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BFH-Urteil vom 24.9.1987 (V R 76/78) BStBl. 1988 II S. 561

Baumaßnahmen, für die der Bauantrag in der Zeit vom 9. Mai bis 30. November 1973 gestellt und mit deren Ausführung in der Zeit vom 1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975 begonnen wurde, konnten sowohl die Entstehung von Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973 als auch die Gewährung von Investitionszulagen nach § 4b InvZulG 1975 auslösen.

Ein gesetzlicher Wertungswiderspruch, der zum Erlaß der Selbstverbrauchsteuer in Fällen dieser Art führen könnte, ist den maßgeblichen Regelungen nicht zu entnehmen.

UStG 1973 § 30, § 27 Abs. 15; InvZulG 1975 §§ 1, 4b.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - in Gesellschaft bürgerlichen Rechts - hatten im Dezember 1975 für ihren Gastwirtschafts- und Hotelbetrieb einen Hotelerweiterungsbau fertiggestellt und in Betrieb genommen. Antrag auf Baugenehmigung hatten sie am 10. Juli 1973 gestellt. Die Baugenehmigung war nach Verzögerung im Verfahren bei der Behörde erst am 7. November 1974 erteilt worden. Baubeginn war erst 1975.

Für die Errichtung des Hotelanbaus gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit Bescheiden vom 23. September 1976 und vom 22. März 1976 nach §§ 1 und 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1973/1975 Investitionszulagen von jeweils 44.433,90 DM (je 7,5 v.H.) der Herstellungskosten einschließlich Selbstverbrauchsteuer.

Nach einer Betriebsprüfung setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid 1975 Selbstverbrauchsteuer nach § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) in Höhe von 59.486,80 DM (aus Baukosten in Höhe von 540.789,80 DM) fest. Einspruch und Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1975 im Hinblick auf die Selbstverbrauchsteuer hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde rechtskräftig.

Schon vor Erlaß des Umsatzsteuerbescheids 1975 - nach Abschluß der Betriebsprüfung - beantragten die Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 1977, die Selbstverbrauchsteuer gemäß § 163 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 1975 außer Ansatz zu lassen.

Das FA lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die Kläger hätten die Vergünstigung der Investitionszulage nach §§ 1 und 4b InvZulG in Höhe von insgesamt 15 v.H. gerade durch die verzögerte Erteilung der Baugenehmigung erlangt. Unter Berücksichtigung aller Umstände liege eine Unbilligkeit nicht vor.

Nach erfolgloser Beschwerde beantragten die Kläger mit der Klage, unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung und der Beschwerdeentscheidung das FA zu verurteilen, den Investitionssteuerbetrag in Höhe von 59.486,80 DM gemäß § 227 AO 1977 aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.

Sie stützten sich weiterhin darauf, die Voraussetzungen für die Selbstverbrauchsteuerfestsetzung hätten nicht vorgelegen. Selbst wenn man sie aber für erfüllt halte, sei nach den Besonderheiten des Falles von der Erhebung aus Billigkeitsgründen abzusehen. Schließlich stelle die Vergünstigung der Investitionszulage nach den §§ 1, 4b InvZulG einerseits und die Erhebung der Selbstverbrauchsteuer andererseits für dieselbe Baumaßnahme einen Fall störender Unabgestimmtheit dar, der eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertige.

Das FG gab der Klage statt und verpflichtete das FA, den Klägern die Selbstverbrauchsteuer in Höhe von 59.486,80 DM zu erlassen. Das FG ging davon aus, daß zwar sowohl Selbstverbrauchsteuerfestsetzung als auch Gewährung der Investitionszulagen tatbestandsmäßig seien. Der Vorschrift des § 4b InvZulG sei jedoch der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, alle tatsächlichen Bauinvestitionen nach dem 1. Dezember 1974 - ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Bauantrags - zu begünstigen. Diesem Willen widerspreche die Erhebung der Selbstverbrauchsteuer auf eben diese Bauinvestitionen. Das zwinge zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber den hier vorliegenden Fall, daß der Bauantrag bereits in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. November 1973 gestellt worden sei, die tatsächlichen Investitionen - das eigentliche Objekt der vorübergehenden Maßnahme des Gesetzgebers - aber erst nach dem 1. Dezember 1974 durchgeführt worden seien, im Sinn der beantragten Billigkeitsmaßnahme geregelt haben würde, wenn er ihn gesehen hätte. Dabei sei zu beachten, daß eine Baugenehmigung in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. November 1973 nur dann beantragt worden sein dürfte, wenn wegen der besonderen Dringlichkeit der Maßnahme die Erhebung der Steuer für den Selbstverbrauch in Kauf genommen worden sei. Solche dringenden Maßnahmen dürften aber in aller Regel bis zum 1. Dezember 1974 begonnen worden sein. Sie würden deshalb von der Begünstigung des § 4b InvZulG nicht erfaßt. Bei Baumaßnahmen, die wegen eines ungewöhnlich langwierigen Genehmigungsverfahrens tatsächlich erst nach dem 1. Dezember 1974 begonnen worden und damit nach § 4b InvZulG begünstigt seien, laufe dieser Begünstigung die gleichzeitige Erhebung der Steuer für den Selbstverbrauch zuwider. Es handle sich um eine "störende Unabgestimmtheit". Das FA sei daher zum Erlaß der verwirkten Selbstverbrauchsteuer verpflichtet.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 163 Abs. 1 und § 227 AO 1977. Es vertritt im wesentlichen die Auffassung, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe die Überschneidung von Selbstverbrauchsteuer und Investitionszulage nach § 4b InvZulG übersehen und versehentlich eine entsprechende Regelung unterlassen. Selbst wenn man dies annehmen wolle, sei es ernstlich zu bezweifeln, ob der Gesetzgeber diese Frage wie das FG beurteilt hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bei Einführung der befristeten Investitionszulage nach § 4b InvZulG gesehen habe, daß in einigen Fällen Investitionszulage auch für solche Bauinvestitionen in Betracht kommen könne, die der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973 unterlägen. Der Gesetzgeber habe vielmehr geprüft, ob die Selbstverbrauchsteuer im Rahmen des damaligen Programms zur Konjunkturbelebung rückwirkend wieder habe aufgehoben werden sollen. Eine solche Maßnahme sei jedoch verworfen worden. Es seien lediglich die stillgelegten Mittel aus der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973 zur Entnahme freigegeben und die Stillegungspflicht für die künftig aufkommenden Beträge aus der Selbstverbrauchsteuer aufgehoben worden. Die für die Entscheidung der gesetzgebenden Körperschaften maßgebenden Gründe ließen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Eine rückwirkende Aufhebung der Selbstverbrauchsteuer hätte die Anwendung dieses Instruments zur allgemeinen Konjunktursenkung für die Zukunft praktisch unmöglich gemacht. Maßnahmen dieser Art wären künftig nicht ernst genommen worden.

2. Durch die Erhebung der Selbstverbrauchsteuer sei der vom Gesetzgeber mit der Investitionszulage nach § 4b InvZulG verfolgte Zweck nicht beeinträchtigt worden. Vielmehr hätte die rückwirkende Aufhebung der Selbstverbrauchsteuer oder der Erlaß dieser Steuer in einigen Fällen zu nicht vertretbaren Ergebnissen geführt: Gebäude, mit deren Herstellung nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen worden sei, wären zweifach gefördert worden (durch Investitionszulage und Nichterhebung der Selbstverbrauchsteuer), während Gebäude, für die Investitionszulage nicht in Betracht gekommen sei, weil ihr Baubeginn nicht in den genannten Begünstigungszeitraum gefallen sei, weiterhin mit Selbstverbrauchsteuer belastet geblieben wären.

3. Unternehmer, die in der Zeit vom 9. Mai bis 30. November 1973 einen Bauantrag gestellt hätten, hätten mit Selbstverbrauchsteuer rechnen müssen. Mit der Gewährung der Investitionszulage hätten sie zudem eine Hilfe erhalten, mit der sie im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung nicht hätten rechnen können.

4. Zielkonflikte zwischen der damals stabilitätspolitisch gebotenen Erhebung der Selbstverbrauchsteuer einerseits und Maßnahmen zur Förderung bestimmter Investitionen andererseits könnten eintreten. Bei der Erörterung der Frage, ob Selbstverbrauchsteuer auch für solche Investitionen erhoben werden sollte, die durch das Zonenrandförderungsgesetz (ZRFG) gefördert worden seien, habe sich im Finanzausschuß des Deutschen Bundestags die Auffassung durchgesetzt, daß auch in solchen Fällen Selbstverbrauchsteuer zu erheben sei. Die mit Einführung der Selbstverbrauchsteuer verfolgten konjunkturpolitischen Ziele sollten nicht durch Ausnahmeregelungen beeinträchtigt werden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die Entscheidung der Finanzbehörden über den Erlaß von Steuern, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (§ 227 Abs. 1 AO 1977), ist eine Ermessensentscheidung (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603), die durch das Gericht nur in den Grenzen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens oder Ermessensfehlgebrauchs geprüft werden kann.

2. Die vom FG ausgesprochene Erlaßverpflichtung ist nach diesem Prüfungsmaßstab nicht gerechtfertigt. Das Urteil war daher aufzuheben.

a) Unbilligkeit der Einziehung einer Steuer aus sachlichen Gründen - wie sie von den Klägern geltend gemacht und vom FG bejaht wurde - kommt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) in Betracht, wenn die Besteuerung - unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen - im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Das ist der Fall, soweit nach dem erklärten oder mutmaßlichen - objektivierten - Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte die Frage - hätte er sie geregelt - im Sinn der beantragten Billigkeitsentscheidung geregelt. Erfüllt ein Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand, läuft aber die Besteuerung den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, kann ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein. Umstände, die dem Besteuerungszweck entsprechen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewußt in Kauf genommen hat, stehen dem entgegen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271; vom 15. Februar 1973 V R 152/69, BFHE 108, 571, BStBl II 1973, 466, mit Nachweisen, und vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489).

b) Die Festsetzung der Selbstverbrauchsteuer im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung 1975 war - wovon das FG zutreffend ausgeht - tatbestandsgemäß. Die Steuertatbestände der (durch Art. 6 des Steueränderungsgesetzes vom 26. Juni 1973 - StÄndG 1973 -, BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545 erneut eingeführten) Selbstverbrauchsteuer sind in § 30 i.V.m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 geregelt. Nach § 27 Abs. 15 Satz 1 UStG 1973 ist § 30 UStG 1973 auf den Selbstverbrauch anzuwenden, der in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis zum 30. November 1973 (aufgrund der Abkürzung durch § 1 der Neunten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - 9. UStDV - vom 20. Dezember 1973, BGBl I 1973, 1961, i.V.m. § 30 Abs. 9 UStG 1973) bewirkt wird. Von der Nichtanwendungsregelung des § 1 Abs. 1 der 9. UStDV ausgenommen blieb der Selbstverbrauch von Wirtschaftsgütern, die der Unternehmer vor dem 1. Dezember 1973 bestellt oder mit deren Herstellung er vor diesem Tag begonnen hatte. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 der 9. UStDV gilt bei Gebäuden als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Mit einem Antrag in diesem Zeitraum setzte der Unternehmer die entscheidende Bedingung für die Selbstverbrauchsteuerpflicht, selbst wenn die Zuführung des Gebäudes zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erfolgte (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1978 V R 32/75, BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, unter 1., und vom 27. März 1981 V R 97/77, BFHE 133, 106, BStBl II 1981, 595). Die Erfassung von Investitionen, die während der für § 30 UStG 1973 vorgesehenen Geltungsdauer begonnen worden waren, nach Ablauf dieser Zeitspanne und ohne gesetzliche Befristung war konjunkturpolitische Absicht des Gesetzgebers; das Auslaufen der Steuer für solche Investitionen bedurfte besonderer gesetzlicher Regelung (vgl. Wachweger, Deutsche Steuerzeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1973, 241, unter II.). Der Selbstverbrauchstatbestand wurde somit durch die Kläger mit deren Antrag auf Baugenehmigung am 10. Juli 1973 und der Zuführung des Gebäudes zur Nutzung als Anlagevermögen Ende 1975 (trotz zwischenzeitlichen Wegfalls der Selbstverbrauchsteuer) verwirklicht. Die Steuerfestsetzung 1975 entspricht - wie oben ausgeführt - dem bei Einführung und bei Abschaffung der Steuer verfolgten Gesetzeszweck. Der BFH (a.a.O.) hat diese Steuer aufgrund ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzung als eine Investitionssteuer beurteilt, die vorrangig an den Investitionsentschluß des Unternehmers anknüpft, auf den zur Dämpfung der Nachfrage prohibitiv eingewirkt werden sollte, die aber erst dann ausgelöst wird, wenn der Unternehmer seinen Investitionsentschluß in der Weise verwirklicht, daß er den Investitionsgegenstand der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt.

Soweit die der Selbstverbrauchsteuerpflicht unterliegende Investition der Kläger zugleich mit Investitionszulage nach § 1 InvZulG 1973/1975 begünstigt wurde, entsprach dies der gesetzlichen Regelung. Ein gesetzlicher Wertungswiderspruch besteht insoweit nicht. Die Investitionszulage für bestimmte Investitionen in förderungsbedürftigen Gebieten war bereits durch das InvZulG vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211) - als Instrument der regionalen Förderungspolitik - eingeführt worden. Sie wurde durch die Konjunkturdämpfungsmaßnahmen des StÄndG 1973 - also insbesondere die Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973 - in ihrem Bestand nicht berührt. Allerdings wurde der Zulagensatz von 10 v.H. auf 7,5 v.H. herabgesetzt (vgl. zum StÄndG insoweit Söffing, DStZ/A 1973, 266, unter II. 1.).

Auch die Einführung des § 4b InvZulG auf Fälle, die zugleich noch mit Selbstverbrauchsteuerpflicht belastet waren, läßt keinen gesetzlichen Wertungswiderspruch erkennen.

§ 4b InvZulG 1975 ist zwar kein Instrument der regionalen Förderungspolitik wie im wesentlichen § 1 InvZulG. Die Vorschrift bezweckte vielmehr eine allgemeine Konjunkturbelebung - wie umgekehrt § 30 UStG 1973 eine allgemeine Konjunkturdämpfung bewirken sollte - . Daraus allein läßt sich jedoch nicht herleiten, daß § 30 UStG 1973 in Fällen der Tatbestandskonkurrenz zurücktreten sollte.

Das Gesetz zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung vom 23. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3676, BStBl I 1975, 48) - das die hier maßgebliche Vorschrift zunächst als § 4a, die aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes vom 30. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3726) zu § 4b wurde, in das InvZulG einfügte - brachte keine ausdrückliche Regelung zur Nichtanwendung des § 30 i.V.m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 auf die noch "offenen" Selbstverbrauchsteuerfälle.

Nach dem Entwurf des Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung (BTDrucks 7/2979, Art. 2) ergab sich eine Abgrenzung dahingehend, daß noch offene Fälle zu § 30 UStG 1973 (noch nicht zugeführte Gebäude mit Bauanträgen aus der Zeit vom 9. Mai bis 30. November 1973) nicht zugleich von der Zulageregelung erfaßt werden konnten. Die Entwurfsregelung bezog den Begünstigungszeitraum vom 30. November 1974 bis 30. Juni 1975 auch auf Anträge auf Baugenehmigung (als Beginn der Herstellung von Gebäuden).

Erst auf Antrag des Finanzausschusses (BTDrucks 7/3010) erhielt § 4a InvZulG (jetzt § 4b InvZulG) bei Abs. 2 als Satz 6 die Regelung angefügt, daß bei Antragstellung auf Baugenehmigung vor dem 1. Dezember 1974 der Beginn der Herstellung als Beginn der Bauarbeiten gelte. Der Begünstigungsrahmen für Gebäude wurde somit - gegenüber anderen Investitionen - vorverlegt. Der kurzfristige Investitionsanreiz des § 4b InvZulG bezog sich auf die tatsächliche Investition. Daß der Investitionsentschluß bei Gebäuden unabhängig von dieser Förderungsmaßnahme bereits aus früherer Zeit stammte und von früher geltenden konjunkturdämpfenden Regelungen erfaßt worden sein konnte, wird durch § 4b InvZulG 1975 nicht als zulagenschädlich behandelt.

Im Hinblick auf die Gesetzesfassung des § 4b InvZulG war die Gewährung der Investitionszulage für den Hotelanbau der Kläger tatbestandsmäßig. Der Antrag auf Baugenehmigung war vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden; der Beginn der Bauarbeiten als insoweit maßgeblicher Herstellungsbeginn lag unstreitig zwischen dem 30. November 1974 und dem 30. Juni 1975.

Eine Wertung des Gesetzgebers zu diesen Fällen der Tatbestandskonkurrenz läßt sich zwar weder dem Gesetzeswortlaut des InvZulG noch der Begründung des Finanzausschusses (BTDrucks 7/3010) entnehmen. Wie das FA aber in der Revisionsbegründung zu Recht vorträgt, darf in diesem Zusammenhang nicht das als Art. 8 des Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung ergangene Gesetz über die Freigabe der stillgelegten Mittel aus der Steuer für den Selbstverbrauch sowie über die Aufhebung der Stillegungspflicht für künftig aufkommende Beträge außer acht gelassen werden: § 2 dieser Regelung schreibt vor, daß "künftig aufkommende Beträge aus dieser Steuer für den Selbstverbrauch" nicht mehr als Konjunkturausgleichsrücklage auf Sonderkonten bei der Deutschen Bundesbank anzusammeln seien, sondern bei der Umsatzsteuer vereinnahmt würden. Der Gesetzgeber ging somit erkennbar von der Weitergeltung der Selbstverbrauchsteuerpflicht für noch "offene Fälle" des § 30 i.V.m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 - während des zeitlichen Geltungsbereichs der Zulageregelung des § 4b InvZulG - aus.

c) Es mag unbefriedigend erscheinen, daß ein und derselbe Lebenssachverhalt von zwei gesetzlichen, aber gegenläufigen Konjunkturlenkungsmaßnahmen erfaßt wird. Dabei kann aber bei Fällen vorliegender Art nicht außer acht gelassen werden, daß § 4b InvZulG letztlich durch die - ausdehnende - Einbeziehung bereits früher eingeleiteter Gebäudeinvestitionen nach Art einer Übergangsregelung noch die Begünstigung gewährt, obgleich es sich um Fälle handelt, die an sich die früher geltenden Konjunkturdämpfungsmaßnahmen ausgelöst hatten. Daß aber in die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage nach § 4b InvZulG im vorliegenden Fall - rechtlich unangreifbar - auch die angefallene Selbstverbrauchsteuer einzubeziehen war, die Förderung dadurch also erhöht wurde, dürfte das Verständnis für derartig gestaltete Konjunkturlenkungsmaßnahmen nicht erleichtern.

Die dargestellte gesetzlich bedingte Situation kann jedenfalls nicht durch Billigkeitsmaßnahmen der Verwaltung aus sachlichen Gründen im Sinn des beantragten Erlasses beeinflußt werden. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Verwaltung (aufgrund § 131 der Reichsabgabenordnung, jetzt §§ 163, 227 AO 1977) nicht die Befugnis hat, anstelle einer vom Gesetzgeber unterlassenen sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme die gesetzlich geschuldete Steuer ganz oder teilweise nicht zu erheben (vgl. Urteil vom 7. August 1974 II R 57/72, BFHE 113, 265, BStBl II 1975, 51, mit Nachweisen; siehe auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 227 AO 1977 Tz. 40). Soweit Hübschmann/Hepp/Spitaler (Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 163 AO 1977 Anm. 22) unter Berufung auf Koch (Neue Wirtschafts-Briefe Fach 2, 2343) Ausnahmen von dieser einschränkenden Rechtsprechung für gerechtfertigt halten, verlangt dies vorliegend keine weitere Erörterung; denn ein "ganz besonders gelagerter Ausnahmefall", bei dem durch eine "Versagung der steuerlichen Begünstigung das Vorhaben von überragender volkswirtschaftlicher Bedeutung undurchführbar wäre", liegt hier nicht vor. Auch verletzt die gesetzliche Regelung weder einen Vertrauenstatbestand noch den Gleichheitssatz. Die Kläger konnten von Anfang an nicht darauf vertrauen, die Selbstverbrauchsteuer, deren erstes Tatbestandsmerkmal sie durch den Bauantrag schon erfüllt hatten, werde nicht erhoben. Zum anderen werden die Kläger, zumal sie die Selbstverbrauchsteuervoraussetzung der Antragstellung innerhalb der Belastungsfrist des § 30 UStG 1973 bereits ausgelöst hatten, dadurch nicht ungleich im Verhältnis zu anderen begünstigten Investoren behandelt, daß sie im Ergebnis nur eine mit der Selbstverbrauchsteuer saldierte Investitionszulage für ihre Baumaßnahme erhalten. Vielmehr läge bei Nichterhebung der ausgelösten Selbstverbrauchsteuer eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen, mit Selbstverbrauchsteuer belasteten Investoren bei gleichzeitigem Investitionsentschluß nahe.

3. Der Senat kann die spruchreife Sache selbst entscheiden. Die Klage war abzuweisen.