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BFH-Urteil vom 28.4.1988 (V R 95, 96/83) BStBl. 1988 II S. 748

1. Die Vergütung der Vorsteuerbeträge in dem besonderen Verfahren nach §§ 59 bis 61 UStDV setzt voraus, daß das Abzugsverfahren gemäß § 51 Abs. 1, § 54 UStDV durch Einbehaltung der Steuer und Abführung an das FA abgeschlossen ist oder daß feststeht, daß die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 UStDV vorliegen, unter denen der Leistungsempfänger von der Verpflichtung befreit ist, die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten und an das FA abzuführen (sog. Nullregelung).

2. Das Bundesamt für Finanzen ist berechtigt, Ermittlungen darüber anzustellen, ob das Abzugsverfahren von den Leistungsempfängern durchgeführt worden ist oder ob die Voraussetzungen der sog. Nullregelung vorgelegen haben; verneinendenfalls kann es den Vergütungsantrag ablehnen. Das Bundesamt für Finanzen braucht nicht abzuwarten, bis das zuständige FA entschieden hat, ob die Besteuerung des Leistenden nach den §§ 16 bis 18 UStG 1980 durchzuführen ist.

3. Der die Vergütung der Vorsteuerbeträge begehrende Unternehmer (Leistender) ist im Rahmen der gesetzlichen Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 AO 1977) verpflichtet, dem Bundesamt für Finanzen die Leistungsempfänger zu benennen.

UStG 1980 § 18 Abs. 9; UStDV §§ 51, 52, 54, 57, 59 bis 61, 62; AO 1977 § 6 Abs. 2, §§ 88, 90 Abs. 1; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 8.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein nicht im Erhebungsgebiet ansässiger Unternehmer. Gegenstand ihrer Tätigkeit ist die Unternehmensberatung. Ihre Kunden in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) sind nach den Angaben der Klägerin kleinere und mittlere Firmen, die alle zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Für ihre Beratungsleistungen berechnete die Klägerin den Leistungsempfängern keine Umsatzsteuer.

Mit Anträgen vom 29. Januar 1981 und 19. Mai 1981 beantragte die Klägerin bei dem Bundesamt für Finanzen, dem Beklagten und Revisionskläger (Beklagter), die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in Höhe von ... DM für den Vergütungszeitraum Juli bis Dezember 1980 und in Höhe von ... DM für den Vergütungszeitraum Januar bis März 1981. Mit weiteren Anträgen vom 10. August und 7. Oktober 1982 machte sie Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM für den Vergütungszeitraum Januar bis März 1982 und in Höhe von ... DM für den Vergütungszeitraum März bis Juni 1982 geltend.

Die Anträge enthielten die Erklärung, die Klägerin habe in den Vergütungszeiträumen im Erhebungsgebiet nur Umsätze ausgeführt, die dem Abzugsverfahren (§§ 51 bis 56 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV -) oder der Einzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -) unterlegen haben. Den Anträgen waren Einzelaufstellungen der Vorsteuerbeträge sowie die entsprechenden Rechnungen beigefügt.

Der Beklagte lehnte die Anträge durch Verfügungen vom 19. und 26. Januar, sowie vom 9. und 18. November 1982 ab, weil die Klägerin der Aufforderung nicht nachgekommen war, eine Zusammenstellung der Leistungsempfänger im Erhebungsgebiet vorzulegen, damit die ordnungsgemäße Durchführung des Abzugsverfahrens nachprüfbar sei und somit der Nachweis geführt werden könne, daß die Durchführung des besonderen Vergütungsverfahrens zu Recht erfolge. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Auf die Klagen hob das Finanzgericht (FG) die Ablehnungsbescheide vom 19. und 26. Januar 1982 und vom 9. und 18. November 1982 sowie die dazugehörenden Einspruchsentscheidungen auf. Die Ablehnung der von der Klägerin gestellten Vergütungsanträge durch den Beklagten, so führt das FG aus, sei rechtswidrig, da nicht feststehe, daß die Vergütung in dem besonderen Verfahren nach den §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen sei (§ 59 UStDV), und die Klägerin insoweit ihre Mitwirkungspflichten (§§ 90, 93 der Reichsabgabenordnung - AO -) nicht verletzt habe.

Es sei nicht zweifelhaft, so begründet das FG seine Entscheidung, daß die Klägerin in den Vergütungszeiträumen nur Umsätze ausgeführt habe, deren Besteuerung gemäß § 51 UStDV im Abzugsverfahren zu erfolgen habe. Es stehe aber nicht fest, ob und inwieweit das Abzugsverfahren auch tatsächlich durchgeführt worden sei (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 UStDV). Zwar sei die Voraussetzung des § 59 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, daß die dort bezeichneten Umsätze dem Abzugsverfahren "unterlegen haben" nur dann erfüllt, wenn die für das Abzugsverfahren geltenden Vorschriften im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsantrag eingehalten worden seien. Hierfür sei aber, entgegen der Auffassung des Beklagten, nicht in jedem Fall erforderlich, daß das Abzugsverfahren zu diesem Zeitpunkt vollständig abgeschlossen sei, denn dies hänge entscheidend davon ab, ob der Leistungsempfänger die Gegenleistung bereits erbracht habe (§ 51 Abs. 1 UStDV). Erforderlich aber auch ausreichend sei, daß im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsantrag bezüglich der im Vergütungszeitraum ausgeführten und dem Abzugsverfahren unterliegenden Umsätze sämtliche für das Abzugsverfahren bis zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Vorschriften eingehalten worden seien. Ob dies für den Streitfall zu bejahen sei, stehe nach den bisherigen Ermittlungen des Beklagten im Vorverfahren nicht fest. Darüber hinaus stehe auch nicht fest, ob die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 2 UStDV von der Vergütung in dem besonderen Verfahren nach den §§ 60 und 61 UStDV ausgeschlossen seien. Es sei bisher nicht geklärt, ob die Vorsteuerbeträge den unter das Abzugsverfahren fallenden Umsätzen zuzurechnen seien, ob diese Umsätze im Vergütungszeitraum oder außerhalb des Vergütungszeitraums ausgeführt worden seien oder ob diese Umsätze, denen die Vorsteuerbeträge zuzurechnen seien, gemäß § 57 Abs. 2 UStDV nach den §§ 16 und 18 UStG 1980 zu besteuern seien (§ 59 Abs. 2 Nr. 2 UStDV). Unter diesen Umständen sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, die Durchführung des besonderen Verfahrens nach den §§ 60 und 61 UStDV unter Hinweis auf § 59 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 UStDV abzulehnen.

Es habe auch keine Verpflichtung der Klägerin bestanden, dem Beklagten im Verfahren nach den §§ 60 und 61 UStDV eine Zusammenstellung sämtlicher Leistungsempfänger in der Bundesrepublik und in Berlin (West) vorzulegen. Im Streitfall lägen Anhaltspunkte dafür vor, daß die Leistungsempfänger die sich aus den §§ 51 ff. UStDV ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllt hätten, so daß für die im Streit befangenen Vergütungszeiträume das Besteuerungsverfahren nach den §§ 16 und 18 UStG durchzuführen sei und demzufolge die Vergütung der Vorsteuerbeträge nicht in dem besonderen Verfahren nach §§ 60 und 61 UStDV erfolgen könne.

Unter diesen Umständen wäre der Beklagte zwar berechtigt gewesen, die Entscheidung über die Vergütungsanträge zurückzustellen, bis das zuständige Finanzamt - FA - (§ 21 AO, § 57 UStDV) über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 UStDV entschieden hätte. Dagegen sei der Beklagte nicht befugt gewesen, die Klägerin zur Vorlage einer Zusammenstellung aller Leistungsempfänger aufzufordern und die Vergütungsanträge wegen Verweigerung der angeforderten Zusammenstellung abzulehnen.

Soweit die Anforderung der Zusammenstellung den Zweck verfolgt habe, die ordnungsmäßige Besteuerung der Umsätze der Klägerin nachzuprüfen und ggf. für die Zukunft sicherzustellen, sei die Klägerin dem Beklagten gegenüber nicht zu der erbetenen Auskunft verpflichtet gewesen, da die Besteuerung der Umsätze der nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer und die Vornahme entsprechender Sachverhaltsermittlungen zur ausschließlichen Zuständigkeit des für den Unternehmer zuständigen FA (§§ 21 AO, 57 UStDV) und der für die Leistungsempfänger zuständigen FÄ (§ 57 Abs. 1 UStDV) gehöre.

Auch soweit die Zulässigkeit des besonderen Verfahrens nach den §§ 60 und 61 UStDV gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 UStDV i.V. m. § 57 Abs. 2 UStDV davon abhänge, daß für die Vergütungszeiträume nicht das Besteuerungsverfahren nach den §§ 16 und 18 UStG durchzuführen sei, dürfe der Beklagte hierzu keine Feststellungen treffen, er sei vielmehr an die Entscheidung des zuständigen FA gebunden. Bestehe, wie im Streitfall, für den Beklagten Grund zu der Annahme, daß für den Vergütungszeitraum das normale Besteuerungsverfahren nach den §§ 16 und 18 UStG 1980 durchzuführen sei, dann habe er wegen der Bedeutung für die Zulässigkeit des besonderen Verfahrens nach den §§ 60 und 61 UStDV die Entscheidung des zuständigen FA einzuholen und die Entscheidung über den Vergütungsantrag bis dahin zurückzustellen. Ggf. habe er zunächst das für die Besteuerung örtlich zuständige FA zu bestimmen (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 1. Halbsatz des Finanzverwaltungsgesetzes - FVG -), was auch ohne Kenntnis der Leistungsempfänger möglich sei. Demgemäß seien die Vergütungsbescheide des Beklagten aufzuheben. Die Nichteinholung der Entscheidung des zuständigen FA über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens nach den §§ 16 und 18 UStG 1980 stelle einen schweren Verfahrensmangel dar.

Mit den gegen die Entscheidungen des FG eingelegten Revisionen rügt der Beklagte Verletzung der § 5 Abs. 1 Nr. 7, § 8 FVG i.V. m. § 59 UStDV, § 21 AO.

Zu Unrecht bestreite das FG dem Beklagten das Recht zu eigenen Ermittlungen darüber, ob bei den an sich abzugspflichtigen Umsätzen das Abzugsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt sei. Unzutreffend sei die Auffassung der Vorinstanz, dies ergebe sich daraus, daß die Besteuerung der Umsätze der nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer und die Vornahme entsprechender Sachverhaltsermittlungen zur ausschließlichen Zuständigkeit des für den Unternehmer zuständigen FA und der für die Leistungsempfänger zuständigen FÄ gehöre. Auch für die vom FG behauptete Bindung des Beklagten an die Entscheidung des FA, ein Besteuerungsverfahren nach den §§ 16, 18 UStG 1980 nicht durchzuführen, sei keine Grundlage ersichtlich.

Das für die Besteuerung des Leistungsempfängers zuständige FA treffe über die Ordnungsmäßigkeit des Abzugsverfahrens überhaupt keine das Vergütungsverfahren tangierende Entscheidung, denn die mögliche Haftung des Leistungsempfängers gemäß § 54 UStDV wegen nicht ordnungsgemäß abgeführter Steuern setze die das Vergütungsverfahren ausschließende, hier allein interessierende Tatsache der nicht ordnungsgemäßen Einbehaltung der Umsatzsteuer voraus. Die Entscheidung des zuständigen FA, den nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer gemäß § 57 Abs. 1 UStDV zur Abgabe von Steueranmeldungen aufzufordern, führe nicht zu einer Rückgängigmachung einer einmal durch den Beklagten festgesetzten Vergütung. Aus § 57 Abs. 3 Nr. 2 UStDV ergebe sich im Gegenteil, daß die Vergütung bei der Berechnung der Steuer als Kürzungsbetrag der Vorsteuer zu berücksichtigen sei. Das Veranlagungsverfahren schlage demnach nicht auf das einmal stattgefundene Vergütungsverfahren durch, sondern umgekehrt werde die Vergütung im Veranlagungsverfahren berücksichtigt.

Darüber hinaus zeichne sich die Auffassung des FG durch einen ganz evidenten Mangel an Verfahrensökonomie aus. Im Ergebnis schlage das FG nämlich vor, daß der Beklagte seine Zuständigkeit für eine Steuerfestsetzung von der Entscheidung einer anderen, von ihm zu bestimmenden Behörde abhängig machen soll. Außerdem sei auch noch darauf hinzuweisen, daß der Vorschlag des FG überhaupt nicht zu realisieren sei. Wenn durch den Beklagten ein FA für den nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer (zwecks Ermittlungen über die Einhaltung des Abzugsverfahrens bei den für den Leistungsempfänger zuständigen FÄ) bestimmt werden soll, dann müsse ihm gemäß § 21 AO der Schwerpunkt der Umsätze bekannt sein. Dazu reiche aber nicht die bloße Benennung irgendeines FA durch den Steuerpflichtigen. Es müßten von ihm vielmehr seine Leistungsempfänger und der Umfang der einzelnen Umsätze benannt werden, damit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 FVG das zuständige FA bestimmt werden könne. Wenn aber der Steuerpflichtige seine Leistungsempfänger nicht benenne, könne keine Zuständigkeit bestimmt werden und nicht das vom FG für möglich gehaltene Verfahren durchgeführt werden.

Der von dem FG vielleicht auch befürchtete negative oder positive Kompetenzkonflikt könne nicht eintreten. Ein positiver Kompetenzkonflikt werde gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 2 UStDV dahingehend gelöst, daß vergütete Vorsteuerbeträge auf die Vorsteuern angerechnet werden bzw. eine Vergütung von Gesetzes wegen gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 2 UStDV ausgeschlossen sei. Ein negativer Kompetenzkonflikt werden von dem Steuerpflichtigen entschieden, wenn er entweder auf Vergütung oder Durchführung eines Veranlagungsverfahrensklage.

Der Beklagte beantragt, die Urteile des FG Köln aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat die Revisionen zur einheitlichen Entscheidung verbunden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Abweisung der Klagen.

Die angefochtenen Urteile beruhen auf unrichtiger Rechtsanwendung; zu Unrecht hat das FG angenommen, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Vergütung der Vorsteuerbeträge abzulehnen.

1. Vorsteuerbeträge, die gemäß § 15 UStG 1980 vom Unternehmer als Leistungsempfänger abgezogen werden können, werden nach § 16 Abs. 2 UStG 1980 im Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1980) berücksichtigt. Abweichend hiervon erfolgt die Vergütung abziehbarer Vorsteuerbeträge an nicht im Erhebungsgebiet ansässige Unternehmer (§ 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV), die entweder keine Umsätze oder nur die in § 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStDV bezeichneten Umsätze im Erhebungsgebiet ausgeführt haben, nur in den besonderen Verfahren nach § 18 Abs. 9 UStG 1980 i.V. m. §§ 59 bis 61 UStDV. Treffen die genannten Voraussetzungen nicht zu, haben auch die nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer die Vorsteuerbeträge im Rahmen der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften (§ 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1980) geltend zu machen.

2. Nach dem der Entscheidung des FG zugrunde liegenden Sachverhalt hängt die Vergütung der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge unter anderem auch davon ab, ob die von ihr im Erhebungsgebiet ausgeführten Umsätze dem Abzugsverfahren nach §§ 51 bis 56 UStDV unterlegen haben (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 UStDV). Voraussetzung für die Anwendung des Vergütungsverfahrens ist daher insbesondere, daß der Leistungsempfänger entsprechend § 51 Abs. 1 UStDV die Steuer von der Gegenleistung einbehalten und an das für ihn zuständige FA abgeführt hat, daß also das Abzugsverfahren tatsächlich durchgeführt worden ist; dem ist gleichzustellen, daß der Leistungsempfänger nach der Regelung des § 52 Abs. 2 UStDV (sog. Nullregelung) von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Steuer entbunden ist.

Die Auffassung des FG, es sei nicht in jedem Fall erforderlich, daß das Abzugsverfahren hinsichtlich der Umsätze des § 59 Abs. 1 Nr. 2 UStDV im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsantrag vollständig abgeschlossen ist, steht in klarem Widerspruch zum Wortlaut des § 59 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, denn die Verwendung des Perfekts ("die dem Abzugsverfahren ... unterlegen haben") bringt zum Ausdruck, daß die Vergütung der Vorsteuerbeträge in dem besonderen Verfahren nach §§ 59 ff. UStDV voraussetzt, daß das Abzugsverfahren durch Einbehaltung der Steuer und Abführung an das FA (§ 51 Abs. 1, § 54 UStDV) abgeschlossen ist oder daß feststeht, daß die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 UStDV vorliegen.

Dieses Verständnis entspricht auch dem Verhältnis von Abzugs- und Vergütungsverfahren einerseits und Besteuerungsverfahren nach den §§ 16 bis 18 UStG 1980 andererseits. Das Abzugsverfahren (§§ 51 ff. UStDV) ist eine besondere Art des Besteuerungsverfahrens, das, vorbehaltlich des § 52 Abs. 2 UStDV, durch die Verpflichtung des im Erhebungsgebiet ansässigen Leistungsempfängers gekennzeichnet ist, die Steuer, obwohl er nicht Steuerschuldner ist, zu berechnen, anzumelden und an den Steuergläubiger abzuführen (§§ 51, 53, 54 UStDV). Etwa angefallene abziehbare Vorsteuerbeträge werden dem nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer in den besonderen Verfahren nach §§ 59 ff. UStDV erstattet. Ist das Abzugsverfahren entgegen den für dieses Verfahren geltenden Vorschriften nicht durchgeführt worden und trifft auch § 52 Abs. 2 UStDV nicht zu, so ist die Besteuerung der unter das Abzugsverfahren gemäß § 51 UStDV fallenden Umsätze nach den §§ 16, 18 UStG 1980 durchzuführen (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 UStDV); für diesen Fall wird die Vergütung der entsprechenden Vorsteuerbeträge in dem besonderen Verfahren durch § 59 Abs. 2 Nr. 2 UStDV ausgeschlossen. Eine Vergütung von Vorsteuerbeträgen, die den unter das Abzugsverfahren fallenden Umsätzen zuzurechnen sind, ist in dem besonderen Verfahren ohne Abschluß des Abzugsverfahrens nicht vorgesehen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 57 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative und § 57 Abs. 2 Nr. 2 UStDV. § 57 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative UStDV setzt die Durchführung des Abzugsverfahrens voraus, denn sie trifft nur zu, wenn das Abzugsverfahren zu einer unzutreffenden Steuer geführt hat (siehe hierzu Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 18 Bem. 147). § 57 Abs. 2 Nr. 2 UStDV greift ein, wenn der nicht im Erhebungsgebiet ansässige Unternehmer auch steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat, die dem Abzugsverfahren nicht unterliegen. Hierzu gehören vor allem die Fälle, in denen der Unternehmer außer den Umsätzen, für die das Abzugsverfahren durchgeführt worden ist noch andere als die in § 51 Abs. 1 UStDV genannten steuerpflichtigen Umsätze im Erhebungsgebiet ausgeführt hat. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Unternehmer außerhalb eines Vergütungszeitraums, der mindestens drei Monate, höchstens ein Kalenderjahr umfassen kann (§ 60 UStDV), steuerpflichtige Umsätze ausführt. Für beide Fallgruppen sieht § 62 Abs. 1 UStDV zur Vermeidung von Doppelvergütungen vor, daß bei der Besteuerung nach §§ 16, 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1980 die Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen sind, die bereits nach § 59 Abs. 1 UStDV vergütet worden sind.

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen ermöglichen eine abschließende rechtliche Beurteilung dahin, daß die Klagen abzuweisen sind.

a) Der Beklagte ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 FVG die für die Entscheidung über den Vergütungsanspruch zuständige Behörde; er ist Finanzbehörde im Sinne der AO (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 AO). Dementsprechend hat der Beklagte die für diese Entscheidung erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen (§ 88 AO). Hierzu gehören auch die Feststellungen darüber, ob das Abzugsverfahren von den Leistungsempfängern durchgeführt worden ist oder ob die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 UStDV (der sog. Nullregelung) erfüllt sind. Abgesehen von dem abweichenden Ausgangspunkt zur Frage der Durchführung des Abzugsverfahrens hat das FG auch verkannt, daß § 57 Abs. 2 UStDV nicht zu entnehmen ist, daß die Entscheidung über die Durchführung des Vergütungsverfahrens vom Beklagten solange zurückzustellen sei, bis das FA über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 UStDV entschieden habe. Wie der Senat oben zu 2. ausgeführt hat, hängt das Vergütungsverfahren im Zusammenhang mit Umsätzen i. S. des § 51 Abs. 1 UStDV davon ab, ob die Leistungsempfänger die Steuer von der Gegenleistung gemäß § 51 Abs. 1, § 54 UStDV einbehalten und an das zuständige FA abgeführt haben oder gemäß § 52 Abs. 2 UStDV von dieser Verpflichtung befreit sind (vgl. auch § 57 Abs. 2 Satz 2 UStDV). Ist gleichwohl eine Besteuerung des nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers durchzuführen, so wird dabei das Ergebnis des Vergütungsverfahrens berücksichtigt (§ 62 Abs. 1 UStDV); hierauf hat der Beklagte zu Recht mit der Revision hingewiesen. Die Durchführung des Vergütungsverfahrens ist aber nicht abhängig von einer Entscheidung des FA, ein Besteuerungsverfahren nicht durchzuführen. Dem Beklagten ist es auch nicht verwehrt zu ermitteln, ob den Vorschriften über das Abzugsverfahren von den Leistungsempfängern entsprochen worden ist, weil die Besteuerung der Leistungsempfänger zur ausschließlichen Zuständigkeit der jeweils zuständigen FÄ gehöre, denn die Ermittlungen des Beklagten bereiten nicht die Besteuerung der Leistungsempfänger vor, sondern die des Leistenden.

b) Der Beklagte hat die Vergütungsanträge der Klägerin auch zu Recht abgelehnt. Infolge der Weigerung der Klägerin, dem Beklagten die im Erhebungsgebiet ansässigen Leistungsempfänger zu benennen, ist u.a. ungeklärt geblieben, ob die Umsätze der Klägerin dem Abzugsverfahren unterlegen haben, d.h. ob die Leistungsempfänger der Verpflichtung aus § 51 Abs. 1 UStDV nachkommen mußten (§ 52 Abs. 2 UStDV) und ihr nachgekommen sind. Dieser Mangel der Sachverhaltsfeststellungen ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren bestehen geblieben; er gereicht der Klägerin zum Nachteil. Zu Recht hat der Beklagte in seinen Einspruchsentscheidungen ausgeführt, daß Feststellungen über die Durchführung des Abzugsverfahrens nur unter Mitwirkung der Klägerin getroffen werden können (§ 90 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO), denn ohne Angabe der Leistungsempfänger der Klägerin können diese nicht ermittelt werden. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin nicht nur nicht bei der Ermittlung der Leistungsempfänger mitgewirkt, sondern deutlich gemacht, daß sie Angaben über die Personen der Leistungsempfänger nicht machen werde; sie hat damit - entgegen der Auffassung des FG - ihre Mitwirkungspflicht gröblich verletzt. Der Einwand der Klägerin, sie wolle aus Gründen der Fairneß und der Diskretion gegenüber ihren Leistungsempfängern, die vom Beklagten erbetene Zusammenstellung nicht vorlegen, liegt offensichtlich neben der Sache. Abgesehen davon, daß das FG unter diesen Umständen nicht verpflichtet war, von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen, hat die Klägerin auch keine Sachverhaltsrügen erhoben.