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BFH-Urteil vom 23.2.1988 (IX R 157/84) BStBl. 1988 II S. 604

Vermietet der Vater eine ihm gehörende Eigentumswohnung an den unterhaltsberechtigten studierenden Sohn, der den Mietzins nur aus dem vom Vater gewährten Barunterhalt bestreiten kann, so liegt in dem Abschluß des Mietvertrags, auch wenn er bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart sowie tatsächlich durchgeführt ist, ein Gestaltungsmißbrauch.

EStG 1977 § 21 Abs. 1 und 2, § 21a; BGB §§ 1601, 1602, 1612 Abs. 1 und 2, 1614; AO 1977 §§ 41, 42; StAnpG § 6.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1982, 242)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahre 1974 in Berlin (West) eine im steuerbegünstigten Wohnungsbau errichtete, 43,66 qm große 1 1/2-Zimmer-Eigentumswohnung. Mit schriftlichem Mietvertrag vom 16. Juli 1975 überließ er, vertreten durch die Firma X-KG, die Wohnung an seinen 1952 geborenen, in Berlin studierenden Sohn für monatlich 411,25 DM (Miete 301,25 DM, Heizkostenvorschuß 60 DM und Garagenmiete 50 DM). Er erklärte hierfür in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1977 einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von (3.100,84 DM ./. 10.959 DM =) 7.858,16 DM, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst im wesentlichen anerkannte.

In dem wegen anderer Punkte, u.a. auswärtiger Unterbringung des Sohnes, angestrengten Einspruchsverfahren legte der Kläger nach schriftlichem Hinweis des FA auf die Überprüfungsmöglichkeit gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) den Mietvertrag vor. Er erklärte, daß sein Sohn von ihm einen etwas über dem BAföG-Satz (620 DM) liegenden Unterhalt erhalten habe. Mit der Einspruchsentscheidung gab das FA dem Begehren des Klägers statt, rechnete jedoch nunmehr ihm den Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu.

Während des Klageverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in anderen Punkten. Der Kläger machte den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens und brachte vor, er habe an seinen Sohn monatlich 730 DM Unterhalt gezahlt. Sein Sohn habe die monatliche Miete durch Postschecküberweisung an die Hausverwaltungsgesellschaft geleistet. Von Januar bis März 1977 habe die Miete monatlich 411,25 DM betragen. Er habe die Miete dann ab April 1977 auf Verlangen der Hausverwaltung unter Berücksichtigung der öffentlichen Zuschüsse und vergleichbarer Mieten anderer Wohnungen auf monatlich 181,47 DM herabgesetzt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage insoweit mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 242 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FG habe aufzuklären unterlassen, daß die Unterhaltszahlungen des Klägers in der festgelegten Höhe von 730 DM auch bereits vor dem Streitjahr und vor dem Einzug des Sohnes geleistet worden seien. Es sei vereinbart gewesen, daß der Sohn über die Unterhaltsleistungen frei verfügen könne, hiervon aber sämtliche Lebenshaltungskosten einschließlich der Miete und Verpflegung zu decken habe. Dementsprechend sei man tatsächlich verfahren.

Das FG habe zu Unrecht § 21a EStG anstelle von § 21 EStG angewandt. Bei der Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei das FG von unrichtigen Vergleichshypothesen ausgegangen. Denn es habe zu Unrecht den vorliegenden Sachverhalt mit dem Fall verglichen, daß der Kläger dem Sohn nur einen um die Mietzahlung verminderten Unterhalt von 549 DM gezahlt hätte und zusätzlich für Naturalunterhalt in Form der Unterbringung sorge. Es hätte vielmehr den vorliegenden Fall mit der Gestaltung vergleichen müssen, daß der Kläger an seinen Sohn 730 DM Barunterhalt zahle und die Wohnung an einen fremden Dritten für 181 DM vermiete, während sich der Sohn bei einem anderen Vermieter einmiete. Hätte der Sohn seine Mietzahlungspflicht nicht erfüllt, würde der Kläger miet- und unterhaltsrechtliche Konsequenzen gezogen haben. Mit einer Unterhaltskürzung und Zuweisung einer Wohngelegenheit hätte sich der Sohn nicht einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1977 dahingehend zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Eigentumswohnung ein Werbungskostenüberschuß von 7.093,16 DM angesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidungsgründe in dem FG-Urteil ergeben zwar eine Verletzung geltenden Rechts, doch stellt sich die Vorentscheidung im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Auffassung des FG, daß die mietvertraglich vereinbarte Überlassung einer Wohnung an ein unterhaltsberechtigtes volljähriges Kind aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise stets als "unentgeltlich" zu werten sei, wenn das Kind den Mietzins aus Unterhaltsmitteln erbringe, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen ist einkommensteuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn es bürgerlich-rechtlich wirksam wie unter Fremden vereinbart und tatsächlich durchgeführt ist (vgl. zum Darlehensvertrag das Senatsurteil vom 25. November 1986 IX R 51/82, BFH/NV 1987, 159). Allerdings darf in dem Abschluß des Mietvertrags kein Gestaltungsmißbrauch (§ 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 42 AO 1977) liegen. Letzteres ist hier jedoch der Fall.

Der Senat läßt die Bedenken gegen die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit des zunächst vereinbarten Mietzinses unerörtert, soweit darin ein unzulässiger Teilverzicht des Sohnes auf den ihm zustehenden Barunterhalt liegen könnte (vgl. Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, Kommentar, - BGB-RGRK -, 12. Aufl., § 1.614, Rdn. 4). Der Senat läßt auch dahinstehen, ob der Abschluß eines Mietvertrags zwischen Vater und Sohn, wobei die Miete nur aus Unterhaltszahlungen des Vaters entrichtet werden kann, die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts i. S. des § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V. m. § 5 Abs. 1 StAnpG (§ 41 Abs. 2 AO 1977) erfüllt (vgl. zum "Arbeitsverhältnis" unter Ehegatten hinsichtlich der Reinigung des häuslichen Arbeitszimmers das BFH-Urteil vom 27. Oktober 1978 VI R 166, 173, 174/76, BFHE 126, 285, BStBl II 1979, 80). Denn auch wenn man davon ausgeht, daß der hier abgeschlossene Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart sowie tatsächlich durchgeführt worden ist, kann dieser gleichwohl einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden, weil die Vereinbarung einen Gestaltungsmißbrauch des Rechts gemäß § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) darstellt.

Eine Umgehung im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung bei einer Gestaltung gegeben, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. die Senatsurteile vom 31. Juli 1984 IX R 3/79, BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33, und vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814).

Gewähren Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt, so können sie gemäß § 1.612 Abs. 2 Satz 1 BGB die Art der Unterhaltsgewährung bestimmen. Diese kann auch dahin getroffen werden, daß neben einer Teilrente in Geld eine Wohnung außerhalb des Elternhauses bereitgestellt wird (vgl. z.B. Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLG - vom 17. Mai 1979 BReg. 1 Z 12/79, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 1.712, m.w. N.). Dementsprechend wird Wohnraum, den Eltern ihren studierenden Kindern zur Verfügung stellen, üblicherweise formlos als Naturalunterhalt überlassen. Für den Abschluß eines Mietvertrags besteht daher zur Erreichung dieses wirtschaftlichen Zweckes aus der Sicht der unterhaltsleistenden Eltern regelmäßig kein Anlaß, weil mit der Wohnungsüberlassung bereits ein gesetzlicher Anspruch des Kindes auf Unterhaltsgewährung erfüllt wird. Die Eltern haben auch bei dieser Gestaltung der Nutzungsüberlassung als Teil der Unterhaltsleistung vermieterähnliche Kontrollrechte und können für den Zustand und die ordnungsgemäße Benutzung der Wohnung sorgen (BayObLG-Beschluß in NJW 1979, 1.713).

Schließen demgegenüber Vater und unverheirateter volljähriger Sohn über eine dem Vater gehörende Eigentumswohnung einen Mietvertrag, wobei der Sohn die Miete aus dem vom Vater geleisteten Barunterhalt zahlt, so ist diese Gestaltung den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen. Sie dient der Umgehung des § 21a EStG. Denn die Vereinbarung des Mietverhältnisses ermöglicht dem Vater den Abzug von Werbungskosten, die sonst nach der gesetzlichen Regelung über die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus gemäß § 21a Abs. 3 EStG nicht abziehbar wären. Den Nutzungswert einer im Rahmen der Unterhaltsgewährung überlassenen Eigentumswohnung hat nämlich grundsätzlich der Überlassende gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 i.V. m. § 21a EStG zu versteuern. § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG erfordert nicht, daß der Eigentümer die Wohnung selbst bewohnt, sondern besagt nur, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus dem Eigentümer zuzurechnen ist. Insoweit ist das BFH-Urteil vom 11. April 1978 VIII R 164/77 (BFHE 125, 155, BStBl II 1978, 493) durch die neuere Rechtsprechung nicht überholt. Der neuerdings im Schrifttum zum Teil vertretenen Ansicht, daß eine Wohnungsüberlassung im Rahmen der Unterhaltsgewährung als der Vermietung gleichstehende Einkünfteerzielung i. S. des § 21 Abs. 1 EStG zu werten sei (so Göppinger/Märkle, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., Rz. 2.010, S. 943, 945), folgt der erkennende Senat nicht.

Soweit der BFH seit den Urteilen in BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366 und vom 29. November 1983 VIII R 184/83 (BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371) den Nutzungswert einer Wohnung bei unentgeltlicher oder verbilligter Überlassung auch unter unterhaltsberechtigten Personen gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG dem Nutzenden zurechnet, setzt dies voraus, daß der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition innehat (vgl. auch die Senatsurteile vom 16. Oktober 1984 IX R 71/84, BFHE 142, 443, BStBl II 1985, 154, und vom 4. Juni 1986 IX R 80/85, BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839). Eine gesicherte Rechtsposition ist jedoch nicht gegeben, wenn der Überlassende nach seinem Gutdünken die Nutzung der Wohnung dem Nutzenden wieder entziehen kann (Urteil in BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371, Ziff. 2c der Gründe). So liegt der Fall im wesentlichen auch bei Überlassung einer Wohnung an das unverheiratete Kind im Rahmen der Unterhaltsgewährung, da die Eltern die Art der Unterhaltsgewährung nach ihrem Ermessen bestimmen und die Bestimmung über die Unterhaltsgewährung grundsätzlich jederzeit ändern können (Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 46. Aufl., § 1.612 Anm. 2h). Das gilt nach herrschender Meinung auch gegenüber volljährigen Kindern (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 1980 IVb ZR 537/80, NJW 1981, 574, m. w. N. sowie BGB-RGRK, § 1.612, Rdn. 6). Demzufolge kann einkommensteuerrechtlich auch keine gesicherte Rechtsposition des Nutzenden angenommen werden, wenn die Unterhaltsgewährung durch Überlassung einer Wohnung gestaltungsmißbräuchlich in ein Mietverhältnis gekleidet ist.

Im vorliegenden Fall sind wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe für den Abschluß eines Mietvertrags zwischen dem Kläger und seinem Sohn, wobei es auf die Sicht des Überlassenden ankommt, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Streitfall veranlaßt es nicht, zu entscheiden, ob die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs auch eine darauf gerichtete Absicht der Beteiligten voraussetzt. Denn jedenfalls kann davon ausgegangen werden, daß die hier vorliegende Erfüllung des Steuertatbestandes des § 6 Abs. 1 StAnpG bzw. § 42 AO 1977 eine Umgehungsabsicht indiziert (vgl. Senatsurteil in BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814).

Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch. Gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs sieht der Senat von einer Begründung ab.