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BFH-Urteil vom 15.6.1988 (II R 224/84) BStBl. 1988 II S. 761

Eine Schachtelvergünstigung ist einer inländischen Kapitalgesellschaft dann nicht zu gewähren, wenn sie an einer anderen Kapitalgesellschaft lediglich über eine Personengesellschaft wesentlich beteiligt ist, die Gesellschafterin der anderen Kapitalgesellschaft ist.

RBewG 1934 § 60 (= BewG 1965 § 102).

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, war an einer Kommanditgesellschaft (KG) als Kommanditistin zu annähernd 63 v.H. beteiligt. Die KG wiederum war an verschiedenen Kapitalgesellschaften beteiligt. Zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens ist streitig, ob die Klägerin insoweit Anspruch auf die Schachtelvergünstigung gemäß § 60 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG 1934) bzw. § 102 des Bewertungsgesetzes (BewG 1965) hat, als sie über die KG an diesen Kapitalgesellschaften beteiligt war.

Das beklagte Finanzamt (FA) hat die Gewährung der Schachtelvergünstigung abgelehnt und zusammengefaßte Bescheide über die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens und die Festsetzung der Vermögensteuer für die Stichtage vom 1. Januar 1960 bis einschließlich des 1. Januar 1971 erlassen.

Nach erfolglosen Einsprüchen hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Schachtelvergünstigung wegen der über die KG gehaltenen Beteiligungen zu gewähren und die Einheitswerte des Betriebsvermögens und die Vermögensteuer entsprechend herabzusetzen. Unter anderem seien der Einheitswert auf den 1. Januar 1960 um 1.682.000 DM und die Vermögensteuer 1960 um 16.820 DM zu ermäßigen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihre Klageanträge weiterverfolgt.

Während des Revisionsverfahrens hat die Klägerin beim FA unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 24. April 1985 II R 231/84 (BFHE 143, 375, BStBl II 1985, 361) beantragt, über den bisherigen Abzug hinaus an den einzelnen Stichtagen die volle Körperschaftsteuer abzuziehen, wie sie sich jeweils ohne Berücksichtigung der späteren Gewinnausschüttungen ergeben hätte. Das FA ist diesem Antrag gefolgt und hat 1986 entsprechende auf § 172 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Änderungsbescheide erlassen. Unter anderem ermäßigte es den Einheitswert auf den 1. Januar 1960 um 970.000 DM und die Vermögensteuer 1960 um 9.700 DM.

Abgesehen von den Stichtagen des 1. Januar 1960, des 1. Januar 1967 und des 1. Januar 1968 überstieg das Ausmaß der jeweiligen Ermäßigung der Einheitswerte bzw. der Vermögensteuer die bisher wegen der Schachtelvergünstigung gestellten Anträge. Die Klägerin hat beantragt, die Änderungsbescheide 1986 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Verfahren einzubeziehen.

Das FA hat die Auffassung vertreten, daß sich die Hauptsache für alle Stichtage mit Ausnahme der drei Stichtage des 1. Januar 1960, des 1. Januar 1967 und des 1. Januar 1968 in vollem Umfang erledigt habe. Wegen der verbliebenen drei Stichtage sei eine Erledigung zu einem großen Teil eingetreten. Die Klägerin hat dem widersprochen und beantragt, den vollen Abzug der begehrten Schachtelvergünstigung nunmehr von den Werten vorzunehmen, die sich aus den Änderungsbescheiden von 1986 ergeben.

In der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 1988 hat die Klägerin die Abtrennung von Teilen des Revisionsverfahrens insoweit beantragt, als das Revisionsverfahren die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens für die Stichtage vom 1. Januar 1961 bis zum 1. Januar 1971 und die Vermögensteuer 1961 bis 1971 betrifft. Der erkennende Senat hat die Abtrennung beschlossen, so daß im vorliegenden Verfahren nur noch über die Anträge der Klägerin wegen des Einheitswertes auf den 1. Januar 1960 und die Vermögensteuer 1960 zu entscheiden ist.

Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ihren Revisionsantrag eingeschränkt. Sie hat beantragt, den Einheitswert um 712.000 DM und die Vermögensteuer um 7.120 DM zu ermäßigen.

Entscheidungsgründe

1. Die eingeschränkten Revisionsanträge sind zulässig. Sie gehen über die vor Erlaß der Änderungsbescheide gestellten Anträge nicht hinaus.

Nach der Einschränkung der Revisionsanträge bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die Klägerin berechtigt gewesen wäre, nach Erlaß der Änderungsbescheide von 1986 während des Revisionsverfahrens die weitere Ermäßigung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1960 um 1.682.000 DM und der Vermögensteuer 1960 um 16.820 DM zu beantragen (vgl. auch Vorlage vom 22. September 1987 IX R 101/82, BFHE 152, 304, BStBl II 1988, 541 an den Großen Senat des Bundesfinanzhofs - BFH -).

Die Einschränkung der Revisionsanträge der Klägerin bedeutet zugleich, daß das angefochtene Urteil des FG nur noch im Ausmaß der eingeschränkten Anträge zu überprüfen ist. Das angefochtene Urteil ist im Ausmaß der Ermäßigung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1960 und der Vermögensteuer 1960 durch die Änderungsbescheide von 1986 infolge Teilerledigung des Rechtsstreits wirkungslos geworden.

2. Die eingeschränkten Anträge sind unbegründet. Die geltend gemachte Schachtelvergünstigung steht der Klägerin deshalb nicht zu, weil sie an den Kapitalgesellschaften, an denen die KG unmittelbar beteiligt war, nur mittelbar beteiligt ist. Eine derartige mittelbare Beteiligung aber reicht nach § 60 RBewG 1934 für die Gewährung der Schachtelvergünstigung nicht aus. Es ist auch nicht möglich, die Vorschrift im Auslegungswege auf mittelbare Beteiligungen auszudehnen. Denn der Vergleich der früheren Vorschriften (§ 27 RBewG 1925 und § 46 RBewG 1931) mit § 60 RBewG 1934 ergibt eindeutig, daß die Vorschrift nur noch bei dem Vorliegen unmittelbarer Beteiligungen angewendet werden sollte.

Im Gesetz ist nicht definiert worden, unter welchen Voraussetzungen eine unmittelbare Beteiligung vorliegt; auch aus der Regierungsbegründung (vgl. RStBl 1935, 161) ergibt sich hierzu nichts. Damit ist es Sache der Gesetzesauslegung durch die Gerichte, die Abgrenzung der mittelbaren zu den unmittelbaren Beteiligungen vorzunehmen. Der Senat schließt sich dem Urteil des I. Senats vom 4. April 1974 I R 73/72 (BFHE 112, 351, BStBl II 1974, 645) an, wonach eine über eine Personengesellschaft gehaltene Beteiligung nur eine mittelbare Beteiligung ist (vgl. auch das Urteil des III. Senats vom 4. April 1974 III R 168/72, BFHE 112, 401, BStBl II 1974, 598). Dies ergeben die folgenden Überlegungen:

Durch das Wort "unmittelbar" wird nach Auffassung des Senats zum Ausdruck gebracht, daß für die Schachtelvergünstigung eine direkte Beteiligung der Kapitalgesellschaft ohne Zwischenschaltung anderer erforderlich ist. Eine unmittelbare Beteiligung liegt danach immer dann vor, wenn die Beteiligung der Kapitalgesellschaft, die die Schachtelvergünstigung begehrt, rechtlich zusteht, wenn diese Gesellschafterin der Kapitalgesellschaft ist.

Eine unmittelbare Beteiligung liegt dann nicht vor, wenn die Gesellschaftsanteile nicht der Kapitalgesellschaft gehören, die die Schachtelvergünstigung geltend machen will, sondern einer anderen Kapitalgesellschaft, mag jene an dieser auch zu 100 v.H. beteiligt sein. Die Anteile gehören insoweit vielmehr zum Vermögen der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft. Deren Vermögen ist mit dem Vermögen der Kapitalgesellschaft, die die Schachtelvergünstigung geltend machen will, nicht identisch.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, wie im vorliegenden Fall. Auch hier ist zwischen dem Vermögen der Kapitaluntergesellschaft und dem Vermögen der Klägerin ein Sondervermögen, nämlich das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als gemeinschaftliches Vermögen ihrer Gesellschafter (vgl. § 105 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - i.V.m. § 718 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) zwischengeschaltet. Die Beteiligungen an den Kapitaluntergesellschaften gehören nur zu diesem Sondervermögen und nicht zum ungebundenen Vermögen der Gesellschafter der KG. Die vermögensmäßige Lage ist insoweit keine andere als bei der Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft. Auch bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft tritt eine strenge Trennung des Vermögens der Gesellschaft und des Vermögens ihrer Gesellschafter ein. In beiden Fällen (sowohl bei der Kapitalgesellschaft als auch bei der Personengesellschaft) bedarf die Übertragung von Gegenständen aus dem einen Vermögen in das andere Vermögen der Beachtung der für die Übertragung von Gegenständen an Dritte geltenden Regeln (Einigung und Übergabe, Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, Abtretung).

Da im Streitfall die Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften ausschließlich zum Gesellschaftsvermögen der KG gehören, können sie der Klägerin nicht unmittelbar gehören. Denn sie sind nicht Teil ihres vom Gesellschaftsvermögen der KG getrennten Vermögens.

Nichts anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats daraus, daß das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft nicht dieser Gesellschaft, sondern ihren Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zuzurechnen ist; dabei kann offenbleiben, ob sich daraus eine Art Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft ergibt. Denn die in § 718 Abs. 1 BGB enthaltene Bezeichnung des Gesellschaftsvermögens als gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter ändert nichts daran, daß das Gesellschaftsvermögen im Verhältnis zu übrigen Vermögen der einzelnen Gesellschafter verselbständigt ist. Jeder einzelne Gegenstand steht allen Gesellschaftern nur gemeinschaftlich und unteilbar zu (§ 719 Abs. 1 BGB). Dem einzelnen Gesellschafter ist kein abgrenzbarer konkreter Teil der einzelnen Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zugeordnet. Sonst würde eine Bruchteilsgemeinschaft und keine Gesamthandsgemeinschaft bestehen.

Die Unteilbarkeit der Zuordnung der einzelnen Gegenstände auf die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit macht das Wesen der Gesamthand aus, wie dies in § 719 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt (vgl. hierzu ausführlich Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 119 f.). Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag der Senat aus dem Urteil des Reichsgerichts (RG) vom 23. Februar 1907 I 404/06 (RGZ 65, 227) nichts anderes zu entnehmen. Wenn dort ausgeführt wird, daß dem einzelnen Gesellschafter einer Personengesellschaft ein Anteil an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens zusteht, so hat das RG doch anerkannt, daß der in § 719 Abs. 1 BGB enthaltene Ausschluß der Teilung der einzelnen Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zum Wesen der gesamthänderischen Berechtigung gehört. Es spricht deshalb auch nur von dem Anteil an den einzelnen Gegenständen als unmittelbarer Mitberechtigung an diesen Gegenständen, wobei die Teilung nicht nur kraft § 719 Abs. 1 BGB, sondern aus dem Wesen der Gesamthand heraus ausgeschlossen sei.

Die unmittelbare Mitberechtigung zur gesamten Hand an den einzelnen Gegenständen des Sondervermögens ist nach allem etwas anderes als die unmittelbare Alleinberechtigung an abtrennbaren Teilen dieser Gegenstände, die durch § 719 Abs. 1 BGB und durch das Wesen der Gesamthand ausgeschlossen ist. Das bedeutet, daß an den zum Gesellschaftsvermögen der KG gehörenden Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unmittelbar nur die Gesellschafter der KG in gesamthänderischer Verbundenheit beteiligt sind, aber nicht der einzelne Gesellschafter. Die Klägerin als Einzelperson ist nur mittelbar beteiligt über ihre Beteiligung an der KG. Denn ihr steht kein abtrennbarer Teil an den Beteiligungen im Gesellschaftsvermögen der KG unmittelbar zu.

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 11 Nr. 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), der für die Zurechnung bei der Besteuerung (soweit nicht anderes bestimmt ist) vorschreibt, daß Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, so zugerechnet werden, als bestände eine Beteiligung nach Bruchteilen. Diese Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn Wirtschaftsgüter nach den steuerrechtlichen Vorschriften den einzelnen Gesamthändern zuzurechnen sind. Diese Zurechnung aber ist ohne Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob jemand unmittelbar oder nur mittelbar an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Hier kommt es allein darauf an, wie die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft im Rahmen des § 60 RBewG 1934 zu beurteilen ist.

Der Senat verkennt nicht, daß der erkennbare Zweck des § 60 RBewG 1934, die Mehrfachbesteuerung des Vermögens von Kapitalgesellschaften zu mildern, die dadurch eintritt, daß auch die Anteile an den Gesellschaften bei den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaften der Vermögensteuer unterliegen, im vorliegenden Falle nicht erreicht wird. Dies ist jedoch allein die Folge davon, daß der Gesetzgeber die Milderung der Mehrfachbesteuerung nur für Fälle unmittelbarer Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vorgesehen hat. Er hat dadurch bewußt in Kauf genommen, daß bei nur mittelbarer Beteiligung die Mehrfachbesteuerung nicht gemildert wird. Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen die Mehrfachbesteuerung deshalb voll eingreift, weil die Beteiligung im Einzelfall nicht ein Viertel des Grund- oder Stammkapitals erreicht. Der Senat ist nicht der Auffassung, daß auf diese Weise vom Gesetzgeber Gleiches ungleich geregelt worden ist. Unmittelbare und mittelbare Beteiligungen sind nicht in dem Sinne gleich, daß nur eine übereinstimmende Regelung mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu vereinbaren wäre.

Bedenkt man die Schwierigkeiten, die sich bei der Erfassung mittelbarer Beteiligungen ergeben können, so ist anzuerkennen, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner gesetzgeberischen Freiheit blieb, als er für die Schachtelvergünstigung allein auf das Vorliegen einer unmittelbaren Beteiligung abstellte.

Darüber, ob es rechtspolitisch wünschenswert ist, bei der Zwischenschaltung von Personengesellschaften zu einer anderen Lösung zu gelangen, hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO.

Was die Kosten des Revisionsverfahrens angeht, so ist zu beachten, daß die Klägerin mit ihren ursprünglichen Anträgen (Ermäßigung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1960 um 1.682.000 DM und der Vermögensteuer 1960 um 16.820 DM) im Ausmaß von 970.000 DM (Ermäßigung des Einheitswertes) bzw. 9.700 DM (Ermäßigung der Vermögensteuer) infolge des Ergehens der Änderungsbescheide 1986 durchgedrungen ist (wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen) und daß sie mit den Anträgen, die sie nach Erlaß der Änderungsbescheide 1986 gestellt hat, voll unterlegen ist. Der Senat hat es in diesem Zusammenhang für angebracht gehalten, die Kostenentscheidung nach Zeitabschnitten zu treffen. Er verweist hierzu auf sein Urteil vom 6. Juni 1984 II R 184/81 (BFHE 141, 333, 338, BStBl II 1985, 261).

Was die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens angeht, so sieht der Senat davon ab, die Kostenentscheidung des FG bereits jetzt wegen des teilweisen Obsiegens der Klägerin durch den Erlaß der Änderungsbescheide 1986 zu ändern. Er hält es für zweckmäßig, daß die erforderlichen Änderungen der Kostenentscheidung des FG erst im Rahmen der Entscheidung über die abgetrennten Teile des Revisionsverfahrens erfolgen sollte.