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BFH-Urteil vom 8.6.1988 (II R 219/84) BStBl. 1988 II S. 760

1. Zurechnungsfortschreibungen müssen notwendig dem bisherigen Zurechnungsträger sowie dem nunmehrigen Zurechnungsträger gegenüber einheitlich erfolgen.

2. Gleichermaßen ist über das Begehren, eine Zurechnungsfortschreibung vorzunehmen, auch dann dem bisherigen Zurechnungsträger und dem Zurechnungsprätendenten gegenüber einheitlich zu entscheiden, wenn ein dahingehender Antrag abgelehnt wird.

BewG § 19 Abs. 3 Nr. 2, § 22 Abs. 2; AO 1977 § 179 Abs. 2 Satz 2, § 182 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Am 1. Januar 1979 waren die Kläger (Eheleute) je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks R in H, das sie im Jahre 1956 mit einem Zweifamilienhaus bebaut hatten. Zum Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) war das Grundstück den Klägern je zur Hälfte zugerechnet worden. Durch im Jahre 1978 abgeschlossene Baumaßnahmen ist das Wohnhaus zu einem Einfamilienhaus umgebaut worden.

In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1979 bezeichnete sich der Sohn der Kläger, M S, als wirtschaftlicher Eigentümer ab 1. Januar 1978. Er begehrte Bekanntgabe des Einheitswertbescheids an sich. Die Erklärung ist sowohl von den Klägern als auch von deren Sohn unterschrieben worden.

Am 29. Mai 1979 erließ das Finanzamt (FA) einen Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1979. In diesem Bescheid wird die für den Hauptfeststellungszeitpunkt getroffene Zurechnung wiederholend wiedergegeben. In einer Anlage zu diesem Bescheid heißt es: "Wirtschaftliches Eigentum kann nicht anerkannt werden, weil die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht erfüllt sind." Den Bescheid übersandte das FA dem Kläger (Ehemann) mit dem Zusatz: "Der Bescheid ergeht an Sie mit Wirkung für und gegen alle Miteigentümer." Eine Bekanntgabe an den Sohn der Kläger ist nicht erfolgt.

Mit dem von beiden Klägern gegen den Bescheid erhobenen Einspruch haben die Kläger erfolglos begehrt, zum 1. Januar 1978 eine Zurechnungsfortschreibung auf ihren Sohn durchzuführen. Den Sohn der Kläger hat das FA nicht zum Einspruchsverfahren hinzugezogen.

Mit der Klage beantragen die Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 29. Mai 1979 sowie der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1980. Der Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil das Grundstück ab dem 1. Januar 1978 ihrem Sohn zuzurechnen sei. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Den Sohn der Kläger hat es nicht beigeladen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen fehlerhafte Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und das Unterlassen der Beiladung ihres Sohnes zum Verfahren.

Das FA ist der Revision entgegengetreten und hat insbesondere ausgeführt, im Hinblick auf die Verneinung wirtschaftlichen Eigentums des Sohnes habe es dessen Beiladung nicht bedurft.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

Abweichend von § 157 Abs. 2 AO 1977 werden die Einheitswerte als Besteuerungsgrundlage gesondert festgestellt (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977). In dem Feststellungsbescheid sind nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) auch Feststellungen über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit zu treffen. Während eines Hauptfeststellungszeitraums ist über die Zurechnung des Gegenstandes eine neue Feststellung zu treffen (Zurechnungsfortschreibung), wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist (§ 22 Abs. 2 BewG).

Nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 sind gesonderte Feststellungen gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorzunehmen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist). Da eine Zurechnungsfortschreibung gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindend Feststellung in zwei Richtungen trifft, nämlich einmal positiv, daß die wirtschaftliche Einheit nunmehr dem neuen Eigentümer, und negativ, daß sie nicht mehr früheren Eigentümern zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 II R 230/82, BFHE 144, 463, BStBl II 1986, 41), muß sie notwendig dem bisherigen Zurechnungsträger sowie dem nunmehrigen Zurechnungsträger gegenüber einheitlich erfolgen (vgl. auch schon Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. April 1956 III 41/56 S, BFHE 63, 21, BStBl III 1956, 203).

Daraus folgt, daß über das Begehren, eine Zurechnungsfortschreibung vorzunehmen, auch dann gegenüber dem bisherigen Zurechnungsträger und dem Zurechnungsprätendenten einheitlich zu entscheiden ist, wenn ein dahingehender Antrag abgelehnt wird. Denn auch in diesem Fall richtet sich der Verwaltungsakt gegen mehrere Beteiligte.

Die Sache ist spruchreif.