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BFH-Urteil vom 20.4.1988 (X R 40/81) BStBl. 1988 II S. 804

1. Für die Änderungsbefugnis nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) kommt es grundsätzlich auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Personen an (Anschluß an bisherige BFH-Rechtsprechung).

2. Wer sich als "Mitarbeiter" vertraglich in der Weise an einen Unternehmer bindet, daß er später von einem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannten Dritten zur Erledigung von zunächst ebenfalls noch nicht bestimmten Arbeiten eingesetzt werden kann, stellt in der Regel seine Arbeitskraft für eine Arbeitnehmerüberlassung i. S. des AÜG zur Verfügung. Er erbringt keine Leistung, die den Unternehmer (Verleiher) zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973) berechtigt.

AO § 222 Abs. 1 Nr. 1 (AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1); UStG 1967/1973 § 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2 Satz 1; AÜG.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloß in den Streitjahren mit verschiedenen Industrieunternehmen Verträge über den Einsatz von Konstrukteuren, technischen Zeichnern und sonstigem technischen Personal (Mitarbeitern). Zustande gekommen waren diese Verträge durchweg auf entsprechende Angebote des Klägers. Die Mitarbeiter waren - hauptsächlich in den Konstruktionsabteilungen der genannten Industrieunternehmen, gelegentlich auch in den Büros des Klägers - mit der konstruktiven oder zeichnerischen Lösung bestimmter Detailaufgaben beschäftigt. Die nach den geleisteten Arbeitsstunden berechnete Vergütung erhielten die Mitarbeiter vom Kläger, der seinen Vertragspartnern seinerseits nach Zeitaufwand bemessene Entgelte in Rechnung stellte ...

Bei den Mitarbeitern handelte es sich überwiegend um Ausländer, die sich nur für begrenzte Zeit im Inland aufhielten.

Die vertragliche Grundlage für die Zusammenarbeit bildeten jeweils ein "Rahmenvertrag" und ein "Werkvertrag".

Der Rahmenvertrag regelte die allgemeinen Bedingungen, zu denen der Mitarbeiter ("Auftragnehmer") für den Kläger ("Auftraggeber") tätig werden sollte.

Der anschließend abgeschlossene "Werkvertrag" lautete im wesentlichen wie folgt:

"... (Der) Rahmenvertrag ist Bestandteil des vorliegenden Werkvertrages.

Der Auftragnehmer erbringt folgende Werkleistungen:

Übernahme von Konstruktions- und Zeichenarbeiten.

Der Werklohn beträgt gemäß ... (Rahmenvertrag) DM ... pro Stunde einschließlich 11 % MWSt ...

Die Abrechnung erfolgt monatlich am Ende eines Monats ...

Die Leistung des Auftragnehmers ist ab ... bis auf weiteres zu erbringen.

Während der Laufzeit dieses Vertrages und drei Monate danach ist dem Auftragnehmer untersagt, mit den Auftraggebern ... im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verhandeln, von diesen Aufträge entgegenzunehmen oder sie selbst durch Mittelspersonen auszuführen ..."

Nach Abschluß oder bei Übersendung beider Verträge teilte der Kläger dem Mitarbeiter jeweils schriftlich mit, bei welchem Industrieunternehmen er wann eingesetzt werden sollte, und verband dies mit der Anweisung, sich zur festgesetzten Uhrzeit bei einem namentlich benannten Vertreter dieser Firma zu melden. Außerdem erhielt jeder Mitarbeiter einen Vordruck des Klägers, in dem die monatlich geleisteten Arbeitsstunden festzuhalten waren. Dieser Vordruck war jeweils Mitte und Ende eines Monats auszufüllen, vom zuständigen Abteilungsleiter der Firma gegenzuzeichnen und über einen bei letzterer für den Kläger tätigen Verbindungsmann (teamleader) zum Zwecke der Abrechnung (sowohl mit der Firma als auch mit dem Mitarbeiter) an den Kläger weiterzuleiten ...

Für jeden Mitarbeiter wurde im Büro des Klägers ein Jahresübersichtsbogen geführt, der die täglich geleisteten Arbeitsstunden sowie die wegen Krankheit, Urlaubs und unentschuldigten Fernbleibens versäumten Arbeitstage auswies.

Die industriellen Auftraggeber des Klägers verstärkten mit dessen Mitarbeitern das technische Personal ihrer Entwicklungs- und Konstruktionsabteilungen, wenn bei der Entwicklung neuer Produkte die eigene Konstruktionskapazität vorübergehend nicht ausreichte. Für verschiedene Verwaltungstätigkeiten war ein "teamleader" als Verbindungsmann zwischen den Mitarbeitern des Klägers und dessen Büro tätig. Die Verantwortung des "teamleaders" erstreckte sich nach Darstellung des Klägers auch auf die fachliche Einweisung und auf die Abnahme der Arbeiten.

Die Tätigkeit der Mitarbeiter betraf durchweg termingebundene und an den Fortgang anderer Projekte gekoppelte Arbeiten, die in Arbeitsgruppen erledigt wurden. Diese Arbeitsgruppen bestanden - zumindest teilweise - aus Arbeitnehmern des industriellen Auftraggebers des Klägers, außerdem aus dessen Mitarbeitern, die auf Grund von Werkverträgen tätig waren, und schließlich aus Mitarbeitern, die dem Industrieunternehmen von anderen Firmen zur Verfügung gestellt worden waren. Geführt wurden die Arbeitsgruppen von einem Angestellten des industriellen Auftraggebers des Klägers als Gruppenleiter. Dieser wies dem einzelnen seine Detailaufgabe zu, erläuterte diese und überwachte die Einhaltung der Termine. An ihn war die Arbeit nach Prüfung durch eine Prüfergruppe des Industrieunternehmens und Gegenzeichnung durch einen Firmenangestellten abzuliefern. Der Mitarbeiter des Klägers hatte gleichzeitig seinen "teamleader" zu informieren ...

Wegen der Notwendigkeit der Zusammenarbeit und aus Gründen des Werkschutzes waren die Mitarbeiter des Klägers an die Arbeitszeiten des industriellen Auftraggebers gebunden.

Grundlage für die Abrechnung zwischen Mitarbeitern und Kläger bildeten Stundennachweise, die - jedenfalls teilweise - mit Hilfe von Stechuhrstempeln erbracht wurden. Zur Kontrolle führten der "teamleader" und ein Mitarbeiter des Industrieunternehmens außerdem Anwesenheitslisten. Auch diese dienten der Abrechnung, und zwar sowohl im Verhältnis Mitarbeiter/Kläger als auch im Verhältnis Kläger/Industrieunternehmen. Der Stundensatz ergab sich aus dem jeweiligen Werkvertrag, der für verschiedenartige Tätigkeiten unterschiedlich bemessen war.

Nach Feststellung ihrer im abgelaufenen Monat geleisteten Arbeitsstunden erteilten die Mitarbeiter dem Kläger folgende Abrechnung:

"... Für die Durchführung von Konstruktionsaufträgen gemäß dem mit Ihnen abgeschlossenen Vertrag stelle ich für den Monat ... 19 ... folgende Gebühren in Rechnung:

... Stunden a DM ... =    DM ...

... Stunden a DM ... =    DM ...

                                               --------

                                               DM ...

... % MWSt,     DM ...  

                                               --------

                                               DM ..."

Die Umsatzsteuer wiesen die Mitarbeiter zum überwiegenden Teil - wie vom Kläger gefordert - zunächst offen aus. Später gingen sie in zunehmendem Maße dazu über, sich mit der Angabe des Steuersatzes zu begnügen. Aus den Rechnungen mit offenem Steuerausweis (nur die sind hier streitig) ergeben sich für die Streitjahre folgende Gesamtbeträge:

                                            DM

  

1973                                 35.487,79       (davon auf Leistungen im Freihafen

                                                              entfallend: 7.153,21 DM)

1974                                 40.163,69    

1975                                 22.155,32

Bei einer (ausdrücklich auf steuerfreie Umsätze, nicht steuerbare Umsätze und auf den Vorsteuerabzug begrenzten) Umsatzsteuersonderprüfung stellte der Prüfer fest, daß die vom Kläger in den Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträge im wesentlichen aus Rechnungen der "Subkonstrukteure" herrührten. Der Prüfer war der Ansicht, daß der Vorsteuerabzug für die im Freihafen getätigten Umsätze (7.153,21 DM) zu versagen sei. Daraufhin setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Umsatzsteuer für 1973 schließlich entsprechend der Jahressteuererklärung fest. In diesem Bescheid, der bestandskräftig wurde, ließ das FA unberücksichtigt, daß in einem Bericht über eine Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 1975 die Ansicht vertreten worden war, daß zwischen dem Kläger und "den freien Konstrukteuren" ein Arbeitsverhältnis nicht bestehe. Dieser Bericht ist in den Arbeitgeberakten der Lohnsteuerstelle des FA abgeheftet. Hinweise dafür, daß die Veranlagungsteilbezirk davon Kenntnis erlangt haben, liegen nicht vor und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Aufgrund der vorläufigen Ermittlungsergebnisse einer im Mai 1976 begonnenen Steuerfahndungsprüfung stellte sich das FA auf den Standpunkt, die von den "Mitarbeitern" des Klägers in Rechnung gestellten Beträge seien nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 (UStG 1967/1973) abziehbar und erließ am 30. Juli 1976 unter Berufung auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO einen Änderungsbescheid. Darin erhöhte es die Umsatzsteuer von 1973 unter Berücksichtigung zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuern.

Ebenfalls am 30. Juli 1976 erließ das FA (nach § 100 Abs. 2 AO vorläufige) Erstbescheide für 1974 und 1975, in denen es Vorsteuern aus Rechnungen von Mitarbeitern unberücksichtigt ließ.

Im Verlauf des anschließenden (Sprung-)Klageverfahrens änderte das FA die beiden letztgenannten Bescheide gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgrund weiterer Ermittlungen der Steuerfahndung (Steufa). Die geänderten Bescheide wurden zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Seiner Ansicht nach hat das FG die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht mehrfach verletzt. In materiellrechtlicher Hinsicht rügt der Kläger zunächst, für das Jahr 1973, § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sei verletzt. Insoweit seien im Hinblick auf die Umsatzsteuersonderprüfung und auf die Lohnsteueraußenprüfung keine neuen Tatsachen gegeben. Hinsichtlich aller drei Streitjahre macht der Kläger ferner geltend, das FG habe den Unternehmerbegriff verkannt; zumindest hätte der Vorsteuerabzug nach Treu und Glauben oder aus sachlichen Billigkeitsgründen anerkannt werden müssen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1973 aufzuheben, sowie die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1974 und 1975 zu ändern und die Umsatzsteuer herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil läßt eine Rechtsverletzung nicht erkennen.

I. Die Verfahrensrügen sind teils unzulässig, teils unbegründet. - Von einer Begründung dieses Teils seiner Entscheidung hat der Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BFHEntlG - (BGBl I 1975, 1.861) i. d. F. des Gesetzes vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2.442) abgesehen.

II. Die materiell-rechtlichen Einwände des Klägers gegen das angefochtene Urteil greifen nicht durch. Zu Recht hat das FG die angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide als rechtmäßig angesehen.

1. Was das Streitjahr 1973 angeht, so war das FA zur Änderung der Steuerfestsetzung befugt.

a) Maßgebend sind insoweit noch die Vorschriften der AO, weil die Verwaltung die für ihren Bereich abschließende Entscheidung, das ist hier die (rechtzeitig und wirksam erklärte) Zustimmung des FA zur Sprungklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO, vor Inkrafttreten der AO 1977 - am 14. Oktober 1976 - getroffen hat (§ 415 Abs. 1 AO 1977, Art. 97 §§ 1 und 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396, BStBl II 1982, 682, 683 f., und Urteil des erkennenden Senats vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746, 747; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Tz. 6 vor § 172 AO 1977).

b) Die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheides für 1973 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO hat das FG zu Recht bejaht, weil durch die Ermittlungen der Steufa zu den Einzelheiten des Einsatzes der Mitarbeiter des Klägers bei den verschiedenen Auftraggebern neue Tatsachen und Beweismittel bekanntgeworden sind, die eine höhere Festsetzung der Umsatzsteuerschuld des Klägers für diesen Veranlagungszeitraum rechtfertigen.

aa) Diese Tatsachen sind nicht etwa deshalb als bei Erlaß des ursprünglichen Bescheids bekannt anzusehen, weil sie dem Prüfer im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung bzw. im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung bekannt waren oder weil sie diesem bei gehöriger Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätten bekannt sein müssen. Der erkennende Senat folgt der vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht, daß es für die Frage des Kennens oder Kennenmüssens in diesem Zusammenhang grundsätzlich auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle des FA, nicht aber auf diejenige des Prüfers ankommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548, 549; vom 9. November 1984 VI R 157/83, BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191, 192, und vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, 493).

Die für die Umsatzsteuerfestsetzung im Streitfall zuständige Dienststelle des FA hatte - wie das FG bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat - bei Erlaß des Bescheids vom 26. Mai 1976 nach den ihr zugänglichen Akten (BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, 493) Kenntnis nur vom Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung, der - entgegen der Revisionsbegründung - keine Einzelheiten zur vertraglichen Gestaltung des Arbeitseinsatzes oder gar zu dessen tatsächlicher Durchführung enthält. Auf mündliche Äußerungen kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672, 676). Der Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung andererseits war nur der Lohnsteuerstelle zugänglich gemacht worden, so daß insoweit für das FA eine Bindung auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgelöst werden konnte (Urteil in BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191, 192, und in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, 493 f.). Das gilt unabhängig davon, inwieweit einer solchen Bindung im Streitfall eine Verletzung der dem Kläger bei der Sachaufklärung obliegenden Mitwirkungspflichten entgegenstünde (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241, 242, und vom 11. November 1987 I R 108/85, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115).

bb) Die von der Steufa ermittelten Tatsachen und Beweismittel rechtfertigen auch eine höhere Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer (siehe dazu weiter unter Nr. 3).

2. Sonstige rechtliche Hindernisse standen einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für die drei Streitjahre ebenfalls nicht entgegen: Auf das im Schriftsatz vom 21. Januar 1982 erwähnte Verhalten der Finanzverwaltung in den auf die Streitjahre folgenden Jahren kommt es ebensowenig an wie auf die rechtliche Beurteilung durch andere Finanzämter. Von diesen gegenüber den Mitarbeitern erlassenen Steuerverwaltungsakten kommt für die hier allein in Frage stehende Regelung des Umsatzsteuerrechtsverhältnisses des Klägers keinerlei Bindungswirkung zu.

Sachliche Billigkeitsgründe sind in diesem Verfahren nicht zu prüfen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 163 AO 1977 Tz. 7a, m. w. N.).

3. Zu Recht hat das FG die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide auch der Sache nach nicht beanstandet. Das FA hat dem Kläger den begehrten Vorsteuerabzug für alle drei Streitjahre zutreffend versagt.

Der die Umsatzsteuerschuld mindernde Vorsteuerabzug gemäß §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973 setzt u.a. voraus, daß die zum Abzug geltend gemachten (Vor-)Steuern dem Steuerschuldner und von anderen Unternehmern im Rahmen eines Leistungsaustausches in Rechnung gestellt wurden. Auch die Partner eines solchen Leistungsaustausches müssen die Voraussetzungen des § 2 UStG 1967/1973 erfüllen, d.h. eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967/1973). Für die negative Abgrenzung gilt § 2 Abs. 2 UStG 1967/1973 mit der Folge, daß vom Vorsteuerabzug u.a. Beträge ausgeschlossen sind, die dem Steuerschuldner von natürlichen Personen in Rechnung gestellt wurden, die einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG zu Recht bejaht und seiner Beurteilung zutreffend die gleichen Kriterien zugrunde gelegt, die im Einkommensteuerrecht für die Abgrenzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (und im Gewerbesteuerrecht zur negativen Abgrenzung des Steuergegenstands) kennzeichnend sind (BFH-Urteile vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810, 812, und vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303, 304; Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., 1967/1987, § 2 Abs. 1 und Abs. 2, Tz. 357; Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., 1987, § 19 Anm. 4a - jeweils m. w. N.).

a) Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinne (zur Eigenständigkeit des Begriffs auf den verschiedenen Rechtsgebieten vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Dezember 1986 StbSt (R) 2/86 in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1987, 2.751) ist in Anlehnung an § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) die natürliche Person, die in einem Dienstverhältnis weisungsgebunden und/oder organisatorisch eingegliedert ihre Arbeitskraft schuldet und dabei vom Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt ist (Lang in Stolterfoth, Grundfragen des Lohnsteuerrechts, Jahrbuch der deutschen steuerjuristischen Gesellschaft, 1986 - JDStJG 1986 -, 15, 33; Schmidt/Drenseck, a.a.O.; speziell zum Fehlen des Unternehmerrisikos: BFH-Urteile vom 20. Januar 1972 IV R 1/69, BFHE 104, 169, BStBl II 1972, 214, 215; vom 14. Dezember 1978 I R 121/76, BFHE 126, 311, BStBl II 1979, 188, 189 f.; in BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303 f.; vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, 663).

b) Zu Recht hat das FG seine Entscheidung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse getroffen (BFH-Urteile vom 27. Februar 1975 V R 139/70, BFHE 114, 556, BStBl II 1975, 400, 401; vom 14. Oktober 1976 V R 137/73, BFHE 120, 301, BStBl II 1977, 50; BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303, 304; BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, 663; Lang, a.a.O., S. 22; Schmidt/Drenseck, a.a.O., Anm. 4e; Giesberts, a.a.O., Tz. 369 ff.) und dabei nicht auf die von den Parteien gewählten Bezeichnungen und Vertragsformen, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten abgestellt (§ 3 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, jetzt § 38 AO 1977; § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973; BFH-Urteile vom 29. September 1967 VI 158/65, BFHE 90, 289, BStBl II 1968, 84, 86, und in BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303, 304).

c) Nach diesen Grundsätzen ist das FG ohne Rechtsirrtum zu der Überzeugung gelangt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), daß die Mitarbeiter des Klägers ihre Tätigkeit für diesen bzw. dessen jeweiligen Auftraggeber weisungsgebunden und eingegliedert in den jeweiligen geschäftlichen Organismus des ersteren oder des letzteren ausgeübt haben. Für diese Entscheidung bedurfte es, weil die Berücksichtigung der streitigen Vorsteuern Selbständigkeit der Mitarbeiter des Klägers voraussetzt, nur der Feststellung, daß deren Tätigkeit insgesamt als fremdbestimmt zu qualifizieren ist.

aa) Es brauchte nicht eingehend untersucht zu werden, in welchem Umfang die Mitarbeiter in die Organisation des Klägers, in welchem Umfang in diejenige seiner Auftraggeber eingegliedert waren.

Das FG hat aus den von ihm unangreifbar und bindend festgestellten Tatsachen zutreffend geschlossen, daß die hier in Frage stehenden Mitarbeiter nicht etwa als (Sub-)Unternehmer im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrages, sondern als Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitnehmer-Überlassungsvertrages tätig geworden sind.

Während im erstgenannten Fall der Leistende die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen (unternehmerischen) Vorstellungen organisiert, wird er im letztgenannten Fall von einem anderen, dem Entleiher (aufgrund des zwischen diesem und dem Verleiher geschlossenen Arbeitnehmer-Überlassungsvertrages und des zwischen Verleiher und Arbeitnehmer bestehenden Leiharbeitsverhältnisses) nach dessen Vorstellungen und Zielen in dessen Betrieb eingesetzt, und zwar "wie ein eigener Arbeitnehmer" (vgl. dazu näher: Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 15. Juni 1983 5 AZR 111/81, BAGE 43, 102, 105; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205, 206; Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 22. März 1979 7 RAr 47/78, BSGE 48, 115, 117 ff., und vom 18. März 1987 9b RU 16/85, BSGE 61, 209; Becker/Wulfgramm, Kommentar zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl., 1985, Art. 1 § 1 Tz. 35 und 39; Friedrich Becker, Arbeitnehmerüberlassung, 2. Aufl., 1986, Tz. 2 und 10; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., 1987, S. 792 ff. - jeweils m. w. N. -).

Bereits mit der vertraglichen Bindung an den Kläger hatten sich die Mitarbeiter im Streitfall faktisch der Möglichkeit begeben, den Einsatz ihrer Arbeitskraft und dessen Modalitäten selbst zu bestimmen oder auch nur maßgeblich zu beeinflussen: Die Entscheidung etwa, ob, wann, bei wem und wie lange sie ihre Arbeitskraft erbrachten, lag nicht mehr in ihrer Hand. Sie hing vielmehr - im Rahmen der zwischen dem Kläger und seinen industriellen Auftraggebern getroffenen Vereinbarungen - von den Interessen und Bedürfnissen des Klägers und dessen Auftraggebern ab. Weder zu dem Zeitpunkt, da die Mitarbeiter dem Kläger gegenüber ihre generelle Einsatzbereitschaft bekundeten, noch zu dem Zeitpunkt, da sie diese Bereitschaft im "Werkvertrag" konkretisierten, stand fest, welche Spezialaufgabe (genau) zu erledigen war und welchen Beitrag hierzu (genau) sie, die Mitarbeiter, zu leisten hatten. Schon deshalb war kein Raum für die Vorstellung, die Mitarbeiter hätten hier auch nur teilweise einen Leistungserfolg geschuldet (vgl. dazu vor allem: Becker/Wulfgramm, a.a.O., Tz. 39).

bb) Keiner weiteren Erörterung bedurfte auch die Aufteilung des Weisungsrechts zwischen dem Kläger und dessen industriellen Auftraggebern. Denn es kommt - wie ausgeführt - für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nur darauf an, daß die Mitarbeiter überhaupt fremder Weisung unterstanden. Außerdem ist es kennzeichnend für die Überlassung von Arbeitskräften, daß ein Arbeitsverhältnis nur zwischen Verleiher und Arbeitnehmer zustande kommt, obgleich die Arbeitskraft für die Dauer der Überlassung unter Umständen vollständig in den Betrieb des Entleihers eingegliedert ist und möglicherweise allein dessen Direktionsrecht unterliegt (BAG-Urteil in BAGE 43, 102; BFH-Urteil in BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205, 206; Friedrich Becker, a.a.O., Tz. 2; Friedrich Becker/Kreikebaum, Zeitarbeit, 2. Aufl., 1982, S. 110 ff.; Dieter Marschall, Bekämpfung illegaler Beschäftigung, 1983, S. 12 ff.; Crezelius, JDStJG 1986, S. 85, 97 f.).

cc) Unbeachtlich ist außerdem, ob es sich im Streitfall um erlaubte oder unerlaubte Arbeitsüberlassung i. S. des Art. 1 § 1 bzw. § 10 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 7. August 1972 (BGBl I 1972, 1.393) gehandelt hat, weil der Unterschied zwischen beiden Erscheinungsformen der Arbeitsüberlassung nur in dem für die (umsatz-)steuerrechtliche Tatbestandsverwirklichung irrelevanten Tatbestandsmerkmal einer wirksamen Erlaubnis zu sehen ist (BFH-Urteile vom 2. April 1982 VI R 34/79, BFHE 135, 501, BStBl II 1982, 502, 503, und vom 12. Juni 1986 VII R 199/83, BFH/NV 1987, 756, 757).

dd) Der Senat konnte schließlich die sonstigen Umstände ungeprüft lassen, die nach den Feststellungen des FG für die Unselbständigkeit der Mitarbeiter des Klägers sprechen, weil deren Tätigwerden im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (s. dazu oben unter aa) allein schon die Klageabweisung und damit auch die Zurückweisung der Revision rechtfertigt.