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BFH-Urteil vom 14.4.1988 (IV R 96/86) BStBl. 1988 II S. 672

Geht ein Landwirt von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG über, so hat er bei der Aufstellung der Übergangsbilanz erstmals ein Wahlrecht, ob er seine selbstgewonnenen, nicht zum Verkauf bestimmten Futtervorräte aktivieren oder nach einer Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung auf die Aktivierung verzichten will.

EStG 1977 § 4 Abs. 1, § 13a, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, § 14.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau leben im Güterstand der Gütergemeinschaft. Sie betreiben gemeinsam eine Land- und Forstwirtschaft mit den Schwerpunkten Schweinemast und Weinbau. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Ab dem 1. Juli 1979 bestand Buchführungspflicht.

In der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1979 wies der Kläger nicht zum Verkauf bestimmte Futtervorräte (Sommergerste und Körnermais) in Höhe von 12.540 DM unter der Bilanzposition Vorräte (insgesamt 29.290 DM) aus. In den Folgejahren bilanzierte er die Futtervorräte entsprechend (30. Juni 1980: 7.728 DM; 30. Juni 1981: 7.032 DM).

Im Anschluß an eine Außenprüfung kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Ansatz für diese nicht zum Verkauf bestimmten Vorräte in der Anfangsbilanz zum 1. Juli 1979 um 12.540 DM, in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1980 um 7.728 DM und in der Bilanz zum 30. Juni 1981 um 7.032 DM. Das führte zu Gewinnerhöhungen für das Wirtschaftsjahr 1979/80 von 4.812 DM und für das Wirtschaftsjahr 1980/81 in Höhe von 696 DM. Dementsprechend entfielen auf den Veranlagungszeitraum 1979 Einkünfte in Höhe von 2.406 DM und auf den Veranlagungszeitraum 1980 Einkünfte in Höhe von 2.754 DM. Das FA änderte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide entsprechend. Der Einspruch des Klägers blieb in diesem Punkt erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, der Ansatz selbstgewonenen Futters sei zumindest wahlweise möglich.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, erst ab dem Jahr 1970 seien infolge des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Januar 1970 (BStBl I 1970, 184) nicht zum Verkauf bestimmte Vorräte, und zwar Heu, Stroh, Silofutter, Dünger und Gülle nicht mehr bilanziert worden. Dagegen seien andere Vorräte, wie z.B. Getreide und Körnermais, tatsächlich nach wie vor bewertet worden. Die Auswertung der Gesellschaft für Verarbeitung landwirtschaftlicher Daten mbH (LAND-DATA) beweise es. Danach werde von ca. 80 v.H. der untersuchten Betriebe am Bilanzstichtag selbsterzeugtes Futter bilanziert.

Diese Vorräte (Getreide und Mais) würden grundsätzlich mit den von der Finanzverwaltung jährlich herausgegebenen Gutsinventurpreisen (s. Landwirtschaftskartei der Oberfinanzdirektionen Freiburg-Karlsruhe-Stuttgart unter F V S.1) bewertet.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es meint, es komme darauf an, ob die Mehrzahl der buchführenden Landwirte die selbstgewonnenen Futtermittel zu aktivieren pflegten. Das FG habe diese Frage in Anlehnung an die Landwirtschaftskartei, a.a.O. (vgl. Abschn. D 4 Tz. 8.1) bejaht. An diese Feststellung sei der Bundesfinanzhof (BFH) gebunden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Geht ein Landwirt mit dem Eintritt in die Buchführungspflicht von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG über, so ist bei Beginn des ersten Wirtschaftsjahres mit Bestandsvergleich eine Anfangsbilanz (Übergangsbilanz) aufzustellen, die das im Zeitpunkt des Übergangs vorhandene Betriebsvermögen ausweist (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1985 IV R 225/83, BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392). Dabei sind die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, mit denen sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu Buche stehen würden, wenn der Gewinn schon vorher durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt worden wäre.

2. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben das Umlaufvermögen, zu dem die genannten Vorräte gehören, grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Auch ein Ansatz mit dem Teilwert ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das gilt sowohl für angeschafftes als auch für selbstgeschaffenes Vorratsvermögen.

Ein buchführender Land- und Forstwirt hat indes nach einer Regelung der Finanzverwaltung ein Wahlrecht, sein selbstgewonnenes, nicht zum Verkauf bestimmtes Vorratsvermögen, hier bestimmte Futtervorräte (Getreide, Mais), zu aktivieren oder auf die Aktivierung zu verzichten, d.h. die Kosten der Herstellung als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln. Diese auf § 148 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhende Vereinfachungsregelung (Schreiben des BMF in BStBl I 1970, 184 unter Nr. 4 und in BStBl I 1981, 878, 880 zu 3.1.3) ist von der Finanzverwaltung unter der Annahme zugelassen worden, daß die Nichtbilanzierung durch die annähernd gleichbleibende Höhe der anzusetzenden Beträge zu Beginn und am Ende eines Wirtschaftsjahres ohne Gewinnauswirkung bleibt.

Das einmal in Anspruch genommene Aktivierungswahlrecht bindet den Landwirt grundsätzlich auch für die Zukunft. Ein Wechseln ist nicht zulässig (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1984 IV R 212/82, BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391, 393; jetzt § 252 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 HGB n. F.).

Dieses Wahlrecht muß dem Landwirt auch für den Fall zustehen, daß er von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergeht und erstmals vor der Frage steht, ob er das selbstgeschaffene, nicht zum Verkauf bestimmte Vorratsvermögen (Futtervorräte) in der Anfangsbilanz ausweisen soll. Eine Bindung an die bisherige Handhabung im obigen Sinne kann für ihn nicht bestehen, da er sein Wahlrecht bei der § 13 a - Gewinnermittlung noch nicht ausgeübt hat und auch noch nicht ausüben konnte.

Unerheblich ist danach, ob und inwieweit buchführende Landwirte die Herstellungskosten für selbstgeschaffene, nicht zum Verkauf bestimmte Futtervorräte (Gerste, Mais) im allgemeinen zu aktivieren pflegen, und zwar selbst dann, wenn dazu nachprüfbare Erhebungen vorlägen. Ein Landwirt, der seinen Gewinn bisher nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG ermittelte, hatte keine Möglichkeit, sein Wahlrecht auszuüben. Er kann nicht rückwirkend durch das überwiegende Verhalten anderer Landwirte festgelegt werden. Ebenso wie dem Pächter, der erstmalig eine Eröffnungsbilanz erstellt (Urteil in BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391, 393), muß auch dem Landwirt, der eine Übergangsbilanz (Anfangsbilanz) erstellt, das von der Finanzverwaltung eingeräumte Bilanzierungswahlrecht hinsichtlich des selbstgeschaffenen Vorratsvermögens zustehen. Denn er kommt neu und erstmalig in die Lage, dieses zu bewerten. Entsprechend ist er für die Zukunft an das einmal ausgeübte Wahlrecht nach den Grundsätzen der Bewertungsstetigkeit gebunden.

Entgegen der vom FA in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung kann auch daraus, daß sich der Landwirt mit einer Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nicht für die aufgrund eines besonderen Antrages mögliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden hat (vgl. § 13a Abs. 2 EStG), nichts anderes hergeleitet werden. Die Annahme, daß sich ein solcher Landwirt damit auch für die Übernahme der Vereinfachungsregelungen der Finanzverwaltung für buchführende Land- und Forstwirte entschieden und damit sein Wahlrecht ohne Berechtigung, ohne erkennbare Folge und ohne erkennbaren Sinn ausgeübt hat, stellt eine Fiktion dar, der sowohl eine rechtliche als auch vor allem eine logische Grundlage fehlt. Das BFH-Urteil vom 3. Juni 1965 IV 180/61 U (BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579), das zur Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (Gesetz und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, 95) ergangen ist, versucht dieser Fiktion eine sachliche Grundlage mit dem Hinweis zu geben, es liege im Wesen der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen, daß mit ihnen alle normalen Aufwendungen eines Landwirts abgegolten seien; bei der Frage, was als normale Aufwendung zu gelten habe, sei aber von den bei buchführenden Landwirten im allgemeinen ausgewiesenen Aufwendungen auszugehen, zu denen eben auch die Kosten für Feldinventar und stehende Ernte gehörten (im Streitfall also auch für selbst angebaute Futtervorräte, die zum eigenen Verbrauch bestimmt sind); sie seien auch schon bei der Ermittlung des Einheitswerts berücksichtigt und damit auch im Grundbetrag erfaßt.

Diese Begründung verkennt, daß die fiktive Annahme der Abgeltung (Berücksichtigung) aller normalen laufenden Ausgaben im entsprechenden Grundbetrag als Jahresreinertrag mit der Frage der Aktivierungspflicht der Kosten der selbsterzeugten Futtervorräte, die zum Umlaufvermögen gehören, unmittelbar nichts zu tun hat. Denn die Höhe des Grundbetrags, der sich als Reinertrag erst aus dem Vergleich der Einnahmen und Ausgaben ergeben kann, hängt nicht davon ab, ob die Aktivierungspflicht dieser Kosten, die ja nur zu einer Verlagerung der Aufwandsbuchung in das Jahr des Verbrauchs führt, bejaht oder verneint wird; er enthält dazu keine Aussage. Die Finanzverwaltung selbst ist bei der Zulassung des obigen Wahlrechts zutreffend davon ausgegangen, daß es - wie der Landwirt sich auch entscheidet - bei jährlicher Fruchtfolge in der Folge der Jahre grundsätzlich ohne Auswirkung auf den laufenden Gewinn ist. Der Grundbetrag will und kann aber nur den laufenden Gewinn erfassen; für den fiktiven Bestandsvergleich im Falle der Betriebsveräußerung gibt er nichts her.

Im Falle des Urteils in BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579 handelte es sich aber um die Berechnung des Veräußerungsgewinns anläßlich einer Betriebsveräußerung, für die beim Landwirt mit Durchschnittsgewinnermittlung als betrieblicher Abschluß im Wege der Schätzung ein fiktiver Bestandsvergleich aufgestellt werden mußte. Dabei kann dem betreffenden Landwirt schon von der Sache her nicht erstmals die Ausübung eines Aktivierungswahlrechtes eingeräumt werden, wie im vorliegenden Fall des Übergangs von der Durchschnittsgewinnermittlung zum Bestandsvergleich, bei dem das erstmals mögliche und eingeräumte Wahlrecht für die Zukunft auszuüben ist. Man hätte daher beim obigen fiktiven Bestandsvergleich eigentlich rückwirkend von der an sich bestehenden Aktivierungspflicht ausgehen müssen, was allerdings bei vielen auf Widerspruch gestoßen wäre. Insofern unterscheidet sich der Fall in BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579, auf den allein sich die Finanzverwaltung zur Begründung ihrer Auffassung berufen kann, vom vorliegenden Streitfall, wenn auch bei der Beurteilung des Zeitraums mit Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen - obgleich unter anderen Perspektiven - parallele rechtliche Überlegungen anzustellen sind, bei denen der erkennende Senat von der damaligen Auffassung abweicht, weil er sie - wie oben dargelegt - vor allem logisch nicht für haltbar hält.

Beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen zur Gewinnermittlung nach dem Bestandsvergleich können bei der Aufstellung der Übergangsbilanz für die Zeit der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nur solche Ansätze unterstellt werden, die im Falle des Bestandsvergleichs ohne besonderen Antrag und ohne besondere Ausübung eines Wahlrechts nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzen gewesen wären. Dementsprechend können beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen grundsätzlich nur normale Absetzungen für Abnutzung zugrunde gelegt werden bzw. als erfaßt gelten; aus demselben Grunde sind auch Abweichungen hiervon durch die unterstellte Ausübung von besonderen Bewertungswahlrechten in der Regel ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juni 1984 IV R 276/83, BFHE 141, 276, BStBl II 1984, 663, und in BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392).

3. Daraus folgt, daß die beim Übergang noch vorhandenen, aber bereits im Reinertrag und somit im Grundbetrag nach § 13a Abs. 3 EStG erfaßten Vorräte an selbstgewonnener, nicht zum Verkauf bestimmter Futtergerste, ebenso Futtermais, beim Kläger, der sich für die Bilanzierung entschieden hat, grundsätzlich mit den Herstellungskosten zu bewerten sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG; vgl. jetzt § 253 HGB n. F.; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., B 734 ff., und Pape in Felsmann, a.a.O., C 88 "Vorräte"). Ist der Börsen- oder Marktpreis niedriger, ist dieser anzusetzen (Felsmann, a.a.O., B 735; vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540). Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, wenn der Steuerpflichtige für die zu bewertenden selbstgewonnenen Erzeugnisse die alljährlich bekanntgegebenen Inventurwerte heranzieht.

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, hat es von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht festgestellt, in welcher Höhe die vom Kläger selbsterzeugten, nicht zum Verkauf bestimmten Vorräte an Sommergerste und Körnermais zu bewerten waren. Die Frage, wie andere Land- und Forstwirte das selbstgewonnene Futter bilanzieren, ist nicht entscheidungserheblich. Der Kläger ist auch durch keinen früheren Bilanzansatz gebunden.