrages von 3.385,22 DM als Haftenden in Anspruch.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 48 veröffentlichten Gründen statt. Im einzelnen führte es aus: Die Formulierung in § 40b EStG "aus seinem ersten Dienstverhältnis bezogen" stelle nur darauf ab, daß die Leistungen aus einem ersten Dienstverhältnis stammten. Aus der Vorschrift ergebe sich nicht, daß die Zukunftssicherungsleistung auch während des ersten Dienstverhältnisses zugeflossen sein müsse. Denn sie spreche nicht davon, daß die Zuwendung aus einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis bezogen sein müsse. § 40b EStG enthalte eine Sonderregelung der Lohnsteuererhebung. Der Umstand, daß sich bei der Lohnsteuerpauschalierung die Subjektsteuer, die der einzelne Arbeitnehmer schulde, in eine Unternehmenssteuer verwandle, rechtfertige es, die begünstigte Zukunftssicherungsleistung in den Vordergrund zu stellen und diese Begünstigung nicht an Zuflußfragen scheitern zu lassen. Dies entspreche Inhalt und Zielsetzung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3610). Durch dieses Gesetz habe die betriebliche Altersversorgung der Arbeitnehmer verbessert werden sollen. § 40b EStG sei eine flankierende steuerliche Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels. Daher sei bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten derjenigen der Vorzug zu geben, die die Bereitschaft des Arbeitgebers fördere, Zukunftssicherungsleistungen auch zugunsten von ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu erbringen. Dies werde durch Abschn. 96 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1975 (LStR) bestätigt, wonach ausdrücklich auch Zuwendungen an frühere Arbeitnehmer und deren Hinterbliebene pauschal besteuert werden dürften. Würde es auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Zukunftssicherungsleistung statt darauf ankommen, daß die Zukunftssicherungsleistung aus einem ersten (gegenwärtigen oder früheren) Dienstverhältnis stamme, so würde § 40b Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG häufig gegenstandslos sein. Denn Zuwendungen, die ein Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer anläßlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses erbringe, erfolgten regelmäßig erst nach dem Ausscheiden aus dem Dienst. Sie seien dann in den häufigen Fällen nicht begünstigt, in denen ein ausgeschiedener Arbeitnehmer inzwischen einem neuen Arbeitgeber die erste Lohnsteuerkarte vorgelegt habe. Daher könne der Arbeitgeber auch dann von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 40b EStG Gebrauch machen, wenn die begünstigten Arbeitnehmer bereits aus seinem Betrieb ausgeschieden seien, aber bei ihm in einem ersten Dienstverhältnis gestanden hätten. Es könne entgegen der Auffassung des FA in Fällen wie dem vorliegenden nicht darauf ankommen, ob überhaupt und welche Lohnsteuerkarte der ausgeschiedene Arbeitnehmer dem früheren Arbeitgeber vorlege. Denn selbst wenn er seinem neuen Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I bis V vorgelegt hätte, so könnte er diese gegen eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse VI austauschen und dem früheren Arbeitgeber für den Zeitpunkt des Zuflusses der Zukunftssicherungsleistung die Lohnsteuerkarte mit den Steuerklassen I bis V vorlegen.

Mit seiner Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Zukunftssicherungsleistungen seien sonstige Bezüge, für deren steuerliche Behandlung es auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankomme. Daran ändere nichts der Umstand, daß § 40b EStG eine Sonderregelung der Lohnsteuererhebung enthalte. Der Gesetzgeber habe keine Veranlassung gehabt, im Wortlaut des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG durch die Formulierung "aus einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis bezogen" zum Ausdruck zu bringen, daß Zukunftssicherungsleistungen nur dann nach § 40b Abs. 1 EStG pauschal versteuert werden dürften, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zuflusses kein neues Dienstverhältnis eingegangen sei. Die Formulierung "erstes Dienstverhältnis" sei dem Lohnsteuererhebungsverfahren eigen. § 38b EStG unterscheide zwischen dem ersten Dienstverhältnis und dem zweiten sowie weiteren Dienstverhältnissen. Diese Vorschrift stelle einerseits eine klare Beziehung zwischen den Steuerklassen I bis V und dem ersten Dienstverhältnis und andererseits zwischen der Steuerklasse VI und dem zweiten und weiteren Dienstverhältnissen her. Wenn der Gesetzgeber in § 40b Abs. 2 EStG von dem ersten Dienstverhältnis spreche, so könne dies nur bedeuten, daß die Pauschalierung der Lohnsteuer bei den fraglichen Zukunftssicherungsleistungen nur bei solchen Arbeitnehmern zulässig sein solle, deren regulärer Arbeitslohn nach den Steuerklassen I bis V besteuert werde. Zu diesen Arbeitnehmern gehörten solche ausgeschiedenen Arbeiter nicht, die zwischenzeitlich in ein neues Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber getreten seien. Nur die Vorlage der Lohnsteuerkarte mit den Steuerklassen I bis V stelle im übrigen sicher, daß die Vergünstigung des § 40b EStG nicht gleichzeitig mehrfach in Anspruch genommen werde. Würde man mit dem FG die Lohnsteuerpauschalierung unabhängig von der Vorlage der Lohnsteuerkarte der Steuerklassen I bis V zulassen, so könnten einem Arbeitnehmer, der in zwei verschiedenen Dienstverhältnissen stehe, mehrfach begünstigt zu besteuernde Zukunftssicherungsleistungen gewährt werden. Eine solche Mehrfachbegünstigung habe der Gesetzgeber jedoch nicht beabsichtigt. Zwar könne ein Arbeitnehmer durch den Austausch der Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I bis V bei seinem neuen Arbeitgeber gegen eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse VI die Zulässigkeit der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40b EStG manipulativ beeinflussen; dies dürfte aber wegen des damit für den Arbeitgeber verbundenen Verwaltungsaufwandes kaum praktisch werden. Zu Unrecht habe das FG bei der Auslegung des § 40b EStG auch den Abschn. 96 Abs. 1 LStR herangezogen. Wie sich aus der Formulierung "frühere Arbeitnehmer und Hinterbliebene" ergebe, könne der Richtliniengeber mit den "früheren Arbeitnehmern" nur solche gemeint haben, die nach dem Ausscheiden nur Sozialversicherungsrente bezögen, also kein neues Dienstverhältnis eingegangen seien.

Die Revisionsbeklagten treten der Revision des FA entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Im Streitfall ist allein streitig, ob die Zahlungen des Klägers auf die Direktversicherungen seiner zum 1. Dezember der Streitjahre bereits ausgeschiedenen und in einem neuen Dienstverhältnis stehenden Arbeitnehmer von diesen aus ihrem "ersten Dienstverhältnis bezogen" worden sind (§ 40b Abs. 2 Satz 1 EStG). Das FG hat diese Voraussetzung im Ergebnis zutreffend bejaht.

Dem FA ist zwar darin zuzustimmen, daß im Regelfall das erste Dienstverhältnis durch die Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit den Lohnsteuerklassen I bis V gekennzeichnet ist und daß die streitigen Zahlungen, würde der Lohnsteuerabzug nach § 39b EStG durchgeführt, als sonstige Bezüge wie aus einem zweiten oder weiteren Dienstverhältnis zu behandeln wären. Ihm ist schließlich auch darin zu folgen, daß die Pauschalierungsvoraussetzungen grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge für eine Direktversicherung bzw. im Zeitpunkt der Zuwendungen an eine Pensionskasse vorliegen müssen. Dies zwingt jedoch nicht dazu, die Auslegung des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG durch das FA im vorliegenden Streitfall als zutreffend anzusehen.

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 40b EStG die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer fördern. Daher gab er dem Arbeitgeber das Recht, bei bestimmten Zukunftssicherungsleistungen die Lohnsteuer mit einem Pauschbetrag von 10 v.H. zu erheben. Dieses Recht soll dem Arbeitgeber aber nur dann zustehen, wenn es sich - neben weiteren Voraussetzungen - aus seiner Sicht um eine Zukunftssicherungsleistung aus dem ersten Dienstverhältnis des Arbeitnehmers handelt. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß es sich dabei in allen Fällen zwingend im Zeitpunkt der Zahlung um ein gegenwärtiges erstes Dienstverhältnis handeln muß. Das Tatbestandsmerkmal "aus seinem ersten Dienstverhältnis bezogen" läßt vielmehr unter Einbeziehung des § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG die Auslegung zu, daß diese Pauschalierungsvoraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn die Zukunftssicherungsleistung für einen aus dem Betrieb ausgeschiedenen Arbeitnehmer erbracht wird und wenn sie aus dessen erstem Dienstverhältnis stammt, der ausgeschiedene Arbeitnehmer sich die Zukunftssicherungsleistung also in einem ersten Dienstverhältnis verdient hatte.

In § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG hat der Gesetzgeber nämlich für ausscheidende Arbeitnehmer, für die anläßlich ihres Ausscheidens aus dem Betrieb Zukunftssicherungsleistungen erbracht werden, eine Vervielfältigung des Grenzbetrages von 2.400 DM in bestimmten Fällen vorgesehen. In der Praxis läßt es sich oft nicht durchführen, daß der Arbeitgeber diese Zukunftssicherungsleistungen noch während der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb erbringt, wie z.B. in dem Fall, daß die Annahme des Antrages auf Abschluß einer Direktversicherung von einer ärztlichen Untersuchung des Arbeitnehmers abhängig gemacht wird. Häufig werden anläßlich des Ausscheidens die Zukunftssicherungsleistungen vom Arbeitgeber zugesagt und nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb geleistet. Da § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG nicht etwa nur für Arbeitnehmer gilt, die die Pensionsgrenze erreicht haben oder aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird es in diesen Fällen häufig vorkommen, daß die ausgeschiedenen Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung der Zukunftssicherungsleistungen bereits in einem neuen Beschäftigungsverhältnis stehen. Wollte man in diesen Fällen die Pauschalierungsmöglichkeit des § 40b EStG versagen, so würde § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG in vielen Fällen gegenstandslos werden. Dies kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dem es gerade darauf ankam, die Zukunftssicherung für ausgeschiedene Arbeitnehmer zu fördern.

Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten verdient diejenige Auslegung den Vorzug, die dem vom Gesetzgeber mit dem Gesetz bezweckten Erfolg am nächsten kommt. In der Praxis sind die Gestaltungsvarianten, die den Zukunftssicherungsleistungen zugrunde liegen, vielfältig und im Gesetzgebungsverfahren im vorhinein kaum zu überblicken. Im Interesse einer nachhaltigen Ausnutzung der Möglichkeiten des § 40b EStG ist es daher geboten, dem Rechnung zu tragen, sofern es sich nicht um ein mißbräuchliches Verhalten i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) handelt.

Im Streitfall hing die Höhe der den Arbeitnehmern gewährten Zukunftssicherungsleistungen von dem Geschäftserfolg des Klägers ab. Die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Gewinnbeteiligungen standen in einem solchen Fall erst im folgenden Kalenderjahr nach Erstellung der Bilanz fest. Wenn der Kläger die Fälligkeit der Gewinnbeteiligung einheitlich erst auf den 1. Dezember dieses dem Geschäftsjahr folgenden Jahres festsetzte, so bestehen hiergegen im Hinblick auf § 42 AO 1977 keine Bedenken. Einem derartigen Beteiligungsmodell ist vorgegeben, daß im Zeitpunkt der Auszahlung der Gewinnbeteiligung Arbeitnehmer aus den Diensten des Arbeitgebers ausgeschieden sind und in einem neuen Dienstverhältnis stehen. Es wäre mit dem Förderungszweck des § 40b EStG nicht vereinbar, die Leistungen an diese Arbeitnehmer von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 40b EStG auszuschließen. Entscheidend und vom Förderungszweck sowie vom Wortlaut des § 40b Abs. 2 Satz 1 und 3 EStG erfaßt ist, daß es sich um eine Leistung handelt, die im Rahmen eines ersten Dienstverhältnisses verdient worden war. Wird eine solche Leistung wegen der Besonderheiten des Beteiligungsmodells zu einem Zeitpunkt erbracht, in dem ein bestimmter Arbeitnehmer ausgeschieden und bereits in einem neuen Dienstverhältnis steht, so hat der ausgeschiedene Arbeitnehmer dennoch diese Leistung aus seinem ersten (früheren) Dienstverhältnis bezogen (gl. Ansicht Grube in Littmann/Bitz/Meinke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 40b Rdnr. 6; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., 1987, § 40b Anm. 3; wohl auch Hartz/Meeßen/Wolff, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Pauschalierung der Lohnsteuer" D I 5, Lieferung Dezember 1984).