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BFH-Urteil vom 18.5.1988 (II R 124/85) BStBl. 1988 II S. 719

Eine rechtsanaloge Anwendung der §§ 72 und 74 BewG in bezug auf den Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ist nicht möglich.

BewG § 19 Abs. 1, § 33 Abs. 1, 2, § 34 Abs. 1, 3, §§ 47, 48, 72, 74, 75, 91.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1985, 327)

Sachverhalt

Der Kläger ist Arbeitnehmer und Winzer (bewirtschaftete Weinbaufläche zum 1. Januar 1983: 17.715 qm). Er ist Eigentümer eines Hausgrundstückes. Das Haus enthält zwei Wohneinheiten. Im Erdgeschoß wohnt seit 1979 die Mutter des Klägers, im Obergeschoß seit 1982 der Kläger. Die Baugenehmigung war im Jahre 1977 erteilt worden. Bei einer Ortsbesichtigung am 23. Juni 1982 stellte das Finanzamt (FA) fest, daß in der vom Kläger genutzten Obergeschoßwohnung das Bad und das Wohnzimmer (37 qm) noch nicht ausgebaut waren. Der Kläger war auch nicht um die alsbaldige Fertigstellung dieser Räume bemüht, weil er die Arbeiten selbst und ohne Kreditaufnahme durchführen wollte. Das Wohnzimmer ist dann im Frühsommer 1984 fertig geworden; das Bad war im Januar 1985 noch nicht benutzbar. Der Kläger wäscht sich am Waschbecken in seinem WC oder im Erdgeschoß im Bad der Wohnung seiner Mutter. Zum 1. Januar 1983 waren von der Obergeschoßwohnung Küche, Schlafzimmer, Flur, WC mit Waschgelegenheit und die Terrasse fertiggestellt. Die entsprechende Wohnfläche betrug 57 qm. Die Räume waren im ersten Halbjahr 1982 bezugsfertig geworden.

Das FA führte auf den 1. Januar 1983 für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Klägers eine Wertfortschreibung durch. Unter Einbeziehung der vom Kläger bewohnten Räume der Obergeschoßwohnung mit einem Wohnungswert von 13.918 DM stellte es den Einheitswert nunmehr auf 22.500 DM fest (Bescheid vom 9. September 1983).

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheides. Er ist der Ansicht, seine Wohnung befinde sich noch im Zustand der Bebauung und müsse deshalb nach § 91 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bei der Einheitsbewertung des Betriebs außer Betracht bleiben.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Unter rechtsanaloger Anwendung der §§ 72 und 74 BewG müsse beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen der Wohnteil außer Betracht bleiben, soweit er noch nicht in dem geplanten Umfang fertiggestellt worden ist, es sei denn, der Wohnteil werde in Bauabschnitten errichtet. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 327 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung der §§ 47, 91 und 74 BewG.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.

Nach § 33 Abs. 1 BewG gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, wobei der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bildet. Zu den Wirtschaftsgütern, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, gehören nach § 33 Abs. 2 BewG u.a. die Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Die wirtschaftliche Einheit "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" umfaßt neben dem Wirtschaftsteil den Wohnteil (§ 34 Abs. 1 BewG). Der Wohnteil des Betriebes umfaßt nach § 34 Abs. 3 BewG die Gebäude und Gebäudeteile, soweit sie dem Inhaber des Betriebes, den zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen und den Altenteilern zu Wohnzwecken dienen. Zur Ermittlung des Wohnungswerts, der zusammen mit dem Wirtschaftswert den Einheitswert des Betriebs bildet (§ 48 BewG), schreibt § 47 BewG vor, daß der Wert für den Wohnteil nach den Vorschriften zu ermitteln ist, die beim Grundvermögen für die Bewertung der Mietwohngrundstücke im Ertragswertverfahren gelten und verweist dazu auf die §§ 71, 78 bis 82 und 91 BewG. Nach § 91 Abs. 1 BewG bleiben bei Grundstücken, die sich am Feststellungszeitpunkt im Zustand der Bebauung befinden, die nicht bezugsfertigen Gebäude oder Gebäudeteile bei der Wertermittlung außer Betracht.

Entgegen der Auffassung des FG ist eine auch nur rechtsanaloge Anwendung der §§ 72 und 74 BewG in bezug auf den Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ausgeschlossen. Die genannten Vorschriften sind in Zusammenhang mit § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a BewG zu sehen, wonach in dem Feststellungsbescheid (§ 19 Abs. 1 BewG i.V.m. § 180 der Abgabenordnung - AO 1977 -) auch Feststellungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, und zwar bei Grundstücken (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 BewG) über die Grundstücksart (§§ 72, 74 und 75 BewG) zu treffen sind. In dieser Zusammenschau betreffen die §§ 72 und 74 BewG lediglich die für das Grundvermögen (§ 18 Nr. 2 BewG) relevante Abgrenzung der Grundstücksarten bebaute und unbebaute Grundstücke, wobei § 74 BewG wiederum in engstem Zusammenhang mit den Grundstücksarten, die für bebaute Grundstücke nach § 75 BewG in Betracht kommen, zu sehen ist. Nur in diesem Zusammenhang kann wegen des Vorbehalts in § 75 Abs. 1 und 3 BewG der Begriff der bezugsfertigen Wohnung von Bedeutung sein.

Im Gegensatz zu den für die einzelnen Grundstücksarten der bebauten Grundstücke insoweit maßgebenden Betrachtung, ist es für die Bewertungsfähigkeit des Wohnteils eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ohne Bedeutung, ob die zum Wohnteil gehörenden Räume eine Wohnung i.S. der für § 75 Abs. 5 und 6 BewG maßgebenden Begriffsbestimmung bilden. Entscheidend ist vielmehr nur, ob Gebäude oder auch bloße Teile eines Gebäudes dem Inhaber des Betriebs usw. zu Wohnzwecken dienen. Auf das Ausmaß der vorhandenen sanitären Einrichtungen kann es dabei nicht ankommen. Dieser Umstand ist auch bei der Frage nach der Erfassung des Wohnteiles nach Maßgabe von § 47 Satz 1, § 91 Abs. 1 BewG zu berücksichtigen. Denn auch die letztgenannte Vorschrift ist in erster Linie auf die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (sowie auf die Betriebsgrundstücke) zugeschnitten. Dementsprechend hat das FA zutreffend diejenigen dem Kläger zu Wohnzwecken dienenden (und dazu objektiv geeigneten) Räume (Gebäudeteile) erfaßt und die nichtbezugsfertigen Räume (Gebäudeteile) bei der Ermittlung des Wohnungswerts außer Betracht gelassen.

Der Senat hat im Hinblick auf seinen Beschluß vom 11. Juni 1986 II B 49/83 (BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782) die Frage einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes geprüft. Eine Vorlage kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes 1965 i.V.m. § 27 BewG 1965 im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist. Sind die genannten Vorschriften verfassungsmäßig, so ist die Klage abzuweisen. Nichts anderes gilt, wenn die Vorschriften verfassungswidrig sind. Denn bei einer aus Verfassungsgründen erforderlichen Neuregelung der Materie kann sich für den Kläger nur ein höherer Einheitswert ergeben. Eine Verböserung aber wäre dem erkennenden Senat aus prozeßrechtlichen Gründen verwehrt (vgl. hierzu das Urteil des BVerfG vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81, 20/82, BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, jeweils unter B.III.1.). Deshalb kann auch nicht angenommen werden, daß durch eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG dem Kläger die Chance offengehalten werden könnte, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen (vgl. hierzu das zitierte Urteil unter B.II.2.).