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BFH-Urteil vom 11.2.1988 (IV R 19/87) BStBl. 1988 II S. 825

Im Wege der Bilanzberichtigung kann auch die Beteiligung der Gesellschafter einer Personengesellschaft am Gesellschaftsvermögen berichtigt und dadurch eine zurückliegende Gewinnverteilung korrigiert werden.

EStG § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1 bis 3 und der Beigeladene zu 2 waren die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG; die Beigeladene zu 1 war persönlich haftende Gesellschafterin. Über das Vermögen der KG wurde am 9. Oktober 1973 das Konkursverfahren eröffnet; im Dezember 1975 wurde der Schlußtermin abgehalten, im Jahre 1976 wurde die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht. Für 1972 und 1973 hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verluste von 230.846 DM und 3.149.664 DM festgestellt und auf die Gesellschafter verteilt; für die Kommanditisten ergaben sich daraus zum 31. Dezember 1973 negative Kapitalkonten in Höhe von 3.010.886 DM. Die Feststellungsbescheide ergingen im September 1974 bzw. im Mai 1976.

Für das Jahr 1974 wurde keine Erklärung zur Feststellung der gemeinschaftlichen Einkünfte abgegeben. Im Oktober 1981 stellte das FA für die KG einen laufenden Gewinn von 0 DM sowie Veräußerungsgewinne in Höhe der negativen Kapitalkonten aller Gesellschafter fest; im Einspruchsverfahren beschränkte das FA die Feststellung der Veräußerungsgewinne auf die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten. Es führte hierzu aus, daß nach einem Bericht des Konkursverwalters vom 3. Dezember 1973 beweglichen Gegenständen im Werte von 147.076 DM Verbindlichkeiten in Höhe von rd. 3 Mio. DM gegenübergestanden hätten und daß deshalb bereits nach den Verhältnissen am 31. Dezember 1973 mit einem Ausgleich der negativen Kapitalkonten nicht mehr habe gerechnet werden können. Demnach hätten für 1973 Verluste, die zu negativen Kapitalkonten der Kommanditisten führten, nicht mehr festgestellt werden dürfen. Da die KG bis zum Abschluß des Konkurses im Jahre 1975 buchführungspflichtig gewesen sei, habe sie auch für 1974 eine Bilanz aufstellen müssen. Im Rahmen dieser Bilanz seien die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten richtigzustellen; hieraus ergebe sich für diese Gesellschafter ein Veräußerungsgewinn.

Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) hob die Gewinnfeststellung 1974 insoweit auf, als mit ihr ein Veräußerungsgewinn für die Kommanditisten festgestellt worden war.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 3.010.886 DM festzustellen und den Kommanditisten zuzurechnen, sowie einen laufenden Verlust in gleicher Höhe festzustellen und diesen der Beigeladenen zu 1 zuzurechnen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

1. Zu Recht hat das FA noch im Jahre 1981 eine einheitliche Gewinnfeststellung hinsichtlich der gemeinsamen Einkünfte der Gesellschafter im Jahre 1974 durchgeführt. Sie haben solche Einkünfte auch noch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG am 9. Oktober 1973 erzielt. Die Konkurseröffnung hatte im Verhältnis der Gesellschafter untereinander nur zur Folge, daß die Gesellschaft aufgelöst und abzuwickeln war (§§ 131 Nr. 5, 145 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Im Laufe einer solchen Abwicklung ändert sich das Gesellschaftsvermögen, entstehen also Gewinne oder Verluste für die Gesellschafter. Sie sind für die Gesellschafter als laufender Gewinn oder Verlust aus Gewerbebetrieb, ggf. auch als Veräußerungs- oder Aufgabegewinn i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Dies trifft auch für das Streitjahr zu, weil nach den Feststellungen des FG die Liquidation der KG Ende 1973 noch nicht abgeschlossen war, der Konkursverwalter vielmehr nur einen Überblick über das Vermögen und die Schulden der Gesellschaft gewonnen hatte; in welchem Umfang sich aus dem Vermögen angesichts bestehender Gläubigerrechte Mittel für die Konkursmasse gewinnen ließen, hat dabei keine Bedeutung.

Die Feststellung wurde auch nicht durch Verjährungsvorschriften gehindert. Aufgrund von Art. 97 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) gilt im Streitfall noch der Rechtszustand vor Einführung der AO 1977 am 1. Januar 1977. Danach konnten einheitliche Feststellungen ergehen, sofern nicht feststand, daß alle von ihr betroffenen Steueransprüche verjährt sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juli 1974 III R 88/73, BFHE 113, 55, BStBl II 1974, 666). Hierfür ist nichts festgestellt.

2. Der danach festzustellende Gewinn 1974 war im Wege des Betriebsvermögensvergleichs nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 EStG). Die KG blieb auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens Kaufmann und war deshalb buchführungspflichtig (BFH-Urteil vom 8. Juni 1972 IV R 129/66, BFHE 106, 305, BStBl II 1972, 784; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., § 154 Anm. 1). Ob handelsrechtlich noch Jahresabschlüsse erstellt werden mußten (dazu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5. November 1979 II ZR 145/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 1522), kann dahinstehen. Jedenfalls mußten Betriebsvermögen und Gewinn für Besteuerungszwecke nach kaufmännischen Grundsätzen und ergänzenden steuerlichen Gesichtspunkten ermittelt werden (vgl. BFH, a.a.O.).

3. In der danach zum 31. Dezember 1974 aufzustellenden Vermögensübersicht ist auch zu bestimmen, wem das Betriebsvermögen zugerechnet wird. Im Rahmen des Vermögensvergleichs wird die Veränderung des Vermögens der Gesellschaft ermittelt und dieser Gewinn oder Verlust auf die Gesellschafter aufgeteilt; hierin besteht ihr Gewinn- oder Verlustanteil gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (BFH-Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164). In diesem Umfang verändert sich die bisherige Beteiligung der Gesellschafter am ausgewiesenen Reinvermögen und der Umfang ihres Mitunternehmeranteils, der im Falle der Veräußerung oder Aufgabe (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) Bedeutung erlangt.

Das FA hat mangels Angaben seitens des Konkursverwalters die Werte für das Betriebsvermögen zum 31. Dezember 1974 schätzen müssen. Es hat angenommen, daß sich dieses Vermögen nicht geändert habe, Erträge und Aufwendungen sich also ausgeglichen hätten und daß deswegen der Verpflichtungsüberschuß von 3.136.283 DM aus der Bilanz zum 31. Dezember 1973 erhalten geblieben sei. An diesem Negativvermögen hatten die Kommanditisten keinen Anteil, weil mit dem Ausgleich ihrer negativen Kapitalkonten durch künftige Gewinne nicht mehr gerechnet werden konnte (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164); es entfiel deswegen allein auf den persönlich haftenden Gesellschafter.

Zur Ermittlung von Gewinn und Verlust war dem das Betriebsvermögen zum 31. Dezember 1973 gegenüberzustellen, wie es der einheitlichen Gewinnfeststellung 1973 zugrunde gelegen hat. Hieraus ergibt sich zwar für die Gesellschaft weder Gewinn noch Verlust, weil sich das (negative) Vermögen der Gesellschaft nach der Schätzung des FA im Ergebnis nicht verändert hat. Zum 31. Dezember 1973 war dieses Negativvermögen infolge der Verlustverteilung in den Jahren 1972 und 1973 in Höhe von 3.010.886 DM aber noch den Kommanditisten zugerechnet worden. Durch die veränderte Zurechnung des (negativen) Betriebsvermögens zum 31. Dezember 1974 ergibt sich danach für die Kommanditisten eine Erhöhung ihrer Kapitalanteile und damit ein Gewinn in Höhe des vorerwähnten Betrages, für die persönlich haftende Gesellschafterin dagegen eine Vermögensminderung und ein Verlust in gleicher Höhe.

4. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Kommanditisten bereits zum 31. Dezember 1973 nicht am Negativvermögen hätten beteiligt werden dürfen, weil bereits zu diesem Zeitpunkt mit einem Ausgleich der negativen Kapitalkonten durch künftige Verlustanteile nicht zu rechnen war. Denn § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft an das Betriebsvermögen an, das tatsächlich der Gewinnermittlung für das Vorjahr und der darauf beruhenden Veranlagung zugrunde gelegen hat; die Korrektur fehlerhafter Ansätze in der Vermögensübersicht (Bilanz) wird deshalb grundsätzlich erfolgswirksam im Folgejahr nachgeholt (vgl. BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142; BFH-Urteil vom 14. Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303). Dies ist anders, wenn die vorangegangene Veranlagung noch geändert, die Vermögensübersicht berichtigt und der danach ermittelte Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Hieran fehlt es im Streitfall.

Zu Unrecht meint das FG, ein in der Vergangenheit fehlerhaft gebildeter Vermögensansatz müsse gewinneutral berichtigt werden. Das hat die Rechtsprechung nur für in der Vergangenheit entnommene oder sonst fälschlich in das Betriebsvermögen aufgenommene Wirtschaftsgüter ausgesprochen (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1976 IV R 222/72, BFHE 120, 369, BStBl II 1977, 148, m.w.N.; vom 9. September 1980 VIII R 64/79, BFHE 131, 482, BStBl II 1981, 125; vom 22. Januar 1985 VIII R 29/82, BFHE 143, 71, BStBl II 1985, 308). Darum handelt es sich hier nicht.

Ebenso trifft nicht zu, daß eine erfolgswirksame Berichtigung nur für solche Bilanzansätze verlangt werden könne, die Auswirkungen auf die Höhe des Gesellschaftsgewinns haben, eine Berichtigung der Vermögensbeteiligung der Gesellschafter also nicht in Betracht komme. Der Senat hat in der Vergangenheit entschieden, daß sich die in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgesehene Verknüpfung, die im Handelsrecht als formeller Bilanzenzusammenhang bezeichnet wird, auch auf die Aufteilung des Betriebsvermögens auf die Gesellschafter bezieht (BFH-Urteil vom 8. März 1973 IV R 77/72, BFHE 108, 540, BStBl II 1973, 398). Hieran ist festzuhalten. Kann eine im Vorjahr fehlerhaft vorgenommene Gewinnverteilung nicht mehr berichtigt werden, muß dies im Folgejahr erfolgswirksam nachgeholt werden und danach der Kapitalanteil der Gesellschafter bestimmt werden. Andernfalls würde der Gesellschafter nicht den Vermögenszuwachs versteuern, der während seiner Gesellschaftszugehörigkeit auf ihn entfallen ist; hiervon würden auch alle anderen Gesellschafter betroffen, auf die sich die Gewinnverteilung erstreckt. So müßte im Streitfall auch außer Betracht bleiben, daß sich durch den Wegfall der negativen Kapitalkonten der Verlustanteil der Komplementärin erhöht hat und dadurch die bisherige Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftern von Gesetzes wegen korrigiert worden ist.

5. Der sich aus der Richtigstellung der Bilanzansätze für die Kommanditisten ergebende Gewinn genießt die Steuervergünstigungen, die ihm bei rechtzeitigem Ausweis zugekommen wären (vgl. BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303). Darum ist der für die Kommanditisten entstandene Gewinn weiterhin als Veräußerungsgewinn i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 1 EStG auszuweisen.

Das FG hat bisher nicht berücksichtigt, daß sich im Umfang der Gewinnerhöhung für die Kommanditisten der Verlust der Komplementärin erhöht; dies war im Urteilsausspruch klarzustellen.