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BFH-Urteil vom 21.4.1988 (V R 135/83) BStBl. 1988 II S. 746

1. Der BFH folgt auch für das UStG 1967 der im Urteil vom 3. November 1983 V R 4/73 (BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) zum UStG 1951 vertretenen Auffassung, daß sich der Gegenstand des Entnahmeeigenverbrauchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1967) nicht danach richtet, was der Unternehmer in der Regel im Rahmen seines Unternehmens herstellt, sondern danach, was im konkreten Fall Gegenstand der Wertabgabe des Unternehmens ist.

2. Voraussetzung des Eigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG 1967 ist die Zugehörigkeit der entnommenen oder verwendeten Gegenstände zum Unternehmen; diese richtet sich regelmäßig nach der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers.

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1984, 93)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist gelernter Maurer. In den Jahren ... hat er mehrere unbebaute Grundstücke erworben, mit schlüsselfertigen Häusern bebaut und anschließend steuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a, Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967) - Zum Teil nach vorhergehender Vermietung - veräußert. Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß der Kläger außerdem auf einem zu seinem privaten Vermögen gehörenden Grundstück ein Einfamilienhaus mit Schwimmbad für eigene Wohnzwecke errichtet hatte; es ist am ... 1973 bezugsfertig gewesen. Der Prüfer nahm hinsichtlich des Einfamilienhauses im Kalenderjahr 1973 steuerpflichtigen Eigenverbrauch an. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1967 stellte der Prüfer folgende - vom Finanzgericht (FG) übernommene - Berechnung auf:

Teilwert:

Gebäudewert - entsprechend den Baupreisen für die übrigen Gebäude -

1.500 qm X 200 DM                                                                      300.000 DM

./. enthaltene Umsatzsteuer                                                        ./. 29.730 DM

                                                                                                  ------------------

                                                                                                  270.270 DM

./. Fremdleistungen - netto 89.598 DM                                         ./. 89.598 DM

(brutto 99.454 DM)

                                                                                                  ------------------

Eigenleistung (Material - Lohn)                                                      180.672 DM

./. kalkulatorischer Rohgewinn

- 10 - 15 v.H. -                                                                            ./. 27.100 DM

                                                                                                  ------------------

                                                                                                  153.572 DM

Bemessungsgrundlage - abgerundet -                                            150.000 DM

- davon Material 50.000 DM -

Umsatzsteuer 11 v.H.                                                                     16.500 DM

Vorsteuerbeträge:                                                                      ==========

  

Vorsteuer auf Material 50.000 DM X 11 v.H.                                        5.500 DM

Umsatzsteuerschuld 1973                                                              11.000 DM

                                                                                                ==========

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Prüfer und setzte mit Bescheid vom 22. Februar 1979 die Umsatzsteuer für 1973 auf 11.000 DM fest.

Die Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, daß die von ihm persönlich erbrachten Leistungen mit dem vom FA errechneten Wert von 100.000 DM nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, so daß die Umsatzsteuer auf 0 DM herabzusetzen sei, hatte keinen Erfolg. Das FG führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 93 veröffentlichten Urteil u.a. aus, daß das FA zu Recht als Gegenstand des Eigenverbrauchs das schlüsselfertige Gebäude angesehen habe. Der Eigenverbrauchstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1967 sei als fingierter Lieferungstatbestand gestaltet ("Lieferung von Gegenständen durch den Unternehmer an sich selbst als Privatmann"). Der Sinn und Zweck der Vorschrift bestehe darin, den Selbstversorger mit den übrigen Verbrauchern gleichzustellen. Errichte ein Bauunternehmer, der üblicherweise - wie im vorliegenden Fall - schlüsselfertige Häuser erstelle, auf seinem Privatgrundstück ein Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke, so liege hinsichtlich des fertigen Gebäudes Eigenverbrauch vor, weil auch die Errichtung eines entsprechenden Bauwerks auf dem Grund und Boden eines fremden Auftraggebers steuerpflichtige Werklieferung wäre. Bewertungsgegenstand sei danach das fertige Werk. Sowohl Teilwert wie auch gemeiner Wert dieses Gegenstandes schließe die persönliche Arbeitsleistung des Unternehmers ein.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V. m. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1967.

Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1973 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1967 verstößt. Zu Unrecht hat das FG seiner Entscheidung ohne Prüfung der tatsächlichen Entnahmevorgänge das schlüsselfertige Einfamilienhaus als den Gegenstand des Entnahmeeigenverbrauchs mit der Begründung zugrunde gelegt, daß der Kläger in seinem Unternehmen üblicherweise schlüsselfertige Häuser errichtet habe. Dies beruht auf der insbesondere in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. November 1963 V 2/61 U (BFHE 78, 142, BStBl II 1964, 55) vertretenen Auffassung, daß für die Bestimmung des Umfangs des Eigenverbrauchs und der Lieferungen und sonstigen Leistungen die gleichen Grundsätze zu gelten hätten. Da ein Unternehmer an dritte Personen nur Lieferungen erbringen könne, die im Rahmen seines Betriebes bewirkt werden können, könne auch der Gegenstand des Eigenverbrauchs nur das umfassen, was im Gewerbe des Unternehmers an Lieferungen und sonstigen Leistungen möglich sei. Als Gegenstand des Eigenverbrauchs komme nur in Betracht, was der Unternehmer üblicherweise auch an Dritte liefere (ebenso BFH-Urteil vom 9. März 1972 V R 142/68, BFHE 105, 193, BStBl II 1972, 511). Auf diese Entscheidungen hat sich das FG berufen.

Der BFH hat diese Ansicht in dem nach der Vorentscheidung ergangenen Urteil vom 3. November 1983 V R 4/73 (BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) aufgegeben. Nach den Ausführungen in diesem Urteil, denen der erkennende Senat auch für das UStG 1967 folgt, ist der Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1967 (entsprechendes gilt für Buchst. b) ein tatsächlicher Vorgang, bei dem der Unternehmer einen zuvor dem unternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstand endgültig aus diesem Bereich herausnimmt; es handelt sich um eine tatsächliche (vom Willen des Unternehmers gesteuerte) Wertabgabe des Unternehmens. Der Gegenstand des Eigenverbrauchs richtet sich dementsprechend nicht danach, was der Unternehmer in der Regel im Rahmen seines Unternehmens herstellt; entscheidend ist allein, was im konkreten Fall Gegenstand der Wertabgabe ist.

2. Die Feststellungen des FG lassen nicht erkennen, was der Kläger im Streitjahr tatsächlich aus seinem Unternehmen für nichtunternehmerische (private) Zwecke entnommen hat; dies wird das FG zu ermitteln haben. Insbesondere ergibt sich aus der Vorentscheidung nicht, daß Gegenstand des Eigenverbrauchs das schlüsselfertige Einfamilienhaus gewesen sei. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger das Einfamilienhaus insgesamt mit betrieblichen Mitteln und mit Hilfe seiner betrieblichen Organisation als einheitlichen Gegenstand errichtet und zu unternehmensfremden (privaten) Zwecken entnommen hat. Ergeben die tatsächlichen Feststellungen nicht, daß der Kläger das schlüsselfertige Einfamilienhaus entnommen hat, so kommen als Eigenverbrauch lediglich die Entnahme von (einzelnen) Gegenständen (z.B. von Baustoffen) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1967 oder die Verwendung von Gegenständen (z.B. von Baumaschinen) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 - nicht aber (nach dem UStG 1967) die Entnahme sonstiger Leistungen - als Eigenverbrauch in Betracht. Voraussetzung ist in beiden Fällen, daß die entnommenen oder verwendeten Gegenstände vorher dem Unternehmen des Klägers zugeordnet waren; dies richtet sich regelmäßig nach der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350; vom 21. Mai 1987 V R 109/77, BFHE 150, 368, BStBl II 1987, 735; vom 25. Juni 1987 V R 121/86, BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150, sowie vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Das FG wird deshalb anhand der tatsächlichen Umstände (z.B. Vorsteuerabzug, Rechnungstellung, Umstände der Lieferung und Lagerung) insbesondere zu prüfen haben, ob der Kläger die bei dem Bau des Einfamilienhauses eingesetzten Gegenstände für sein Unternehmen oder für seinen nichtunternehmerischen (privaten) Bereich bezogen hatte. Offen ist auch, in welchem Veranlagungszeitraum der Eigenverbrauch ggfs. angefallen ist (§ 16 Abs. 1 UStG 1967).

3. Da der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG 1967) des Klägers in dem dem Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahr nach den bisherigen Feststellungen des FG 60.000 DM nicht überstiegen hat, sind auf die Umsätze des Klägers zu Unrecht die allgemeinen Vorschriften des UStG 1967 angewendet worden; die Steuer beträgt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 lediglich 4 v.H. der unter Beachtung des § 19 Abs. 2 UStG 1967 anzusetzenden Bemessungsgrundlage. Vorsteuerabzug käme nicht in Betracht. Sollte eine dem erkennenden Senat nicht ersichtliche Erklärung des Klägers nach § 19 Abs. 4 UStG 1967 vorliegen oder sollte der Kläger eine solche Erklärung noch abgeben, so wäre hinsichtlich des dann möglichen Vorsteuerabzugs zu beachten, daß der Kläger wegen des für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Abschnittsprinzips nur die Vorsteuern im Streitjahr absetzen könnte, für welche die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 in diesem Jahr vorgelegen haben (BFH-Urteile vom 25. November 1976 V R 98/71, BFHE 121, 550, BStBl II 1977, 448, und vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521 und 1. a der Entscheidungsgründe).