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BFH-Beschluß vom 22.4.1988 (III B 73/87) BStBl. 1988 II S. 612

Die Frage, ob das Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen bei Anspruch auf Kindergeld (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG) auch dann nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, wenn der nichtkindergeldberechtigte geschiedene Elternteil für den Kindesunterhalt aufkommt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

EStG § 33a Abs. 1, § 33a Abs. 1a.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist geschieden und in zweiter Ehe verheiratet. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1984 machte er u. a. Unterhaltsleistungen an seine beiden Kinder aus erster Ehe in Höhe von insgesamt 15.540 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1, Abs. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ließ nur zwei halbe Kinderfreibeträge in Höhe von insgesamt 432 DM (§ 32 Abs. 8 EStG) und zwei Freibeträge von zusammen 1.200 DM gemäß § 33a Abs. 1 a EStG zum Abzug zu.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Durch den Unterhalt von Kindern veranlaßte Aufwendungen seien im Streitjahr durch den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 8 EStG sowie durch die Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) berücksichtigt worden. Aus dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folge nicht bindend die Verpflichtung des Gesetzgebers, die tatsächlichen Unterhaltsleistungen steuerlich zum Abzug zuzulassen. Bei der Frage, wie die Minderung der Leistungsfähigkeit einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sei, habe der Gesetzgeber einen weitgehenden Spielraum, der ihn berechtige, sozial- oder gesellschaftspolitische Erwägungen in seine Entscheidung einzubeziehen. Es sei davon auszugehen, daß Unterhaltsverpflichtete entsprechend ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil der Unterhaltsleistungen selbst zu tragen hätten. Dies gelte um so mehr, wenn ein Steuerpflichtiger, wie der Kläger, ein hohes Einkommen beziehe. Mit Rücksicht auf ein zu versteuerndes Einkommen im Streitjahr von 158.317 DM gebiete es der Grundsatz der Steuergerechtigkeit nicht, dem Kläger über die ihm gewährten steuerlichen Entlastungen hinaus weitere Abzugsmöglichkeiten für Unterhaltsleistungen zu eröffnen. Der Kläger werde im übrigen nicht wesentlich schlechter gestellt als verheiratete Eheleute, die ihren Kindern im gemeinsamen Haushalt Unterhalt gewähren.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Seine Nichtzulassungsbeschwerde stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache. Er macht geltend, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) habe sich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu richten (Beschluß vom 22. Februar 1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357). Dem seien mehrere FG gefolgt (vgl. Vorlagebeschluß des FG Bremen vom 20. Dezember 1985 I 132/85 K, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 126 - Ausbildungsfreibeträge -; Beschluß des FG Köln vom 9. Mai 1986 II A 244/85, EFG 1986, 454 - Unterhaltshöchstbeträge, Ausbildungsfreibeträge, Kinderfreibeträge -; Beschluß des FG Baden-Württemberg vom 2. September 1986 I K 337/85, EFG 1987, 33 - Kinderfreibetrag -). Die hiervon abweichende Vorentscheidung verkenne die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Eine Entscheidung der Streitsache durch den Bundesfinanzhof (BFH) liege daher im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung, zumal der Gesetzgeber selbst, wie die Anhebung der Ausbildungsfreibeträge ab 1988 zeige, den Handlungsbedarf erkannt habe (Hinweis auf die Begründung zum Steuersenkungserweiterungsgesetz 1988, BTDrucks 130/87, S. 47).

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.

1. Die sich im Streitfall stellende Frage, ob § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt, als die Steuerermäßigung für zwangsläufige Aufwendungen zum Unterhalt und zu einer etwaigen Berufsausbildung von Personen ausgeschlossen ist, für die im Veranlagungszeitraum der Steuerpflichtige oder eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG oder andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs. 1 BKGG) hat, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats verstößt das Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen bei Anspruch auf Kindergeld (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG) nicht gegen das Grundgesetz - GG - (Beschluß vom 26. Juni 1987 III B 32/85, BFHE 150, 156, BStBl II 1987, 713). Die Verfassungsbeschwerde gegen vorstehend erwähnten BFH-Beschluß hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 9. Februar 1988 1 BvR 1166/87).

b) Es ist auch geklärt, daß es nicht verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn ein geschiedener Elternteil wegen seiner Unterhaltsleistungen, die er in bar seinen beim anderen Elternteil lebenden Kindern gewährt, nicht unmittelbar steuerlich, sondern mittelbar über die Bemessung der Unterhaltsleistungen (Berücksichtigung der Kindergeldzahlungen an den anderen Elternteil) entlastet wird (Beschluß des BVerfG vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 120 f., BStBl II 1977, 526, 532). An dieser Rechtsauffassung hat das BVerfG in dem Beschluß über die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BFH vom 13. Mai 1985 IX B 63/84 (nicht veröffentlicht) ausdrücklich festgehalten (Beschluß des BVerfG vom 19. August 1986 1 BvR 694/85, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1986, 551).

2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dient § 33a Abs. 1 a EStG (sog. Kontaktfreibetrag) nicht der Abgeltung von Unterhaltsleistungen. Die Frage, ob der sog. Kontaktfreibetrag den Abzug von Unterhaltszahlungen für Kinder in realitätsfremder Weise begrenzt, ist daher rechtlich unerheblich und nicht von grundsätzlicher Bedeutung (Beschluß vom 4. Februar 1987 III B 151/86, BFHE 148, 530, BStBl II 1987, 339). Diese Rechtsauffassung des Senats steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses hat die gegen den vorgenannten Beschluß des Senats erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 8. März 1988 1 BvR 346/87; s. im übrigen auch insoweit Inf 1986, 551).