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BFH-Urteil vom 20.5.1988 (III R 86/83) BStBl. 1988 II S. 739

Anders als bei der Betriebsaufspaltung ist bei durch Organschaft verbundenen Unternehmen eine Ausnahme von der Bindungsvoraussetzung des begünstigten Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors nicht möglich.

BHG/BerlinFG § 19 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

In den Streitjahren 1969, 1970, 1971 und 1973 errichtete die A-GmbH in Berlin (West) Lagerhallen mit Nebengebäuden. Dafür wandte sie (auf die Streitjahre verteilt) Herstellungskosten von insgesamt 844.605,90 DM auf. Die A-GmbH nutzte die Gebäude jedoch nicht für eigene gewerbliche Zwecke, sondern verpachtete sie an ihre Schwestergesellschaft, die B-GmbH, die in den Gebäuden einen Fabrikationsbetrieb unterhielt. Die beiden Gesellschaften waren in den Streitjahren ihrerseits Tochtergesellschaften der C, Stockholm.

In Unkenntnis der Verpachtung gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) der A-GmbH zunächst für die Streitjahre 1969 und 1970 die Berlinzulage von 10 v.H. nach § 19 Abs. 2 letzter Satz i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a des Berlinhilfegesetzes (BHG)/Berlinförderungsgesetz (BerlinFG) in der jeweils für die Streitjahre geltenden Fassung. Als das FA später von der Verpachtung erfuhr, forderte es für die Jahre 1969 und 1970 die gewährten Zulagen wieder zurück und versagte sie für die Jahre 1971 und 1973.

Die A-GmbH wurde im Jahre 1980 auf die B-GmbH umgewandelt. Diese ist im vorliegenden Rechtsstreit als Rechtsnachfolgerin der A-GmbH die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin).

Das FA begründete seinen Standpunkt mit dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BHG/BerlinFG, wonach die Gewährung der Zulage voraussetzt, daß der Investor die von ihm errichteten Gebäude "im eigenen gewerblichen Betrieb" nutzen muß.

Mit der Klage wurde geltend gemacht: Die A-GmbH und die B-GmbH seien in den Streitjahren zwar rechtlich selbständige Unternehmen gewesen. Sie seien aber gleichzeitig als Organgesellschaften unselbständige Teile des Betriebes des Organträgers gewesen. Daraus folge, daß sie im Verhältnis zueinander keine fremden Betriebe dargestellt hätten. Die Zulage könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt versagt werden, daß die A-GmbH für die Zulage deshalb nicht antragsberechtigt gewesen sei, weil sie als Organgesellschaft nicht selbst Unternehmerin nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gewesen sei (so allerdings das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. April 1975 VIII R 239/71, BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518). Nach einem Erlaß des Senators für Finanzen in Berlin vom 19. März 1963 (Steuer- und Zollblatt Berlin - StZBl. Bln. - 1963, 410) seien im Falle der Organschaft sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft antrags- und zulageberechtigt. Das sei nach Treu und Glauben zu berücksichtigen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die A-GmbH habe nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BHG/BerlinFG in ihrem eigenen Betrieb erfüllt. Die Gebäude seien vielmehr erst im Betrieb der B-GmbH zweckentsprechend verwendet worden. Auch die Berücksichtigung des (behaupteten) Organschaftsverhältnisses führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn anders als im Umsatzsteuerrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und im Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) könnten körperschaftsteuerrechtlich Organträger und Organ nicht als Einheit angesehen werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 1978 IV R 24/73, BFHE 126, 102, BStBl II 1979, 18). Dasselbe gelte für Organgesellschaften untereinander. Das habe zur Folge, daß eine Organgesellschaft nur Anspruch auf die Investitionszulage habe, wenn sie selbst alle gesetzlichen Voraussetzungen in eigener Person erfülle. Die A-GmbH könne sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf den Verwaltungserlaß vom 19. März 1963 berufen. Denn dieser Erlaß gestehe der Organgesellschaft - entgegen der gesetzlichen Regelung - zwar ein eigenes Antragsrecht zu, befreie sie aber nicht von der Voraussetzung, daß sie die von ihr errichteten Gebäude im eigenen Betrieb nutze.

Mit der Revision wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie beruft sich einerseits dafür, daß investitionszulagenrechtlich Unternehmen innerhalb eines Organkreises nur einen einzigen Betrieb hätten, auf das Urteil in BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518 und andererseits dafür, daß trotz bestehender Organschaft auch die Organgesellschaft antrags- und zulageberechtigt bleibt, auf den Verwaltungserlaß vom 19. März 1963.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Klage die Rückforderungsbescheide 1969 und 1970 vom 19. April 1972 aufzuheben und unter Änderung der Investitionszulagebescheide 1971 vom 14. April 1974 und 1973 vom 7. Mai 1974 die Investitionszulage anderweitig für 1971 auf 4.856,33 DM und für 1973 auf 7.085,11 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Für die Streitjahre galt noch die Besonderheit, daß nach § 19 BHG/BerlinFG antrags- und zulageberechtigt der Unternehmer i.S. des § 2 UStG war. Die Regelung, wonach antrags- und zulageberechtigt der Steuerpflichtige i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist, wurde erst durch das Gesetz zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes und anderer Gesetze vom 19. Dezember 1975 (BStBl I 1976, 2) eingeführt. Das führte für die Zeit davor zu der Streitfrage, wer bei bestehender Organschaft antrags- und zulageberechtigt ist, wenn beispielsweise die Organgesellschaft die Investition durchführt. Mit dieser Frage beschäftigen sich der Verwaltungserlaß vom 19. März 1963 und das Urteil in BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518. Der Senat braucht auf diese Frage hier nicht einzugehen.

2. Für den Rechtsstreit ist allein die Frage entscheidend, ob die von der A-GmbH errichteten Gebäude als "in ihrem eigenen gewerblichen Betrieb" verblieben gelten können, obwohl sie die Gebäude nicht selbst gewerblich nutzte, sondern sie an ihre Schwestergesellschaft, die B-GmbH, verpachtet hatte, die allerdings ihrerseits die besonderen Verwendungszwecke in § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BHG/BerlinFG erfüllte. Mit dem Erfordernis der Nutzung "im eigenen gewerblichen Betrieb" enthält die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BHG/BerlinFG eine Tatbestandsvoraussetzung, die sie mit anderen zulagerechtlichen Bestimmungen gemeinsam hat. So ist beispielsweise die Regionalzulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 nur zu gewähren, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung "in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben" und Gebäude mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung vom "Steuerpflichtigen ausschließlich zu eigenen betrieblichen Zwecken verwendet werden". Ähnliche Regelungen gibt es für die Forschungszulage nach § 4 InvZulG und die Energiezulage (§ 4a InvZulG). Man spricht hier gemeinhin von einer Verbleibvoraussetzung oder einer Bindungsregelung. Dabei spielt es keine Rolle, daß im § 14 Abs. 2 Nr. 2 BHG/BerlinFG das Zeitmoment von drei Jahren fehlt. Denn die A-GmbH hatte die von ihr errichteten Gebäude bereits unmittelbar im Anschluß an ihre Errichtung an die B-GmbH überlassen. Stellt man auf den Gesetzeswortlaut ab, so könnten der A-GmbH die beantragten Zulagen nicht gewährt werden.

3. Allerdings werden von der Finanzverwaltung Ausnahmen von der Bindungsregelung zugelassen (vgl. die Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246, Tz. 101 und 104, und vom 10. Dezember 1985, BStBl I 1985, 683 - vgl. jetzt Tz. 44 und 45 des BMF-Schreibens vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51 -). Dazu gehören insbesondere die Fälle der Betriebsaufspaltung. In dem Urteil in BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518 hat der BFH außerdem die Zulageberechtigung in einem Fall innerhalb eines Organkreises anerkannt.

Auf diese Ausnahmen kann sich die Klägerin jedoch nicht berufen.

a) Die von der Finanzverwaltung zugelassenen Ausnahmen dürften sachgerecht sein (vgl. dazu bereits die Ausführungen in dem BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 218/79, BFHE 141, 395, BStBl II 1984, 734, die der Senat für zutreffend hält). Das gilt auch für die Fälle der Betriebsaufspaltung, und zwar in ihren verschiedenartigsten Formen. Ließe man hier die Gewährung der Zulage unter dem formalen Gesichtspunkt, daß Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen rechtlich selbständige Unternehmen sind, nicht zu, so wäre eine Zulage in den typischen Fällen der Betriebsaufspaltung gänzlich ausgeschlossen. Denn die Besitzgesellschaft investiert hier zwar, aber sie nutzt die von ihr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter nicht selbst im eigenen Betrieb, die Betriebsgesellschaft nutzt die Wirtschaftsgüter zwar, sie hat selbst aber nicht investiert. Dieses Ergebnis widerspräche der Rechtsnatur der Betriebsaufspaltung, die weit verbreitet und von der Rechtsprechung anerkannt ist. Ihr Sinn und Zweck besteht gerade darin, daß die Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebes bei ihr auf zwei Rechtsträger und damit zwei Betriebe aufgeteilt sind.

b) Die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung bestanden jedoch in den Streitjahren zwischen der A-GmbH und der B-GmbH nicht. Dazu wäre es notwendig gewesen, daß die A-GmbH selbst an der B-GmbH zu mehr als 50 v.H. beteiligt gewesen wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung genügt es in diesem Zusammenhang nicht, daß an den beiden Kapitalgesellschaften dieselben Gesellschafter oder dieselbe Gesellschaft (wie hier die C, Stockholm) beteiligt ist. Denn der Besitz-Kapitalgesellschaft können weder die von den Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundenen Beherrschungsfunktionen zugerechnet werden. Eine solche Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitz-Kapitalgesellschaft stehenden Personen (vgl. dazu neuerdings das BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117, unter Bestätigung des früheren BFH-Urteils vom 1. August 1979 I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77).

c) Die Finanzverwaltung läßt eine Ausnahme von der Bindungsregelung bei der Organschaft nicht zu (vgl. das BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1986, a.a.O., Tz. 6). Der Senat hält dies für sachgerecht. Dabei müssen die Grundsätze über die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zur Anwendung kommen (so auch Urteil in BFHE 126, 102, BStBl II 1979, 18). Soweit der BFH in seinem Urteil in BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518 auf die gewerbesteuerrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Organschaft abgestellt hat, folgt ihm der Senat nicht. Da die Zuständigkeit für die Investitionszulagen inzwischen auf den erkennenden Senat übergegangen ist, ist er auch an das Urteil in BFHE 115, 401, BStBl II 1975, 518 nicht gebunden. Im Gegensatz zur gewerbesteuerrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ist im Körperschaftsteuerrecht das Organ nicht Betriebstätte des Organträgers und Organ und Organträger bilden nicht einen einheitlichen Betrieb, sondern beide stellen rechtlich zwei selbständige Unternehmen mit gesonderter Gewinnermittlung dar (Urteil in BFHE 126, 102, BStBl II 1979, 18). Das bedeutet, daß die Organschaft als Ausnahmefall von der persönlichen Bindungsvoraussetzung nur anerkannt werden könnte, wenn bei ihr ähnliche Gesichtspunkte wie beispielsweise bei der Betriebsaufspaltung vorlägen (dies bejahend Bordewin in Betriebs-Berater 1985, 1844). Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar besteht zwischen Betriebsaufspaltung und Organschaft insofern eine Vergleichbarkeit, als beiden das subjektive Beherrschungselement und eine Einflußmöglichkeit gemeinsam ist (der einheitliche geschäftliche Betätigungswille bei der Betriebsaufspaltung und die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers). Das reicht nach Auffassung des Senats allein jedoch nicht aus. Der Senat hält es für bedeutsam, daß innerhalb eines Organkreises die Investitionen so gesteuert werden können, daß der Anspruch auf die Investitionszulage realisiert werden kann. Gerade daran fehlt es bei der Betriebsaufspaltung, weshalb bei ihr der Senat eine Ausnahme für sachgerecht hält.

Bei dieser Rechtslage konnte die Frage offenbleiben, ob die hier bestehende gesellschaftliche Verbindung investitionszulagerechtlich überhaupt als Organschaft hätte anerkannt werden können. Daran könnten Zweifel dann bestehen, wenn, worauf nach den Feststellungen des FG zu schließen ist, die Muttergesellschaft Geschäftsleitung und Sitz im Ausland hatte (vgl. § 7a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 KStG 1968 i.d.F. ab 13. Oktober 1969, § 14 Nr. 3, § 17 KStG 1977).

d) Der Senat hat in seinem eine Vollziehungsaussetzung nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) betreffenden Beschluß vom 24. April 1986 III B 55/85 (BFHE 146, 329, BStBl II 1986, 573) angedeutet, daß es für die Zulassung einer Ausnahme von der persönlichen Bindungsvoraussetzung möglicherweise genüge, wenn der Investor trotz formaler Änderung des Rechtsträgers (z.B. bei der Umwandlung, Einbringung oder Veräußerung eines Betriebs) weiterhin auf den Einsatz des begünstigten Wirtschaftsguts Einfluß nehmen könne. Es war daran gedacht, diese Einflußmöglichkeit als ein übergeordnetes Prinzip anzusehen, das allen möglichen Ausnahmen von der persönlichen Bindungsvoraussetzung zugrunde liegen könnte. Der Senat hält an diesem Gedanken nicht fest. Er sieht in einer solchen weiterbestehenden Einflußnahme kein Prinzip, das berechenbare und sachgerechte Ergebnisse gewährleisten könnte.